„Man kann als Indie-Rockband auch heute noch erfolgreich werden“

Vor seinem sechsten Auftritt beim Hurricane haben wir uns The Wombats-Sänger und Gitarrist Matthew Murphy für ein Interview geschnappt.

Scheeßel. The Wombats zählen zu den beliebtesten und erfolgreichsten britischen Indie-Rock-Exporten der letzten Jahre. Seit ihrem Debütalbum im Jahr 2007 haben sie insgesamt vier Platten veröffentlicht, die aktuelle „Beautiful People Will Ruin Your Life“ ist Anfang 2018 erschienen. Sänger und Gitarrist Matthew „Murph“ Murphy hat kürzlich sein Soloprojekt Love Fame Tragedy ins Leben gerufen, bald erscheint die erste EP, mit der er im Herbst in Europa unterwegs ist. Wir haben den 35-jährigen beim Hurricane Festival zum Interview getroffen.

Ihr seid praktisch Dauergäste auf dem Hurricane und heute schon zum sechsten Mal dabei. Wie verbunden fühlt ihr euch mit dem Festival?

Wir fühlen uns sehr verbunden mit dem Hurricane und auch mit dem Southside Festival. Wir hatten dort nie eine schlechte Show und haben uns immer sehr wohlgefühlt. Ich bin froh, dass wir immer wiederkommen dürfen, es sind zwei meiner Lieblingsfestivals in Deutschland.

Welche besonderen Erinnerungen gibt es an das Hurricane?

Bei der letzten oder vorletzten Show erinnere ich mich an einen großen Regenbogen oben am Himmel während unseres Konzerts. Das war ein schöner und ergreifender Moment, so etwas ist uns vorher noch nie passiert, deshalb haben wir vor allem diese besondere Erinnerung im Kopf behalten.

Ihr habt euer Debütalbum vor zwölf Jahren und somit in der goldenen Zeit des Indie-Rocks veröffentlicht. Hat man es als frische Indie-Band heute schwerer als vor zehn Jahren?

Es ist wahrscheinlich schon schwieriger, heute in die kommerziell erfolgreiche Musikwelt einzutreten und dort Fuß zu fassen. Zur Zeit unseres Debütalbums gab es die Arctic Monkeys, die Kaiser Chiefs, The Killers und viele weitere, stilverwandte Bands, die den ganzen Tag im Radio gespielt wurden. Da konnten wir besser reinrutschen, heute gibt es weniger erfolgreiche Bands in diesem Genre. Wenn man an seine Musik glaubt, Willen und Talent hat, kann man es aber als Indie-Rockband heute noch schaffen.

Beschäftigt es euch beim Songwriting, dass viele junge Hörer sich kaum noch inhaltlich mit Musik auseinandersetzen? Ist das Phänomen „Let’s Dance To Joy Division“ in den letzten Jahren noch schlimmer geworden?

Das würde ich nicht so sagen. Es ist natürlich nicht bei jedem der Fall, aber für ganz viele Menschen ist der lyrische Inhalt nach wie vor extrem wichtig – für manche vielleicht bedeutsamer als jemals zuvor. Die Leute beschäftigen sich mit den Texten und hören sie aufmerksam. So nehmen wir zumindest die Rückmeldungen unserer Fans wahr – Fans von elektronischer Musik werden das mit Sicherheit anders sehen.

Ist populäre Musik in den letzten Jahren oberflächlicher und kurzlebiger geworden?

Nein, so negativ kann ich das nicht bestätigen. Ich finde, in den letzten Jahren ist großartige und auch tiefgründige neue Musik entstanden. Ein positiver Effekt von Streamingdiensten ist die Möglichkeit, neue Bands zu entdecken, die plötzlich an die Oberfläche gespült werden. Ich nehme die Musikszene heute insgesamt in einer besseren Verfassung wahr als 2014 oder 2015.

In einer positiven Review wurdet ihr als „süße und knuddelige Band“ bezeichnet. Freut man sich als Rockband überhaupt darüber?

Ich weiß nicht, wer das geschrieben hat, aber manchmal gibt es schon merkwürdige Beschreibungen, die sich nicht mit unseren Wahrnehmungen decken. Es gibt inzwischen so viele Berichte über uns und Interviews mit uns, dass wir nicht mehr alles lesen und verfolgen können. Ich hätte unsere Musik und uns nicht unbedingt als süß und knuddelig beschrieben, aber wenn das Menschen so sehen und begründen können, sollen sie das ruhig so schreiben.

Eure aktuellen Songtitel handeln von Eiscreme, Honig und Zitronen, manchmal auch von exotischen Tieren. Spielt ihr bewusst mit diesen Titeln, obwohl das neue Album im Vergleich etwas weniger poppig und erwachsener ist?

Ich platziere in meinen Songtexten gerne Früchte, Tiere und anschauliche, positiv besetzte Alltagsdinge. Das passiert sehr unterbewusst, scheint dann aber wohl eine generelle Einstellung zu sein – andere Bands singen auf der Bühne über Blut, ich singe über Zitronen.

Gerade hast du bekanntgegeben, eine EP mit deinem Solo-Projekt namens „Love Fame Tragedy“ zu veröffentlichen. Was ist dein Antrieb dahinter?

Ich möchte gerne ein gemeinschaftliches Nebenprojekt starten mit Freunden, anderen Musikern und Menschen, die ich in den letzten zwölf Jahren getroffen habe. Bei den Studioaufnahmen waren Mitglieder von Alt-J, Pixies, Soundgarden und The Killers dabei, es lässt sich also schon als Supergroup bezeichnen. Die erste Single „My Cheating Heart“ ist bereits erschienen und gut angekommen. Es ist aufregend!

Hast du die Songs neu geschrieben oder sind es Songs aus vielen Jahren The Wombats, die auf kein Album gepasst haben?

Die Grundgerüste der vier EP-Songs waren alle schon vorher da. Es gibt Songs, die ich für das letzte Wombats-Album geschrieben habe, die schließlich aber nicht darauf gepasst haben. Ich mochte sie aber trotzdem gerne und fand, dass sie veröffentlicht werden sollten. Deshalb habe ich weitergeschrieben und immer mehr Songs für ein Soloprojekt sind entstanden.

Matthew Murphy tritt mit Love Fame Tragedy am Samstag, den 14. September für ein exklusives Deutschland-Konzert im Berliner Maze auf.

 


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