„Wir sind Social Media-Noobs“ – Donots im Interview

Beim Deichbrand Festival haben wir ein sehr ausführliches Interview mit Ingo und Eike von den Donots geführt.

Foto: Jörg Kröger

Nordholz/Bremen. Nach neun Studioalben haben die Donots vor zwei Jahren die Sprache gewechselt und mit „Karacho“ eines ihrer erfolgreichsten Alben auf Deutsch aufgenommen. Ganz aktuell ist die brandneue Single „Keiner kommt hier lebend raus“, die bereits der erste Vorbote für das neuste Werk der Band ist. Beim Deichbrand Festival haben wir sehr ausführlich über die neue Produktion und soziale Medien gequatscht. Außerdem haben Ingo (Gesang) und Eike (Schlagzeug) einen Hinweis gestreut, wann es wieder auf Tour gehen könnte.

Am 31. Mai ist eure Split-Single mit Adam Angst erschienen. Wie ist diese Kombination entstanden?

Ingo: An dieser Stelle muss ich direkt reingrätschen. Ich habe gerade vor einer Minute eine SMS von Adam Angst-Sänger Felix Schönfuss bekommen, der viel Spaß auf dem Deichbrand Festival wünscht.

Man kennt sich…

Ingo: Genau! Christian Kruse, der Bassist von Adam Angst, ist einer meiner besten Freunde. Mit ihm zusammen mache ich auch Schrappmesser, eine plattdeutsche Hardcore-Band. Vor einiger Zeit haben wir abends bei einem Bier zusammengesessen und uns gegenseitig Demos von den jeweils nächsten Platten, an denen beide Bands gerade arbeiten, vorgespielt. Christian meinte dann: „Hier, dieser Song, der heißt Wir werden alle sterben“. Ich dachte, das kann nicht wahr sein, wir haben einen Song, der heißt Keiner kommt hier lebend raus. Es gibt sogar inhaltliche Überschneidungen. Da wir sowieso Buddys sind, haben wir die beiden Songs schließlich als Split-Single rausgehauen.

Die Single knüpft musikalisch und inhaltlich recht gut an „Karacho“ an. Bleibt ihr der deutschen Sprache also zukünftig weiterhin treu?

Ingo: Es macht einfach gerade zu viel Bock, als dass man es nicht tun sollte. Für die USA und Japan haben wir „Karacho“ auch nochmal in Englisch aufgenommen, da wir dort auf Tour waren. Mit der neuen Platte würde ich es gerne wieder genauso machen. Mit dem neuen Album sind wir schon ziemlich weit, ich bin sehr stolz bis jetzt.

Bleibt es inhaltlich wie auf „Karacho“ sehr politisch?

Ingo: Auf Karacho gibt es ja auch beides. Es wird wieder ein gutes Mixtape.

Wie geht die Zusammenarbeit mit Adam Angst weiter? Folgt eine gemeinsame Tour?

Ingo: Wäre eigentlich ganz geil, ne?

Dann kommt ihr aber auf jeden Fall auch nach Bremen in den Schlachthof!

Ingo: Wir haben in der Tat schon darüber geredet, mal ein paar mehr Shows zusammen zu spielen. Nicht nur auf Festivals, das könnten wir doch machen. Mal gucken, gute Idee! Passen würde es ja.

Produziert werden eure neuen Songs von Blackmail-Mastermind Kurt Ebelhäuser. Welche Einflüsse bringt er in eure Musik?

Ingo: Du bist gut informiert, man!

Eike: Wir kennen Kurt jetzt schon über zehn Jahre. Bei unserem Album „Coma Chameleon“ haben wir erstmals mit ihm zusammengearbeitet. Es war ein super kreativer Prozess! Er hat Ideen eingebracht, auf die wir so nicht gekommen wären, hat sich aber gleichzeitig auch von uns inspirieren lassen. Er hat keine Vorgaben gemacht, sondern wir haben in super angenehmer Atmosphäre gemeinsam die Songs entwickelt. Wir wollten gerne nochmal etwas zusammen machen – wie es dann halt so ist, hat es nun zehn Jahre gedauert, bis wir tatsächlich wieder zusammengekommen sind. Für eine Woche haben wir uns in unserem eigenen Tonstudio in Münster verabredet. Es waren super Tage und hat total Bock gemacht. Aus drei Demos wurden schließlich in einer zweiten Woche sechs, wir haben immer weiter gesammelt, bis wir auf einem guten Stand waren. Die Zusammenarbeit sieht sehr gemischt aus. Bei manchen Songs hat Kurt direkt gute Ideen, andere wiederum sind reine Donots-Songs. Weder er noch wir haben Befindlichkeiten und können gut mit Kritik und Anregungen umgehen. Wir versuchen einfach, uns bestmöglich zu ergänzen.

