„Wir würden uns keine Hamburg-Flagge auf die Bühne stellen“

Tonbandgerät spielten am Samstag auf dem Hurricane-Festival. Im Abschluss an ihren Auftritt haben wir sie interviewt, mit ihnen über die anstehende Tournee gesprochen und geklärt, warum sie nicht gerne als nett bezeichnet werden.

Foto: Alex Bach / Universal Music

„Ich spul‘ alles zurück, spul‘ alles auf Anfang, es ist alles wieder da, nur irgendwie anders“ – jeder Fan deutscher Musik kennt diese Zeilen. Seit 2012 geht es für Tonbandgerät steil bergauf. Am letzten Wochenende standen sie bereits zum zweiten Jahr in Folge beim Hurricane auf der Bühne – bei jenem Festival, das sie als Jugendliche selber besucht haben. Nach dem zweiten Studioalbum „Wenn das Feuerwerk landet“ gehen sie im Herbst auf große Deutschland-Tour. Am 14. November entern sie den Bremer Schlachthof.

Euer Auftritt wurde spontan eine Stunde nach hinten verschoben und um zehn Minuten verlängert, da die Band nach euch abgesagt hat. Kam euch zugute, oder?

Jakob: Ja, auf jeden Fall!

Um 12:30 Uhr hätten wahrscheinlich viele noch im Zelt oder sonstwo gelegen, eben sah es richtig gut und sehr voll aus vor der Bühne…

Jakob: Uns hat´s auch sehr gefreut. Zuerst dachten wir: Super, das machen wir sofort. Wir hatten unglaublich viel Zeit für den Aufbau und den Soundcheck. Was wir nicht bedacht haben war, dass sehr viele Besucher natürlich schon um halb eins vor der Bühne waren. Nach einiger Zeit wurden wir echt nervös, weil wir gerne schon spielen wollten. Da verstrich die Zeit sehr langsam.

Ole: Das Problem gibt es auf Festivals sonst nie, normalerweise ist immer zu wenig Zeit und wir müssen uns stressen.

Tonbandgerät – den Namen verbinde ich zuerst mit Gelassenheit und guter Laune. In welchem Stimmungsbild seht ihr euch selber?

Jakob: Natürlich gibt es viele Songs, die in dieses Muster passen. Gerade auf dem neuen Album gibt es aber auch Nummern, die ruhiger, nachdenklicher und melancholischer sind. Es sind viele Facetten dabei.

Ole: Sophia hat mal gesagt, dass die positiven Songs immer die Singles werden. Ich finde es aber nicht schlimm, so gesehen zu werden, das ist kein schlechtes Bild.

Wie sehr hat euch der Erfolg eures aktuellen Albums „Wenn das Feuerwerk landet“ überrascht?

Isa: Wir haben natürlich gehofft, dass es besser platziert ist als unser Debütalbum, da wir uns steigern wollen. Wir haben uns riesig gefreut und nicht erwartet, schließlich auf Platz elf der Charts zu landen.

Ole, wie ist es für dich, die von Sophia geschriebenen Texte zu singen?

Ole: Wir machen das jetzt ja schon seit acht Jahren zusammen. In dieser Zeit hat es sich ziemlich eingespielt. Am Anfang war es noch schwierig für mich. Mittlerweile freue ich mich immer, wenn Sophia einen neuen Text geschrieben hat.

Ihr kommt aus Hamburg und hattet somit heute fast ein Heimspiel? Was liebt und was hasst ihr an eurer Heimat?

Sophia: Ich liebe auf jeden Fall den Hafen!

Ole: Hamburg ist unsere Homebase, wir sind dort sehr viel unterwegs. Wenn ich auf der Autobahn zurückfahre, ist es immer ein schönes Gefühl, die Stadt zu sehen. Dann bin ich zu Hause und da, wo meine Leute sind. Wir sind trotzdem nicht die Typen, die „unsere Stadt“ so derbe abfeiern. Wir würden uns keine Hamburg-Flagge auf die Bühne stellen. Dafür läuft dort zu viel nicht so cool. Da denke ich unter anderem an die Asylpolitik.

Gibt es aus eurer Sicht negative Seiten des Ruhmes, mit denen mal als bekannter Musiker klarkommen muss?

Sophia: Nachdem das erste Album draußen war, haben wir gemerkt, dass wir viel weniger Zeit zu Hause haben und unsere Freunde seltener sehen. Wir sind viel mehr unterwegs und können kaum planen. Wenn jemand fragt, ob wir im August zusammen in den Urlaub fahren möchten, können wir nur sagen: Wir haben keine Ahnung, ob dann irgendetwas ist. Lass uns das lieber zwei Wochen vorher klären.

Euch wird manchmal vorgeworfen, zu wenig Ecken und Kanten zu haben? Wie geht ihr mit negativen Rezensionen und Kritik um?

