Not On Tour! Heute: Nick von Cadet Carter
Musiker*innen haben aufgrund des Verbotes von Großveranstaltungen buchstäblich keine Bühne. Hier schreiben sie, wie sie damit umgehen. Heute berichtet Nick von Cadet Carter über Kreativität im Lockdown, neuen Terrassen und seinem Jogging Pensum.

Zugegeben: Eine Pandemie passt niemandem so richtig in die Planung. Wenn es aber eine Definition für schlechtes Timing gibt, dann ist es wohl die Veröffentlichung des neuen Cadet Carter-Albums „Perceptions“. Das Album erschien am 8. Mai – also so ziemlich auf dem Höhepunkt des weltweiten Lockdowns. Zwar hatten die Leute so endlich mal mehr Zeit, um sich neue Musik anzuhören. Unsere für Mitte Mai geplante Tour aber wurde selbstverständlich, wie die Veranstaltungen aller anderen Künstler, abgesagt oder verschoben.
Seitdem hat man als Musiker viel Zeit, um kreativ zu sein – eigentlich etwas, das man sich schon vorher gewünscht hätte, allerdings natürlich unter wesentlich positiveren Umständen. Und so vergrabe ich mich nun schon seit vielen Wochen in meinem kleinen Keller-Studio und tüftle an neuen Songs und neuer Musik – und das keine zwei Monate nach der Veröffentlichung unseres letzten Albums. Zwischen unseren beiden Alben liegen gut zweieinhalb Jahre. Ich denke nicht, dass die Zeitspanne zwischen dem zweiten und dritten Album genau so lange wird. Denn: Um inspiriert zu sein, brauche ich Ruhe und Zeit. Zwischen Tür und Angel etwas Kreatives schaffen, einen Song zu schreiben, ist nicht meine Stärke. Daher kommt mir hier die freie Zeit sehr entgegen. Aber sitze auch ich keine 24 Stunden am Tag im Studio: Wenn ich keine Musik mache, arbeite ich Dinge ab, die ich lange vor mir hergeschoben habe: Reparaturen und Renovierungen am Haus zum Beispiel. So komme ich jetzt endlich in den Genuss einer neuen, kleinen aber feinen Terrasse!
Die größte Veränderung, die ich in meinem Leben im Lockdown aber vorgenommen habe, ist eine Sportliche: Ich habe 2019 angefangen zu joggen, zumindest so gut es ging. Wir waren oft auf Tour und auch sonst ordentlich beschäftigt, sodass ich nicht so oft joggen gehen konnte, wie ich es mir eigentlich vorgenommen hatte. Das hat sich seit diesem Frühjahr aber geändert, ich jogge drei oder vier Mal die Woche, meistens größere Runden. Meine Gesundheit dankt es mir, auch und gerade meine geistige. Beim Laufen kann ich abschalten, durchatmen, den Kopf frei bekommen. Gerade in einer beklemmenden Lage wie dieser Pandemie halte ich diese Dinge für immens wichtig.
Wie wichtig dieses geistige Durchatmen ist, merke ich an meinem Jogging-Pensum: Ich bin seit März beinahe 600Kilometer gelaufen. So blöd das klingt: Dafür, für diesen „Arschtritt“ und die Möglichkeit, meinen inneren Schweinehund endlich zu überwinden, werde ich dieser Phase in meinem Leben für immer dankbar sein. Oft liegt also auch im Negativen ein kleiner Funken Positives. Man muss es nur für sich ganz persönlich finden.
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