Not On Tour! Heute Sergie Loobkoff

Musiker*innen haben aufgrund des Verbotes von Großveranstaltungen buchstäblich keine Bühne. Hier schreiben sie, wie sie damit umgehen. Heute schreibt für uns Sergie Loobkoff von Samiam über seine geplatzten Pläne für den Rest des Jahres und persönliche Schicksale.

Not on tour - @pfa

Ungefähr einen Monat vor dem Lockdown habe ich meinen Job verloren. Ich bin Grafikdesigner und habe 17 Jahre lang für verschiedene Firmen im Großraum Los Angeles Magazine, Produkte, Informationsmaterial für Events und so was designet. Ich wurde nicht direkt gefeuert, nur freigelassen, eine nette Art zu sagen: Wir brauchen dich nicht mehr. Es hat einen bitteren Nachgeschmack. Plötzlich hatte ich eine Menge Freizeit, an die ich mich zunächst gewöhnen musste. Ich fand heraus, dass ich  das Leben nicht einfach genießen kann…, ich kann mich wohl nur schwer aufraffen, um etwas zu starten, wenn es Spaß machen soll. Die Arbeit war eine gute Möglichkeit meine Zeit sinnvoll zu nutzen und mich von düsteren Gedanken abzulenken. Das klingt jetzt merkwürdig, aber ich glaube, ihr versteht worauf ich hinaus will.

Auf Tour zu gehen war mit einem Vollzeitjob immer ein Problem. Die Aussicht in den nächsten Monaten es sowohl meiner Band, als auch meinem Boss recht zu machen, war nicht gerade erfreulich. Du gute Sache am Jobverlust ist also, ich musste mir keine Sorgen um die drei Wochen machen, die wir im April gebraucht hätten, um das neues Samiam Album aufzunehmen. Oder um die Woche, die ich gebraucht hätte, um mit Jawbreaker im Juli auf Tour zu gehen… und ganz besonders hätte ich niemanden um Erlaubnis fragen zu brauchen, um im Oktober drei Wochen mit Hot Water Musik in Europa unterwegs zu sein. Ich habe außerdem eine neue Band mit dem Namen Ways Away und kann mich nun darauf konzentrieren Vollzeitmusiker zu sein.

Dann kam der Virus und seit dem ersten März befand ich mich praktisch in Quarantäne (in LA ging es offiziell erst zwei Wochen später los). Anfangs genoss ich es faul und ohne Fokus rumzuhängen. Die Pandemie war meine Entschuldigung. Aber wie mit allem, hielt dieser Zustand nicht lange an. Die Angst, Wertlosigkeit und Unsicherheit hat in den letzten drei Monaten nicht abgenommen. Es bleibt ein Gefühl von Schuld, denn ich fühle mich schlecht, weil wir das Album nicht aufgenommen haben oder wegen der abgesagten Konzerte. Ich rede mich um Kopf und Kragen, dabei habe ich ein Dach überm Kopf und bin generell in einer komfortablen Lage. Manche Leute geht es wirklich schlecht. Ich denke an die Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, allein gelassene Arme und Kranke.

Ich kann hier also wegen verpasster Auftritte rumheulen, aber das wäre selbstmitleidig.

Und nun haben wir obendrein  (ganz andere) Proteste gegen Polizeigewalt, ein loderndes Feuer, Plünderungen und Gewalt zu einer unpassenden Zeit… wie soll ich mich jetzt über meine Band oder meine Arbeitslosigkeit aufregen, wenn solche Dinge passieren.

Ich hoffe, wir kommen durch diese Zeit hindurch und dann wird es besser sein..

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