„Wir sind beschränkt und gefangen in unserem Verhalten“

Nach ihrem Auftritt beim Hurricane, haben wir es uns nicht nehmen lassen, unsere Redaktionslieblinge von Adam Angst zu interviewen.

Foto: Pascal Faltermann

Noch leicht verschwitzt erscheint Adam Angst-Sänger Felix Schönfuss direkt nach seinem Auftritt auf der White Stage im Interviewbereich am VIP-Zelt. Der Dauerbrenner der diesjährigen Festival-Landschaft durfte natürlich auch in Scheeßel nicht fehlen. Im Gespräch berichtet er von seinen privaten Erfahrungen mit „Professoren“ und berichtet, inwiefern er sich privat von seiner Bühnenfigur unterscheidet. Außerdem erzählt er, ob es ein zweites Adam Angst-Album geben wird.

Du bist heute um 13:30 Uhr im Zelt aufgetreten, hat diese frühe Uhrzeit für dich eher Vorteile oder Nachteile?

Es hat auf jeden Fall einige Vorteile, weil die Leute noch frische Ohren haben. Wenn sie schon zehn Bands am Tag gesehen haben, kann es oft sein, dass sie nicht mehr so gut aufpassen. Bei mir als Festivalbesucher sind die frühen Bands, die ich selbst noch relativ nüchtern mitbekommen habe, häufig am besten in Erinnerung geblieben. Ein Nachteil ist die frühe Zeit, zu der wir aufstehen müssen. Wir kommen aus der Gegend Köln, sind gestern schon nach Norden gefahren und haben dort übernachtet um rechtzeitig hier zu sein.

Hättest du lieber draußen auf einer größeren Bühne gespielt, oder bist du mit dem Zelt zufrieden?

Im Zelt war es super, da die Stimmung und die Atmosphäre dort sehr gut ist. Wir sind dafür sehr dankbar. Es hätte ja auch regnen können, dann wären wir noch dankbarer gewesen.

Du bist der Dauerbrenner dieser Festival-Saison, auf welches Konzert freust du dich besonders?

Viele Festivals habe ich ja noch gar nicht gespielt. Natürlich freue ich mich sehr auf die großen Dinger wie Hurricane und Southside an diesem Wochenende. Das ist einfach aufregend und spannend. Es gibt aber auch kleine Festivals wie das Ackerfestival in Schleswig-Holstein, die wir noch von früher kennen. Wir wissen einfach, dass die Stimmung dort ziemlich gut ist und freuen uns deshalb sehr darauf.

Auf deinem Album ist die Wut und der Frust sofort rauszuhören? Wie ist diese Wut entstanden?

Privat bin ich gar nicht schnell wütend oder leicht aus der Verfassung zu bringen. Es ist einfach meine Art von Ventil. Andere Leute brauchen einen Boxsack oder machen eine Weltreise, um Spannung abzubauen. Ich mache das mit Musik und Texten. Letztendlich sind es kleine Beobachtungen oder Dinge, die mir im Leben widerfahren. Auf der Bühne bringt es mehr Spaß, wütend zu sein, als etwas schönzureden.

Gibt es ein wesentliches Merkmal, dass die musikalische Person Adam Angst vom privaten Felix Schönfuss unterscheidet?

Ich glaube, ich bin ein großer Teamplayer und immer sehr erpicht darauf, dass sich alle Leute in meiner Gegenwart wohlfühlen. Dafür stelle ich mich auch gerne zurück. Die Figur, die wir auf der Bühne verkörpern, ist das genaue Gegenteil. Sie will immer in den Vordergrund und laut sein.

Wenn du in Deutschland eine Sache ändern könntest – welche wäre das?

Das ist eine schwierige Entscheidung. Ich würde auf jeden Fall erstmal an den Schrauben drehen, an denen es möglich ist. Zuerst würde ich integrative Projekte sowie Kunst und Kultur mehr fördern. Es wird in diesem Land gerne vergessen, wie wichtig das ist. Was man ändern möchte, ist nicht so einfach per Gesetz machbar. Da geht es um Toleranz und um das Ablegen von Vorurteilen und Neid. So etwas geschieht mit der Zeit und leider nicht auf Knopfdruck.

