„Ich war letztes Jahr zehn Nächte zu Hause“

Vor seinem Konzert im Bremer Aladin, haben wir mit Newcomer Joris über seinen Geburtsort Stuhr, seine Erinnerungen an Bremen und Veränderungen in seinem Leben gesprochen.

Foto: Jörg Kröger

Bremen. Joris ist einer der erfolgreichsten Newcomer des letzten Jahres. Innerhalb kürzester Zeit stürmte er mit seinem Song „Herz über Kopf“ erst die Radiostationen und dann die Charts. Sein Album kam bei den Fans sehr gut an, die frisch beendete Tour war fast vollständig ausverkauft oder Konzerte wurden in eine größere Location hochverlegt. Vor seinem Konzert in Bremen, haben wir den sympathischen 26-jährigen zum Interview getroffen.

Das heutige Konzerte ist der Abschluss einer Tour durch 25 Städte in vier Ländern in 30 Tagen. Geht´s danach erstmal zwei Wochen in den Urlaub oder bist du noch fit?

Heute bin ich tatsächlich etwas kaputt. Gestern habe ich am Morgen in Frankfurt ein Interview gegeben, nachmittags den ECHO-Proben in Berlin beigewohnt und abends ein Konzert in Bielefeld, in der Nähe meiner Heimat, gespielt. Das war so genial, dass ich abends überhaupt nicht einschlafen konnte und bis vier Uhr morgens beim Busfahrer vorne gesessen habe. Daher bin ich gerade ein bisschen kaputt, das wird sich nachher aber wieder gelegt haben. Ansonsten geht es nach der Tour direkt weiter, morgen darf ich beim ECHO spielen. Im Sommer gibt es ganz viele Festivals und zum ersten Mal eine eigene Open Air-Tour mit vielen Terminen. Das wird sehr schön!

Die meisten deiner Konzerte waren ausverkauft oder wurden hochverlegt. Im Sommer spielst du auf 15 Festivals und zudem zehn Open Air Konzerte als Fortsetzung deiner Tour. Geht dir dein Erfolg mit dem ersten Album manchmal zu schnell?

Ich würde nicht sagen, dass es zu schnell geht. Trotzdem ist es natürlich ein totaler Wahnsinn, was gerade alles passiert. Ich habe mir niemals erträumt, so viel unterwegs sein zu dürfen, so viele Dinge zu erleben und so viele tolle Menschen kennenzulernen. Das ist schon verrückt für mich.

Welche Eindrücke hat du von den Konzerten auf deiner bisher größten Headliner-Tour mitgenommen?

Wie bei den anderen beiden Touren zuvor, ist es einfach ein unglaublich schönes Gefühl, wenn das Publikum deine Songs mitsingen kann. Jeden Abend an einem neuen Ort andere Besucher vor sich zu haben, macht jedes Konzert einzigartig. Ich erlebe jeden Abend andere Geschichten. Gleichbleibend ist nur die Spanne zwischen den kleinen, leisen Nummern, bei denen eher zugehört wird und den großen Feiereien.

Was nutzt du als Ausgleich zum stressigen Musikeralltag?

Im Moment gibt es ehrlich gesagt keinen richtigen Ausgleich. Aktuell bin ich permanent unterwegs, es geht immer sofort weiter. Nach den Konzerten packt man zusammen, geht in den Bus und fährt direkt zur nächsten Stadt. Insofern gibt es keine wirklichen Pausen. Aber die sind im Moment auch gar nicht nötig. Vor der Tour hatte ich zweieinhalb Monate Reha, wo ich mal was ganz anderes gemacht habe. Nach der Tour wird es sicherlich ein paar Tage geben, an denen ich mal in den Schwarzwald gehe oder ich einfach ein bisschen spazieren gehen kann, um das alles für mich selber zu realisieren. Ich finde es wichtig, dass man zwischendurch auch mal ausmacht und sich überlegt, was das für ein Wahnsinn ist, den man erleben darf und wie schön das ist.

Du schaffst es, tiefgründige Texte in abwechslungsreiche und ehrliche Songs zu verpacken. Dabei verfällst du nicht in Klischees oder versinkst im Mainstream. Wie machst du das?

