Not On Tour! Heute: Frank Turner

Musiker*innen haben aufgrund des Verbotes von Großveranstaltungen buchstäblich keine Bühne. Hier schreiben sie, wie sie damit umgehen. Heute berichtet Frank Turner aus seinem Garten, plaudert über seine aktuellen Lieblingsbeschäftigungen und gibt einen (düsteren) Ausblick auf die Zukunft. Außerdem kommt nächsten Monat eine Split-LP mit NOFX.

Not on tour - @pfa

Die weltweite Pandemie und der daraus resultierende Lockdown war für jeden von uns hart, aber besonders hart war es für tourende Musiker. Wir sind eine Gruppe von Menschen, die ihren Lebensunterhalt (in meinem Fall seit mehr als zwei Jahrzehnten) im Prinzip auf zwei Bausteinen aufgebaut haben: Reisen und Menschen an einem Ort zusammenbringen. Die Kontaktbeschränkungen in Großbritannien fühlen sich manchmal so grausam an, als ob sie nur dafür geschaffen wurden, die Musik- und Kulturindustrie zu zerstören. Ich befand mich gerade inmitten einer UK-Tour, als der Lockdown begann und musste eine Woche vor dem eigentlichen Ende die Tournee abbrechen, weitere Tourneen absagen, nach Hause kommen und mich umstrukturieren.

Ich will hier keinesfalls selbstmitleidig klingen – Mir ist bewusst, diese Situation betrifft jeden Menschen. Anfangs konnte ich sogar einige positive Dinge daran erkennen. Meine Frau und ich diskutierten dieses Jahr sowieso die Vorzüge eines Urlaubes auf Balkonien. Wir lieben den Ort, an dem wir leben, aber ich habe in den letzten Jahren nicht viel Zeit zuhause verbracht. Ich schätze, du solltest dir immer klar sein, was du dir wünscht. Ich habe mittlerweile meine lange „Zuhause-To-Do Liste“ abgearbeitet. Das ist die längste Zeit, die meine Frau und ich jemals zusammen verbracht haben. Tatsächlich stellte ich letztens fest, es ist sogar die längste Zeit, die ich jemals an einem Ort verbracht habe, seit ich sieben Jahre alt war.

Immerhin versuche ich mein Bestes, mich sinnvoll zu beschäftigen. Die oben erwähnte To-Do Liste habe ich abgehakt und viele Kleinigkeiten im Haus erledigt. Wir haben mehr Zeit im Garten verbracht, als jemals zuvor und zum Glück blühen die Pflanzen jetzt, denn ironischerweise ist das Wetter super. Ich habe mir einen Baukasten besorgt, um meine eigene Gitarre zu bauen (was sich als schwerer herausgestellt hat, als gedacht), außerdem habe ich an Onlinekursen über Musikproduktion teilgenommen, was mein Wissen enorm erweitert hat. Ich habe einen Zaun repariert, den Grill gereinigt und Bilder im Haus aufgehangen.

Um kreativ zu sein, ist es allerdings eine seltsame Zeit. Anfangs dachte ich, es wird ein toller Moment sein, um ein Album zu schreiben (etwas, was ich dieses Jahr eh vorhatte). Ich dachte, jetzt wäre ich nicht abgelenkt, aber ich habe eine einzige Ablenkung außer acht gelassen, nämlich eine weltweite Pandemie. Ich schätze, es wird in den nächsten Jahren eine Menge Lieder über das Leben im Lockdown geben. Und ich bin umsichtig genug, keinen weiteren dazu beizutragen (obwohl ich welche geschrieben habe). Manchmal ist es schwer, an etwas anderes zu denken. Mittlerweile vergebe ich mir manche Tage oder gar Wochen des Müßiggangs. Es ist okay in diesen Zeiten etwas runterzufahren. Etwas, was mir anfangs wirklich schwerfiel.

Eine andere Sache, die ich gerade mache, ist meine Independent Venue Love Serie – ein wöchentliches Live-Streaming aus meinem Haus, in Zusammenarbeit mit Music Venue Trust, um Geld für unabhängige Clubs in Großbritannien zu sammeln, die wirkliche finanzielle Probleme haben. Ich bin ehrlich beeindruckt, wie viele Menschen das in den letzten Wochen interessiert hat und wie großzügig gespendet wurde. Außerdem ist es interessant mich durch meinen kompletten Backkatalog zu spielen.

Ich bin mir nicht sicher, wie lange diese Online Shows andauern können (von den offensichtlichen Gründen abgesehen, ich habe bald keine Lieder mehr zu spielen!). Niemand kann sagen wann, und noch wichtiger, wie der Lockdown beendet werden kann. Anfangs dachte ich, es wird ein unbequemer Monat werden, vielleicht zwei Monate, gefolgt von einem freudigen Moment der Rückkehr. Mittlerweile sieht es so aus, als ob es Jahre dauern wird, bis unsere Gesellschaft wieder zur Normalität zurückkehrt und dabei bin ich mir noch nicht mal sicher, ob es jemals wieder so wird, wie zuvor. Wie die Welt nach dem Virus aussehen wird, ist eine beängstigende Frage. Wie und ob die Musikindustrie überlebt, wird nur die Zukunft zeigen.

Aber in der Zwischenzeit, das Wetter ist gut und die Blumen brauchen Wasser. Ich schätze, mir geht es besser, als vielen anderen Menschen. Also versuche ich das beste draus zu machen und mich nicht zu beschweren.

 

Damit es in dieser Zeit nicht so langweilig wird, veröffentlicht Frank Turner gemeinsam mit NOFX am 31. Juli 2020 die Split LP West Cost vs. Wessex, auf X-tra Mile / FatWreck Cords, auf dem die Künstler jeweils 5 Lieder des anderen covern.


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