Hat ein Rundumschlag wie in „Splitter von Granaten“ etwas befreiendes? Unterscheidet sich das Bühnengefühl von Songs wie „Ja ja ich weiß“, die von Beziehungen handeln?

Es hat schon etwas befreiendes, aber auf der Bühne versuche ich musikalisch eher, eine Einheit mit dem Publikum zu werden. Während der Song entstanden ist und aufgenommen wurde, habe ich den Befreiungsschlag gefühlt. Live versuche ich, Spaß mit dem Publikum zu haben. Da denke ich nicht über jedes Wort nach, das ich in diesem Moment singe.

Wie gehst du mit Situationen um, wenn „Professoren“ privat zufällig neben dir in der Kneipe sitzen?

„Professoren“ stammt tatsächlich aus einer solchen Situation. Es ist während einer Mittagspause an einem Stehimbiss in Oberhausen passiert, als ich mit Arbeitskollegen gegessen habe. Dort habe ich zwei Herren zwischen 50 und 60 gesehen, die sich ziemlich lautstark über die Migrationspolitik ausgelassen haben. Mit denen habe ich mich verbal angelegt. Ich versuche in solchen Situationen, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, sie aber trotzdem nicht zu beleidigen. Das ist häufig schwierig. Wenn man anfängt, sie zu beleidigen und einfach nur gegenzuwettern, verschränken sie noch mehr die Arme und fühlen sich im Recht. Das lässt sich gut an den ganzen Freiwild-Fans erkennen. Je häufiger man sagt, dass Freiwild Nazis sind, desto mehr verschränken sie die Arme und bilden eine Einheit. Das ist gefährlich! Solchen Leuten muss man immer erklären, warum man dagegen ist. Das würde ich versuchen, in der Praxis ist es aber nicht immer so. Oftmals würde ich dann einfach den Raum verlassen.

In welchen Situationen im Leben ist es gut, mal „auf den Teufel zu hören“?

Das lässt sich nicht genau auf eine Situation festsetzen, aber es ist manchmal gut, solange man damit keinem anderen Menschen schadet. Dann wäre es schön, mal wirklich auf den Tisch zu steigen und etwas zu tun, was in dem Moment niemand erwartet. Darum geht es in diesem Song. Das Kopfkino wird auf einmal in die Tat umgesetzt. Das würde jedem Menschen mal gut tun. Aber dafür sind wir einfach zu sehr beschränkt und gefangen in unserem Verhalten.

Welche Situationen im Leben kannst du neben den in deinen Songs häufig negativ behafteten Seiten richtig genießen?

Sehr viele sogar! Das sind häufig kleine Dinge. Ich genieße es, mit der Band unterwegs zu sein und verschiedene Orte zu sehen. Ich bin ein großer Landschaftsfreund und kann mir stundenlang die Natur anschauen. Mich kann man mit sehr kleinen und natürlichen Dingen begeistern.

Bei deinen früheren Bands Escapado und Frau Potz hat es nur für ein Album gereicht. Wie sieht es mit einem zweiten Album oder weiteren Projekten bei Adam Angst aus?

Da sieht es gut aus, es wird auf jeden Fall nicht bei diesem einen Album bleiben. Wir haben jetzt eine Konstellation gefunden, bei der man sich auf alle im Bandgefüge verlassen kann. Es ist sehr freundschaftlich und wir kommen gut miteinander zurecht. Das ist die wichtigste Voraussetzung. Außerdem sind wir musikalisch jetzt relativ frei. Wir können mit dem zweiten Album im Prinzip machen, was wir wollen. Wir haben es jetzt schon breit gefächert. Mit Bands wie Frau Potz wäre das nicht so einfach gewesen. Da waren wir immer ein bisschen gefangen im Stil und in den Erwartungen, die man bedienen muss.

 


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