„Kleine Beobachtungen in großen Zusammenhängen“ – Adam Angst im Interview

Mit Felix Schönfuss von Adam Angst haben wir über das neue Album und vernetzte Sprachassistenten gesprochen.

Foto: Jörg Kröger

Scheeßel/Bremen. Am 28. September erscheint „Neintology“, das neue Album von Adam Angst. Zum ersten Mal schreibt Sänger Felix Schönfuss mit einer Band ein zweites Album. In welche Richtung sich der raue und energiereiche Punkrock der fünfköpfigen Band entwickelt, hat er uns beim Interview auf dem Hurricane Festival verraten. Außerdem gibt es Einblicke in die gewählten Themen der neuen Songs. Am 23. November spielen Adam Angst in Bremen, das Konzert wurde gerade ins Kulturzentrum Schlachthof hochverlegt.

Du bist heute Nachmittag als zweiter Act auf der Red Stage aufgetreten. Wie hast du das Konzert wahrgenommen?

Es war im positiven Sinne eine ganz andere Erfahrung, als beim letzten Hurricane-Auftritt im Zelt vor drei Jahren. Heute war der Platz schon um 16 Uhr sehr voll. Ich glaube, andere Bands hatten es da schwerer, zumindest würde ich mir als Festivalbesucher überlegen, schon so früh auf das Gelände  zu gehen. Daher war es schon geil!

In deiner neuen Single „Alexa“ geht es um künstliche Intelligenz und vernetzte Geräte. Woher kommt die Sorge davor?

Das im Song beschriebene Szenario ist natürlich übertrieben und nicht realistisch. Wir wollen ein Endzeitszenario darstellen, es gibt sogar noch ein zweites auf dem neuen Album. Beide schlagen eine kleine Brücke zu uns selbst. Bei „Alexa“ finde ich die Geschichte spannend, da wir von unserem eigenen Fortschritt überholt werden. Wir gehen mit unseren persönlichen Daten und unserer entwickelten Technik sehr naiv um. Dabei denken wir uns nicht viel, sondern freuen uns einfach, wenn es funktioniert und fertig. Ich finde es interessant, ein Endzeitszenario zu stricken, bei dem die Menschheit durch etwas vernichtet wird, das sie selbst geschaffen hat.

Also nutzt du solche elektronischen Geräte oder  „Smart Home“-Gegenstände selber gar nicht?

Es ist mir einfach viel zu anstrengend. Bei Sprachassistenten müsste ich mich damit beschäftigen, wie ich am besten mit dem Gerät spreche, damit es dieses und jenes tut. Da mache ich es lieber direkt selber. Solche Spielereien brauche ich nicht. Ich möchte den Leute aber nichts vorschreiben, jeder kann es für sich selbst entscheiden. Nur ich persönlich finde es anstrengend, ständig vernetzt und immer erreichbar zu sein. Das stresst mich.

Felix Schönfuss nach dem Interview mit Redakteur Marcel. Foto: Malte Löhmann (loe)

Am 28. September erscheint das neue Album „Neintology“. Wie würdest du es im Vergleich zum Debüt beschreiben?

Es ist abwechslungsreicher geworden. Rein musikalisch sind drei sehr harte Songs dabei, die wirklich nur nach vorne gehen. Im Gegensatz dazu haben wir zum ersten Mal eine komplette Ballade geschrieben. Ich schreie und keife nicht mehr ganz so viel. Wir haben uns an Pop-Stücken versucht, Streicher und Bläser eingebaut, ein Klavier dabei und solche für uns ungewöhnlichen Dinge probiert.

Ist die das Debütalbum so prägende Wut geblieben?

Ich finde es schwierig, sich durch Wut zu definieren. Ich bin nicht ständig wütend, das bringt keinen Spaß und wird schnell langweilig. Grundsätzlich ist ein Teil der Wut sicher geblieben. Insbesondere haben wir aber abstraktere Geschichten gemacht und fiktive Szenarien gebaut, die trotzdem Bezug zur Realität haben. Wir beobachten und lassen den Hörer mehr selbst entscheiden, was es für eine Bedeutung hat. Dadurch werden wir aber nicht kryptisch, ich werde immer sehr klar sagen, was passiert und die Songs werden nicht schwer zu verstehen sein. Diesmal kann der Hörer nur selbst entscheiden, was er mit dem Song macht.

Welche Themen sprichst du auf dem neuen Album noch an?

Ich habe viele fiktive Geschichten gebaut. In der anderen Endzeitstory landen zum ersten Mal Aliens auf der Erde – in einer Schrebergartenkolonie in Wuppertal. Es gibt viele politische Streitereien, wer den Erstkontakt übernimmt, wer überhaupt zuständig ist, ob Waffen aufgebaut werden müssen. Am Ende machen die Aliens jedoch gar nichts, sondern landen erstmal nur und fliegen schnell weiter. Was sonst noch in den Songs passiert – lassen wir uns überraschen.

