„Angst ist in ganz vielen Bereichen wichtig“ – Van Holzen im Interview

Das Alternative-Rock-Trio ist momentan auf Deutschland-Tour und tritt mit kraftvoller und energiegeladener Musik am Donnerstag im Tower Musikclub auf.

Foto: Ilkay Karakurt

Bremen. Van Holzen sind gerade den gesamten November unterwegs und spielen beachtliche 22 Konzerte in 30 Tagen. Dabei bringen sie Songs ihres neuen Studioalbums „Regen“ sowie des Debüts „Anomalie“ auf die Bühne. Mit ihrer neuen Musik sind sie ihrem gewohnt brachialen Rocksound treu geblieben, sodass die Show am 7. November im Tower Musikclub einen kraftvollen und erstklassigen Abend verspricht. Im Sommer sind Van Holzen bei der Breminale aufgetreten, damals haben wir Sänger und Gitarrist Florian Kiesling und Schlagzeuger Daniel Kotitschke zum Interview getroffen.

Ihr seid im November 2017 im Tower und in diesem Sommer auf der Breminale aufgetreten. Mit welchen Erinnerungen kommt ihr zurück in die Stadt?

Florian: Der Tower ist ein total schöner Musikclub und die Flut-Bühne auf der Breminale ist ähnlich klasse. Wir fühlen uns wohl in Bremen, es ist eine entspannte Atmosphäre in der Stadt. Die Ruhe kennen wir von zu Hause und die genießen wir voll.

Im Sommer habt ihr viele Festivals gespielt, Anfang Juli sogar fünf Konzerte in fünf Tagen. Gibt es da Shows, auf die ihr euch besonders freut?

Florian: Auf jeden Fall! Einen Tag nach der Breminale spielen wir beim Kosmos Chemnitz, das ist eine Besonderheit. Generell kommt es darauf an, wie das Line-Up des Festivals ist – ich freue mich immer, wenn wir befreundete Bands treffen oder Medienpartner, mit denen wir uns schon lange gut verstehen. Auf einem Festival kommt es viel mehr auf die Umgebung an, als bei normalen Konzerten, es gibt ein ganz anderes Rahmenprogramm.

Kommt ihr als Band aus dem Süden Deutschlands nach langer Anreise mit anderen Erwartungen im Hinblick auf Show und Publikum nach Norddeutschland als bei Konzerten in Bayern oder Baden-Württemberg?

Daniel: Nicht unbedingt – ich glaube es wäre falsch, da andere Erwartungen zu haben. Erstmal haben wir meistens niedrigere Erwartungen, weil wir dann nicht enttäuscht, sondern überrascht werden.

Florian: Das ist die beste Methode! Ich erwarte im Norden, dass die Besucher hier etwas mehr auf Rock stehen. Es kommt mir so vor, als wären die Leute in Norddeutschland interessierter an Rockmusik.

Daniel: Tatsächlich ist das Rock-Publikum im Norden eher anzutreffen als in Süddeutschland. Das ist vielleicht die einzige Erwartung, ansonsten gibt es nichts.

Von Ulm bis nach Bremen fahrt ihr mindestens sieben Stunden. Wir vertreibt ihr euch so viel Zeit im Auto?

Daniel: Meistens fährt Jonas, ich habe heute locker 4-5 Stunden geschlafen. Auf dem restlichen Weg habe ich noch einen kleinen Beat am Computer gemacht, das kommt auch manchmal vor. Meistens wird aber nur geschlafen und geredet, Musik gehört und gechillt.

Die Zeit ließe sich auch gut für Social Media wie Instagram nutzen. Ist es für euch schwierig, direkten Kontakt zu den Fans zu halten, ohne euch dabei zu oft zu wiederholen, während ihr auf Tour seid?

Florian: Es ist schon Arbeit, Content für Social Media zu generieren, der immer wieder spannend ist und nicht völlig aus der Luft gegriffen wirkt. Ich finde es aber cool, es gehört zum Bandleben dazu wie Musikvideos zu produzieren und wir machen das gerne. Durch unseren WhatsApp-Newsletter können wir unsere Fans auch direkt ansprechen. Seitdem hat sich die Beziehung zu den Leuten, die unsere Musik gerne hören, spürbar verändert. Wir haben einen direkten Draht und wissen anhand von Profilbildern, Namen und Postleitzahlen, mit wem wir kommunizieren.

Den Newsletter nutzt ihr seit Mitte März, die letzte Nachricht ist gerade aber schon fast einen Monat her. Fiel es auch am Anfang mit dem Albumrelease leichter, geeigneten Content zu finden?

Daniel: Anfangs ist einfach super viel passiert, deswegen konnten wir eine Menge Content liefern. Nach der letzten Nachricht vor einem Monat haben wir noch Nachrichten verschickt, aber nur auf bestimmte Postleitzahlenkreise bezogen. Da ging es um spezielle Festivals und Streetteams, die für uns Flyer verteilen. Solche Nachrichten gehen nicht an den ganzen Verteiler.

Florian: Man darf es auch nicht missbrauchen oder übertreiben. Wir achten darauf, was wir als Nutzer des Newsletters erwarten würden und ich hätte keinen Bock, jede Woche eine Nachricht oder ein Bild von jedem Festival zu bekommen. Zwischendurch schicken wir natürlich mal Updates vom Tourleben oder ein Foto. Aber wir sind eine Band, die nur etwas sagt, wenn es auch etwas zu sagen gibt.