Ingo: Das Schöne an Kurt und seiner Arbeitsweise ist, dass du am Morgen noch nicht weißt, was am Abend aufgenommen ist. Viele Produzenten machen eine klassische Vorproduktion und schreiben alles ganz dezidiert auf. Mit Kurt fahren wir erstmal zur Tanke, kaufen uns einen Jägermeister und schmeißen dann den Motor an. Es ist, als würdest du bergabwärts rennen. Manchmal überholen dich deine Beine und du fliegst auf die Schnauze, oder aber du kommst unten an und denkst: Was für ein Ritt!

Eike: So ist Kurts Arbeitsweise. Man kann wirklich nichts so richtig planen bei ihm. Du weißt nicht, ob du nach zwei Wochen zwei Lieder, sechs Songs, oder vielleicht sogar ein ganzes Album geschrieben hast. Du arbeitest einfach so kreativ bis spät in die Nacht. Wenn irgendwann alle genervt sind, gehen wir halt etwas essen oder trinken und dann ist es auch geil! Es wird nicht groß geplant, es wird einfach nur gemacht.

So gut wie das alles klingt – warum habt ihr nicht immer mit ihm zusammengearbeitet?

Ingo: Das ist immer so eine Sache! Die anderen Platten haben wir mit Vincent Sorg aufgenommen, er ist ein ganz alter Freund von uns und mit ihm macht es halt super viel Spaß! Es hängt auch immer davon ab, wie gerade die jeweiligen Studios und Produzenten ausgebucht sind. Bei einer Albumveröffentlichung erstellt man sich einen gewissen Zeitplan und möchte diesen einhalten. Mit Kurt hat es sich erst jetzt wieder ergeben, da Vince letztes Jahr Dauerfeuer mit den Toten Hosen, Broilers usw. im Studio hatte. Da haben wir es wieder mit Kurt probiert, und die Zusammenarbeit lief so gut, dass wir gleich ein ganzes Album aufgenommen haben.

Eike: Jeder Produzent hat eine andere Herangehensweise und diese unterschiedlichen Aufnahmeprozesse tun uns gut. Wenn zwei Alben beispielsweise etwas geplanter und strukturierter entstanden sind, ist eine chaotischere Studiophase super. Es wird dann nicht zu einer Fließbandarbeit, sondern genau das befeuert den kreativen Prozess sehr. Man kommt einfach auf andere Ideen, es passieren ganz neue Dinge. Ein gelegentlicher Produzentenwechsel ist für ein Band cool, obwohl es immer schwierig ist, sich auf einen ganz neuen Produzenten einzustellen. Wir merken schnell, ob es zusammenpasst oder ob die Vorstellungen zu unterschiedlich sind. Vincent und Kurt arbeiten beide sehr unterschiedlich und wir haben mit beiden sehr schöne Alben gemacht.

„Die Steinzeit gibt´s jetzt digital“ heißt es in „Keiner kommt hier lebend raus“. Hat die Gesellschaft in den letzten Jahren einen Schritt zurück gemacht?

Ingo: Für wenig Ahnung haben momentan viele Leute viel Meinung. Das ist ein sehr schlimmer Zeitgeist. Bei Facebook ballert jeder aus allen Rohren, die ganze Zeit ist nur Dauerfeuer in alle Richtungen. Ich habe das Gefühl, das Zerwürfnis in der Gesellschaft wird mit jedem Tag größer. Die Art und Weise, wie Leute miteinander diskutieren, hat nichts mehr mit einer kultivierten Gesprächskultur zu tun. Es ist so unglaublich steinzeitmäßig – der eine holt einen Knüppel raus, der nächste holt einen noch größeren Knüppel raus und der dritte haut auf alle drauf. Da gibt es doch keinen zielführenden Diskurs mehr! Es geht nur noch darum, sich möglichst galant oder auch plump gegenseitig ans Bein zu pinkeln. Das hat für mich überhaupt nichts mehr mit zukunftsweisenden Gesprächen zu tun und das meine ich mit der Zeile im Song.