Du greifst gerne kleine Beobachtungen auf und packst sie in größere Zusammenhänge.

Es wird solche Anekdoten wieder geben, zum Beispiel über die Urlaubsgewohnheiten der Deutschen. Wie verhalten sie sich beim Pauschalurlaub in der Türkei, was denken sie dabei? Ich nehme gerne kleine Geschichten und bausche sie zu etwas übertriebenem und großem auf. So wird jemand durch eine Fußgängerzone gehen. Er will einfach nur einkaufen, aber dieses System und diese Welt lässt ihn nicht, sodass er plötzlich durchdreht und Amok läuft.

Die Themen deines Debütalbums aus dem Jahr 2015 sind bis heute aktuell. Überrascht dich das?

Nein, denn es sind sehr zentrale Themen, die uns immer beschäftigen werden. Rassismus wird uns zu unserer gesamten Lebzeit begleiten, Fremdenhass wird leider immer bleiben und sich höchstens von der Hautfarbe auf Religion oder andere Dinge, in denen die Menschen eben unterschiedlich sind, verlagern. Bei anderen Themen habe ich schon beim Debüt kleine Anekdoten aufgefasst, die etwas großes behandeln. Das deutsche Assi-TV beispielsweise, das in den letzten drei Jahren nicht unbedingt anspruchsvoller geworden ist. Alles wird immer extremer.

Zum ersten Mal schreibst du mit einer Band ein zweites Album, daher kam die Ankündigung schon überraschend. Was ist anders als bei Frau Potz oder Escapado?

Wir sind eine feste und sehr enge Gemeinschaft innerhalb der Band, aber natürlich auch die ganze Crew um uns herum. In den anderen Projekten konnte ich fast alles selbst entscheiden und auch egoistisch denken. In dem großen Konstrukt jetzt, habe ich mich zusammenzureißen, auch wenn ich gerade mal keinen Bock auf Musik oder die Band habe. Es ist ein gewisser Druck da, weil noch andere Leute damit zu tun haben und mehr davon abhängt.

Gab es einen Punkt, an dem du Adam Angst nicht mehr weitermachen wolltest?

Zumindest habe ich eine Auszeit von der Musik generell gebraucht und mir diese auch genommen. Für mich war aber immer klar, dass wir nach dem Debütalbum weitermachen werden. Schließlich haben wir da alle Bock drauf.

Letztes Jahr ist die Split-Single mit den Donots erschienen. Angesprochen auf eine mögliche gemeinsame Tour sagte Sänger Ingo im Interview mit uns: „Passen würde es ja. Wäre eigentlich ganz geil“. Wann ist es also soweit?

Ein kleine Anekdote zu den Donots: Die haben bald ihr 25-jähriges Jubiläum und interviewen deshalb einige andere Bands. Unser Bassist Christian Kruse ist mit Ingo schon seit Jahrzehnten gut befreundet, gemeinsam haben wir die Fragen beantwortet. Die letzte Frage war, wie es wohl weitergeht mit den Donots, wir haben geantwortet, dass sie wahrscheinlich wie die Stones ewig weitermachen werden. Kruse meinte am Ende nur, sie werden irgendwann einen Kult-Status haben, den man höchstens noch von den Onkelz kennt. Danach war Schluss, mehr haben wir nicht gesagt. Wir hoffen, dass es ganz am Ende vor dem Abspann kommt.

Wir sind gespannt! Aber zurück zur Frage – wann geht’s auf Tour?

Das würde für uns eine Support-Tour bedeuten. Wir arbeiten nebenbei und müssen schon für unsere eigene Tour aufwändig Zeit freischaufeln. Wir kennen die Donots gut und haben häufig für sie eröffnet. Wir werden immer wieder zusammen spielen und auch privat genügend zusammen unternehmen. Eine Tour wäre aber höchstens möglich, wenn wir die Slots abwechseln könnten. Eine klassische Support-Tour würden wir nicht mehr spielen.

Am 23. November spielt ihr im Bremer Schlachthof. Was macht eine Live-Show von euch aus?

Bei Konzerten haben wir uns zwar auf den Ohren haben, es ist aber ein ganz anderes Gefühl als vor der Bühne. Daher ist die Frage schwer zu beantworten. Als Reaktion nach den Shows hören wir oft, die Besucher hätten es als super energiereich empfunden. Das Set würde nicht abflachen. Ich glaube, wenn man einigermaßen abwechslungsreiche, aber immer energiereiche Musik mag, ist man mit uns ganz okay bedient.

Hier könnt ihr unsere Eindrücke vom Auftritt von Adam Angst auf dem Hurricane Festival nachlesen.

Tickets für das Konzert im Schlachthof gibt es hier.

 


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