Ihr habt euer Album zum großen Teil mit eurem Produzenten Phil von Heisskalt zusammen geschrieben. Welche Einflüsse bringt er in eure Musik?

Florian: Phil bringt uns vor allem Sicherheit – gerade im Songwriting, aber auch im Studio. Er sorgt bei uns für eine Atmosphäre, in der wir alles machen können und uns wohlfühlen. Phil denkt losgelöst von Verkaufszahlen und Trends, er versucht immer, die Essenz unserer Musik zu bewahren. Das schätzen wir sehr an ihm und deshalb haben wir uns entschieden, unsere zweite Platte mit ihm aufzunehmen. Wir sind gute Freunde und die Stimmung im Studio ist super, das ist das allerwichtigste.

Bei eurer letzten Tour vor zwei Jahren habt ihr in Bremen genau die zwölf Songs des Albums und die fünf Songs der EP gespielt, also praktisch das gesamte Repertoire, das es zu der Zeit gab. Jetzt gibt es neue Songs, wie entscheidet ihr, welche alten von der Setliste runterfliegen?

Daniel: Das ist eine ganz schwierige Entscheidung! Es entsteht in den Proben, auf Festivals ist unser Slot ohnehin begrenzt, dann gucken wir, was stimmungsmäßig Sinn macht. Da geht es nicht unbedingt nur nach alten oder neuen Songs.

Florian: Wir sind jetzt total flexibel, wenn wir mittags um 13 Uhr bei Sonnenschein auf einer Bühne spielen, wollen die Leute keine super atmosphärischen und traurigen Songs hören. Da können wir jetzt ein schnelles Set spielen, mit den schnellen Stücken der beiden Alben und der EP.

Daniel: Es ist gerade total interessant, weil wir noch nie in dieser Situation waren. Vorher hatten wir immer nur so viel Repertoire, um gerade etwas mehr als eine Stunde zu füllen.

Eine der zentralen Zeilen auf dem neuen Album ist „Alle meine Freunde haben Angst“ – da ist inhaltlich sicher viel Erwartungsdruck drin und das für jeden persönliche und schwer definierbare, das man vielleicht als „Teenage Angst“ zusammenfassen könnte. Welche Einflüsse spielen noch rein?

Florian: Soziale Medien und die vernetzte Welt spielen schon eine große Rolle. Wir sind immerhin damit aufgewachsen. Mit „Alle meine Freunde haben Angst“ ist nicht nur die Angst vor beruflichem Scheitern, sondern generell gesellschaftliches Scheitern gemeint. Soziale Medien verstärken das, wir öffnen Instagram und unser Gehirn fängt sofort an zu vergleichen und ist immer am arbeiten, es ist totales Gift und bringt nichts, denn wir gucken uns Sachen von Leuten an, mit denen wir uns nicht vergleichen sollten. Plötzlich sind da Likes, Kommentare und Meinungen, eine richtige Flut prasselt auf uns ein. Damit richtig umzugehen, ist eine Herausforderung, die vor allem von der älteren Generation total unterschätzt wird. Ich finde es krass, dass so etwas in Schulen immer noch nicht unterrichtet wird. Das wird in Zukunft immer wichtiger sein und spielt in den Song natürlich mit rein.

Heisskalt haben gesungen „wenn du keine Angst hast, siehst du nicht genau genug hin“. Ist ein Leben ohne Angst überhaupt wünschenswert oder gerade nicht, weil es bedeuten würde, dass es viel oberflächlicher wäre?

Florian: Angst ist in ganz vielen Bereichen wichtig. Damit meine ich diese Angst, die uns am Leben erhält, die gute und sinnvolle Angst. Sorgen und Zukunftsängste sind dagegen manchmal unbegründet und hindern uns daran, das zu tun was wir uns wünschen. Bis zu einem gewissen Grat ist Angst sinnvoll, aber wenn es darum geht, Träume zu verwirklichen oder sein Leben zu gestalten, sollte Angst nicht zu viel Fläche bekommen.

Habt ihr manchmal Angst vor eurer eigenen Zukunft als Band?

Florian: Als Band nicht, weil ich super viel Spaß daran habe. Angst hat da keinen Platz!

Daniel: Manchmal denke ich schon darüber nach, was passieren könnte, aber Angst ist dafür das falsche Wort.

Florian: Ich glaube viel mehr denkt jeder von uns privat, wie er seinen Weg geht, was noch neben der Musik passiert, und wie wir mit Mitte 20 unseren Lebensunterhalt verdienen. Von Angst kann man aber nicht sprechen, weil wir so einen Drive haben und motiviert sind, das regelt sich von selbst.

Am 7. November spielt ihr wieder im Tower. Bereitet ihr die Tour anders vor als vor zwei Jahren und worauf können sich die Besucher freuen?

Florian: Die Tour ist 30 Tage lang und wir müssen zu Profisportlern werden, bevor wir losfahren. Wir haben die „Anomalie“-Tour als Erfahrungswert im Nacken und sind viel ausgecheckter, bereiten uns also anders vor.

Daniel: Wir haben Erfahrungen gesammelt und werden noch mehr proben als damals.

Florian: Die Besucher können sich auf eine authentische Show freuen. Ich glaube, wir sind lockerer geworden und auf der Bühne kann man noch mehr sehen, dass wir großen Spaß daran haben. Es wird wieder eine energiegeladene Rockshow!

Van Holzen treten am Donnerstag, den 7. November im Tower Musikclub auf. Tickets für das Konzert gibt es noch im Vorverkauf.

 


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