Ole: Vor allem lesen wir ganz oft, dass wir so nett sind. Das finde ich schwierig, weil niemand will von sich hören, nett zu sein. Natürlich gibt es schlimmeres, besser als wenn die Leute uns scheiße finden. Aber nett ist doch auch so ein bisschen scheiße, oder?

Isa: Naja, nett klingt irgendwie so harmlos und vor allem langweilig.

Sophia: Es gibt aber auch Schlimmeres. Ich finde, ganz nett kann man schreiben. Wenn die jetzt schreiben würden, wir könnten nicht spielen und nicht singen, das wäre etwas anderes.

Ole: Wir lesen uns Kritiken schon durch. Wenn ich ehrlich bin, dann ärgern mich negative Rezensionen schon. Ich würde gerne behaupten, darüberzustehen, aber ganz so ist es noch nicht. Es gibt auch tolle Sachen, wo ich dann denke: Jaa, das haben wir gut gemacht. Wenn dann eine negative Kritik kommt, denke ich manchmal: Ey du Arsch, das ist ein Mega-Album, hör doch mal hin. Wir sind natürlich sehr nah dran und finden alle Songs super.

Ihr habt schon Bühnenerfahrung in den USA gesammelt. In welchem Land würdet ihr gerne mal auftreten?

Jakob: Da würden wir wahrscheinlich alle etwas anderes sagen. Ich persönlich würde gerne mal in Asien spielen. Es kommt gar nicht so sehr auf das Land an, aber es ist halt eine ganz andere Kultur. Mir würde interessieren, wie die jungen Leute dort auf Konzerte gehen, wie sie unsere Musik finden und wie sie feiern.

2012 habt ihr den New Music Award gewonnen, wie beurteilt ihr den heutigen deutschen Nachwuchs und was könnt ihr ambitionierten jungen Bands raten?

Ole: Wenn uns Nachwuchsbands fragen, was sie machen können um erfolgreich zu werden, dann sagen wir immer: Lasst euch nicht reinreden. Gerade wenn man eine junge Band ist und versucht, sein eigenes Ding zu machen, kommen viele Leute und wollen dir erzählen, warum genau das nicht gut ist. Aus unserer Erfahrung muss man einfach bei sich selbst bleiben und so doof sich das anhört, nicht so viel nach links und rechts hören. Das ist der klassische Tipp, aber das sehr wichtig.

Isa: Wir haben viele Bands kennengelernt, die zu viel auf fremde Einflüsse gehört haben, bei denen es echt schiefgegangen ist. Wenn alles perfekt ist, finden die Plattenfirmen es irgendwann langweilig.

Ebenfalls 2012 habt ihr den Hamburger Musikpreis als beste Nachwuchsband gewonnen. Was bedeuten euch Auszeichnungen?

Jakob: Natürlich ist es nett, wenn man wie in diesem Fall von der Stadt Hamburg und von der Musikbranche anerkannt wird. Man bekommt ein positives Feedback. Aber generell sind Auszeichnungen nicht wichtig. Bei uns war schön, dadurch einige Förderprogramme mitgemacht zu haben. Das hat uns viel gebracht. Es ist gut, mit Auszeichnungen auch etwas anfangen zu können, wenn da also beispielsweise Workshops dranhängen. Ein Preisgeld ist auch schön, davon konnten wir uns viel Equipment kaufen. Das war am Anfang wichtig.

Im Herbst geht ihr auf Deutschland-Tour, was ist geplant und was sind eure Erwartungen?

Ole: Es geht ja vor allem um Bremen, oder?

Ja, genau!

Ole: Für Bremen sieht es richtig, richtig geil aus. Der Vorverkauf läuft super, es ist fast schon ausverkauft. Vor allem wird es aber ein sehr besonderes Konzert werden, weil es im Schlachthof ist und man es uns so verkauft, als wäre der Schlachthof die beste Konzertlocation Deutschlands. Wenn wir das hören und die Zahlen sehen, bekommen wir echt Wasser im Mund. Das wird mega gut werden! Das Konzert ist am 14. November.

Kennt ihr sonst etwas von der Stadt?

Isa: Den Rollo! Das ist ein Mysterium in unserer Band, weil Ole mit dem Rollo doch seine Probleme hatte.

Ole: Es gibt in Bremen doch den besten Rollo überhaupt. Ich weiß leider nicht mehr, wie der Laden heißt. In der Geschichte geht es aber um den Arabica-Rollo.

Jakob: Ole isst ja sehr gerne scharf, aber das war selbst ihm zu heftig. Die Tränen sind geflossen. Ich weiß nicht, ob man veröffentlichen kann, was danach passiert ist.

Ole: Wie auch immer, Bremen ist ja sehr nah an Hamburg, deshalb sind wir natürlich schon häufig da gewesen. Wir haben in Bremen schon viele tolle Konzerte gespielt, zweimal im Lagerhaus, einmal im Tower, auch bei der Breminale waren wir schon. Der Schlachthof wird also bisher der größte Auftritt bei euch.

 


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