Erst einmal vielen Dank, das ist bei Musik aber immer sehr subjektiv. Als ich mein Album geschrieben habe, hat das noch niemanden interessiert. Daher gibt es kein Erfolgsrezept, sondern ich habe einfach Songs über die Geschichten geschrieben, wie ich oder meine Freunde sie erlebt haben, wie sie mich inspiriert haben. Das primär wichtigste ist immer, selber mit seinen kreativen Dingen zufrieden zu sein. Man muss dahinterstehen können. Es gibt nichts schlimmeres, also eine Kritik zu bekommen und zu sagen, „Stimmt, das habe ich auch gedacht“. Ich muss mit meiner Musik glücklich sein, deshalb habe ich mir auch sehr lange Zeit mit dem Album gelassen, insgesamt vier Jahre. Der Erfolg ist dabei total sekundär. Ich mache Musik dafür, dass ich Abend für Abend meine Geschichte erzählen darf. Das liegt mir auch dem Herzen und dass ich jetzt so viel Glück habe, gehört irgendwie dazu.

Beim ECHO bist du in drei Kategorien nominiert, u.a. im wichtigen Kritikerpreis und als bester Newcomer. Außerdem darfst du dort auftreten. Ist Anerkennung in Form von Auszeichnungen wichtig für dich?

Ich freue mich ein bisschen mehr auf und über meine Konzerte, gerade wenn sie wie im Moment häufig ausverkauft sind. Dort sind so viele Leute, mit denen ich mich danach unterhalten kann. Es ist wesentlich greifbarer und haptischer. Solche Nominierungen sind aber auch etwas sehr Schönes. Das ist gerade für das Team eine unglaubliche Wertschätzung für die tägliche Arbeit und für alles, was man gemeinsam erlebt und durchlebt hat. Es ist eine sehr große Ehre. Gerade begreife ich das so langsam, morgen ist es ja endlich soweit. Ob man nun dabei etwas gewinnt, das finde ich nicht wichtig. Es ist ja kein Fußballspiel, in dem es Gewinner oder Verlierer gibt. Nominiert zu sein und dort genannt zu werden, ist großartig.

(Anm. d. Red.: Joris gewann beim ECHO 2016 den Preis als bester nationaler Newcomer, den Radio-Echo und den Kritikerpreis. Außerdem durfte er mit „Herz über Kopf“ live auftreten.)

Du bist hier ganz in der Nähe in Stuhr-Brinkum geboren und hast dann eineinhalb Jahre hier gelebt.

Ja genau, Erinnerungen habe ich aber keine mehr an die Zeit. Ich habe gehört, es gibt dort einen Ikea. Ansonsten habe ich von Stuhr bisher nicht viel gesehen. Ich war aber schon häufiger  in Bremen und bin ja trotzdem an der Weser großgeworden. Vlotho ist ein sehr schönes kleines Städtchen in Nordrhein-Westfalen. Danach habe ich in Berlin und Mannheim meine Kunst gesucht und versucht, andere Verrückte zu finden, die ebenfalls Tag und Nacht Musik machen wollen.

Was kennst du von Bremen?

Von Bremen kenne ich den Weserstrand, dort habe ich mit zehn Jahren mal einen Fisch mit der Hand gefangen. Ansonsten kenne ich natürlich das Weserstadion, die Innenstadt, den Bahnhof und den Weser-Radweg, der hier vorbeiführt. Ich bin früher häufiger mit dem Rad nach Bremen gefahren. Trotzdem bin ich jetzt wahrlich kein Bremen-Experte. Die wunderschöne Breminale hätte ich fast vergessen. Dort habe ich im Juli gespielt, ein wirklich schönes Festival. Natürlich sehr eng am Osterdeich, trotzdem ist es ein tolles, rappelvolles Zelt gewesen. Die Leute haben bis draußen auf dem Deich gesessen und manche konnten mich gar nicht mehr sehen. Die Stimmung war ganz toll, es ist ein sehr liebevolles Festival mit Wohnwagen als Backstage-Räumen. Ich habe tolle Erinnerungen daran.

Wie hat sich dein Leben im letzten Jahr verändert?

Ich war letztes Jahr zehn Nächte zu Hause in meinem kleinen WG-Zimmer. Ansonsten war ich immer unterwegs. Man ist natürlich ein bisschen entwurzelt, aber ich glaube, es mittlerweile gut kompensieren zu können. Man macht sich einfach ein Zuhause auf der Straße. Das ist sicherlich die größte Veränderung. Ansonsten ist wahr geworden, wovon ich immer geträumt habe. Ich darf Abend für Abend Musik machen, ich habe eine ganz tolle Crew, eine ganz tolle Live-Band, die inzwischen meine besten Freunde sind. Das genieße ich alles sehr.

Was macht für dich ein besonderes Konzert aus, das du in Erinnerung behältst?

Ein besonderes Konzert macht aus, dass Dinge zwischen Publikum und Bühne entstehen. Wenn auf einmal etwas Unerwartetes passiert und man es schafft, darauf zu reagieren und das Publikum reagiert wiederum darauf, entsteht eine gewisse Dynamik, die am Ende des Tages immer zu wunderschönen Erinnerungen führt.

 


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