Ihr spielt heute zum vierten Mal beim Deichbrand Festival, zuletzt seid ihr vor zwei Jahren aufgetreten. Welche Erinnerungen gibt es an die Shows?

Ingo: Bei unserem ersten Deichbrand haben wir quasi gar nicht gespielt.

Eike: Es ist komplett abgesoffen!

Ingo: Kurz vor unserer Show hat es für 90 Minuten einen Stromausfall gegeben, sodass wir mit den Emil Bulls und einigen anderen Bands auf Bierkisten auf der Bühne gesessen haben und uns in der Dunkelheit einfach total knülle gesoffen haben. Plötzlich ging das Licht wieder an und wir mussten überraschend doch spielen. Da waren wir alle schon gut angeschickert.

Eike: Damals haben Blackmail übrigens auch gespielt!

Ingo: Am Ende des Abends musste unser Van noch von einem Traktor aus dem Matsch gezogen werden, weil es so stark geregnet hat.

Eike: Das war auf jeden Fall ein harter Start!

Ingo: Ansonsten verbinde ich mit dem Deichbrand, dass es hier so dermaßen windig war, dass die komplette Akustik der Bands teilweise weggeweht ist. Die Konzerte waren aber sonst immer super, es ist ein tolles Festival!

Über euer neues Album haben wir jetzt ja schon viel gesprochen, wann können sich die Fans denn auf eine Veröffentlichung freuen?

Ingo: Wir wissen es selbst noch nicht endgültig! Wir sind aber gerade auf einem echt guten Weg und haben die Aufnahmen für uns jetzt mehr oder weniger abgeschlossen. Vielleicht kommt ja bald mal wieder ein Lebenszeichen oder sogar größere News, wann was passieren wird. Zumindest so viel kann ich zu Protokoll geben: Früh genug im nächsten Jahr werden wir euch alle noch ganz lange auf den Sack gehen, sodass wieder  keiner mehr möchte, dass wir auf Tour sind.

Sehr schön! Für den zweiten Teil haben ich mir ein kleines Spiel überlegt: Entweder… oder? Es gibt zwei Möglichkeiten, und ihr entscheidet euch spontan für eine davon. Los geht´s!

Ingo: Alles klar!

Bier oder Schnaps?

Ingo: Bier, definitiv!

Eike: Lieber Schnaps!

Ingo: Wirklich?

Eike: Also jetzt nicht jeden Schnaps, aber insgesamt schon.

Ingo: Nein, auf jeden Fall Bier! Weil der Tag oder der Abend bei mir ansonsten schnell vorbei wäre.

Eure Lieblingssorte?

Ingo: In der Tat Jever, wirklich! Ich mag so herbe Biere sehr gerne!

Eike: Wir trinken gerne Gin Tonic nach dem Konzert, das finde ich sehr gut! Ein absolutes Trendgetränk, aber das macht nichts, denn es schmeckt einfach super.

Ingo: Aber das ist ja kein Schnaps! Das ist ein Longdrink. Ein Schnaps wird für mich aus kleinen Shots gesoffen.

Eike: Sehen wir es mal erweitert eher bei Schnaps als bei Bier.

Facebook oder Instagram?

Ingo: Facebook! Ich habe einen Instagram-Account und über 1000 Follower, habe aber nie etwas gepostet. Das ist mega geil! Ich habe damals einen Instagram-Account aufmachen müssen, weil wir mal ein Instagram-Takeover für das Highfield Festival gemacht haben. Um sich da einloggen zu können, habe ich einen eigenen Account gebraucht. Neulich hat meine Freundin mal geguckt und meinte plötzlich, ich hätte 1100 Follower, aber noch kein einziges Foto gepostet. Ich will jetzt der leerste Instagram-Account aller Zeiten werden mit den meisten Followern. Kommt, bei mir gibt es keine Bilder!

Eike: Ich bin gar nicht bei Facebook und bekomme auch nichts mit vom dem, was wir selber posten. Ich höre es immer nur von Freunden, wenn irgendwo ein geiles Bild auftaucht. Instagram habe ich aber auf dem Handy, muss mir aber ständig den Login vom Band-Account neu besorgen. Da habe ich sogar schon ein Posting gemacht – mein erstes Social Media-Posting überhaupt.

Ingo: Wir sind so sauharte Social Media-Noobs.

Auf jeden Fall ergänzt ihr euch ganz gut mit euren Antworten! Deutsch oder Englisch?

Ingo: Oder! Also da würde ich oder sagen! Gute deutsche Texte sind der absolute Wahnsinn. Wenn das funktioniert, verliebt man sich in all die Bedeutungshöfe, die da mitschwingen und es gibt so wundervolle Wortspiele, so wundervolle Bilder. Die englische Sprache flowt aber insgesamt einfach besser.

Eike: Wenn ich nicht nur für uns entscheiden muss, sage ich Englisch. Bei den Donots ist es sehr schwierig. Momentan passt das Deutsche super, aber generell für Musik sage ich Englisch.

Hauptbühne 12 Uhr mittags oder Zelt 21 Uhr abends?

Ingo: Ja! Da möchte ich jetzt mit ja antworten. Es gibt keine schlechte Spielzeit. Wenn du mit vollem Elan dabei bist, kannst du auf der Hauptbühne um 12 Uhr mittags die Headline-Position spielen. Wir gehen es wirklich immer mit diesem Sportsgeist an, wir wollen jeden einzelnen Besucher mit unserer Musik packen. So muss man es machen! Ich freue mich immer, wenn wir einen frühen Sieg einfahren. Das macht einfach Spaß, und umso länger kannst du Gin Tonic oder Bier trinken.

Eike: Also ich bin definitiv für das Zelt. Ich sage aber, um 21:30 Uhr fällt der Strom aus, sodass das Konzert erst um 0 Uhr stattfinden kann, wenn auf der Hauptbühne alles gelaufen ist, die Leute aber trotzdem noch Bock zu feiern haben und strunzvoll ins Zelt kommen. Alle gehen ab und es sind gefühlte 45 Grad. Als Schlagzeuger hast du den Nachteil, dass du ganz hinten sitzt und die Leute nicht siehst. Aber im Zelt sind sie so nah dran, dass es auf jeden Fall ultra Bock macht.

Single in den Charts oder Album in den Charts?

Ingo: Album in den Charts! Im Plattenfirmen-Deutsch heißt es, Single-Hit macht Album fit. Mit unserem eigenen Label Solitary Man Records müssen wir uns damit natürlich beschäftigen. Ich bin ein ganz klassischer Album-Hörer und einer der Leute, die sich Alben bei Spotify oder so runterladen, eben nicht um nur einzelne Songs zu hören, ich höre mit das ganze Album an und überspringe auch nichts. Ein Album hat einen absoluten Flow und es gibt einen Sinn, warum Songs so nacheinander komponiert sind.

Eike: Ich bin diesmal absolut Ingos Meinung, ein Album ist viel wichtiger als eine Single.

Klicks oder Streams?

Ingo: Das eine bedingt ein bisschen das andere! Die Leute müssen ja klicken, damit sie streamen können. Von allem möglichst viel!

Dann frage ich anders: YouTube oder Spotify?

Ingo: Auf dem Handy Spotify, weil es weniger Datenvolumen frisst, da man Musik in einen Offline-Modus schieben kann. Auf dem Rechner ertappe ich mich, selbst wenn Spotify geöffnet ist, tatsächlich eher beim Klicken auf YouTube.

Eike: Die Lehren im Studio zeigen es, ich bin auf jeden Fall mehr bei Spotify. Abends nach den Aufnahmen stöbern wir viel durch die Playlists und lassen uns von neuen Sachen inspirieren. Das ist schon großartig.

Letzte Frage: Festival oder Clubkonzert?

Ingo: Das ist eine ganz beliebte Frage und da muss ich einfach stumpf diplomatisch sein: Beides in gewissem Maße. Ich bin froh, dass wir eine Band sind, bei der beides funktioniert. Bands wie The National zum Beispiel verpuffen auf einem Festival einfach, die muss man in einem Club sehen. Wir können auf beiden Bühnen spielen, das macht das Jahr für uns so spannend.

Eike: Ich habe es eben schon gesagt, es muss heiß sein, der Schlagzeuger muss nah bei den Leuten sein, also Club!

Hier findet ihr die Bilder vom Interview, die Bilder vom anschließenden Auftritt sowie Eindrücke des ganzen Tages beim Deichbrand Festival.

 


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