„Die Unbefangenheit bewahren“ – Giant Rooks im Interview

Giant Rooks haben im Mai mit ihrer neuen EP „Wild Stare“ das Modernes ausverkauft. Vor dem Konzert haben wir mit Gitarrist Finn Schwieters gesprochen.

Bremen. Die Newcomer Giant Rooks zählen zu den talentiertesten und aufstrebendsten jungen Acts der deutschen Musikszene. Nach einer Support-Tour mit AnnenMayKantereit durch riesige Hallen waren sie selbst sechs Wochen in acht Ländern unterwegs. In Bremen sind sie im monatelang ausverkauften Modernes aufgetreten. Wir begleiten die junge Band inzwischen seit über drei Jahren. Anlässlich des Auftritts in Bremen haben wir Gitarrist Finn Schwieters unter anderem gefragt, warum sie sich mit ihrem Debütalbum so viel Zeit lassen und welche Vor- und Nachteile eine Tour mit großem Nightliner hat.

Hier sind unser Konzertbericht und unsere Bilderserie vom anschließenden Auftritt.

Ihr seid bereits seit drei Wochen auf Headliner-Tour und habt schon in sechs Ländern gespielt. Welche Erfahrungen und Erinnerungen bringt ihr mit?

Es ist überwältigend viel und schwierig etwas speziell rauszupicken, da wir mittendrin stecken und es wie ein Schwall an Erlebnissen ist. In Deutschland waren es die größten Solokonzerte, die wir bisher gespielt haben. Wahnsinn, wie viele Leute mittlerweile vor den Bühnen stehen. Es ist aber auch eine super schöne Erfahrung, in ganz neue Länder zu fahren. Wir haben zum Beispiel das erste Mal in Brüssel gespielt – eine wunderschöne, spannende Stadt und ein ganz tolles Konzert mit vielen lieben Menschen.

Mit welchen Erwartungen, Hoffnungen oder Ängsten habt ihr eure lange Tour gestartet?

Wir haben ewig über unsere Setlist diskutiert und ganz lange überlegt, mit welchem Song wir unsere Konzerte beginnen. Gerade zu Beginn der Tour haben wir uns viele Gedanken um unsere Show gemacht. Mittlerweile stimmt der Rahmen, deshalb ist die erste Aufregung weg und wir sind vor den Konzerten eher im normalen Maß leicht angespannt.

Habt ihr eure Setlist denn zwischendurch noch verändert oder so genommen wie anfangs geplant?

Wir haben sie tatsächlich ziemlich genau so gelassen, da wir direkt am ersten Abend bemerkt haben, dass sie so sehr gut funktioniert.

Ihr habt gerade sieben, teilweise ausverkaufte Konzerte in England gespielt. Wie ist eure Bekanntheit dort so schnell entstanden, wo ihr ja längst noch nicht so viele Konzerte gespielt habt wie hier?

Wir haben zwar in England nicht annähernd so viele Konzerte gespielt, sind dort aber seit 2017 regelmäßig hingefahren. Wir wollen europaweit auftreten und deshalb unbedingt auch viel in England spielen. Da haben wir früh sehr viel investiert. Für einen 20-minütigen Auftritt auf einem Festival sind wir mal 20 Stunden hin und die gleiche Zeit wieder zurückgefahren. Wir haben gerade anfangs viel auf uns genommen und deshalb freut es uns sehr, dass unsere Songs im Mutterland unserer Musikrichtung gut ankommen. Es ist eines der größten Gefühle, die wir bisher als Band erfahren durften, wenn Briten unsere Texte wirklich mitsingen und unsere Musik feiern.

Ihr spielt gerade eure erste Tour mit einem Nightliner. Wie ist da ein typischer Tagesablauf, wenn ihr schon morgens in der Stadt seid, in der ihr abends spielt?

Wir haben vorher auch gedacht, wir hätten den Tag über viel mehr Zeit und könnten uns beispielsweise die Städte anschauen. Jetzt im Touralltag stellen wir fest, dass wir unglaublich viele Sachen wie eine Menge eigenes Licht dabei haben und deshalb mehr Arbeit anfällt als wir vorher erwartet hätten. Da bleibt nicht immer viel Zeit übrig. Wenn doch, entspannen wir gerne oder gehen in die Stadt. Einige von uns waren hier eben im Schnoorviertel.

Welche Vor- und Nachteile seht ihr im Gegensatz zu einer Tour mit Sprinter und Hotel?

Im Hotel schläft man natürlich besser und auf kurzen Distanzen kann eine Tour mit Sprinter entspannter sein. Ich kann da nicht für die ganze Band sprechen, aber ich persönlich schlafe total gut im Nightliner. Andere haben aber ein Problem damit, weil es wackelt und unruhig ist. Ich fühle mich eher in den Schlaf geschaukelt und finde es total geil, am nächsten Morgen einfach direkt in der Stadt aufzuwachen und die lange Autofahrten nicht zu haben.

Wie schafft ihr euch auf so einer langen Tour einen privaten Ausgleich oder Freiräume?

Ehrlich gesagt fast gar nicht. Wir verbringen praktisch den ganzen Tag miteinander.

Fehlt euch das nicht?

Ab und zu natürlich schon, dem einen mehr, dem anderen weniger. Das ist der Preis, den wir für die Tour bezahlen. Dafür gibt sie uns aber sehr viel zurück, es ist völlig cool so.

Von wenigen Monaten seid ihr von Hamm nach Berlin gezogen. Was ist dort anders und einfacher als Musiker?

Vor allem die Infrastruktur der Kultur ist ganz anders. Es gibt viele Proberäume, obwohl jetzt wahrscheinlich viele Berliner die Hände über dem Kopf zusammenschlagen werden. Zumindest hatten wir das Glück, schnell einen Proberaum zu finden. Es gibt sehr viele Musikerkollegen, mit denen wir uns in Berlin treffen und austauschen können, zum Beispiel unsere befreundeten Bands Von Wegen Lisbeth, Razz und Mighty Oaks. Insgesamt war es aber keine Entscheidung, als Band unbedingt nach Berlin ziehen zu müssen, viel mehr möchten wir als Individuen gerne in Berlin leben.

Habt ihr euch bewusst dafür entschieden, nicht zusammen sondern in ganz unterschiedlichen WGs zu leben?

Das war schon eine bewusste Entscheidung. Wir sehen uns praktisch 24/7, auch wenn wir in Berlin sind. Dann ist es abends einfach gut, auch mal andere Menschen zu sehen und vor allem andere Gespräche zu führen mit Leuten, die in einer ganz anderen Welt leben und keine Musiker sind.

Ihr habt nach der Schule alles auf Musik gesetzt. Wir oft probt ihr jetzt gerade in der Woche?

Wir proben im Prinzip täglich und treffen uns um zehn Uhr morgens. Wir schreiben viel, nehmen Demos auf, teilweise bis spät abends. Schön ist, dass wir unsere eigenen Meister sind und jederzeit pausieren oder für einen Tag abbrechen können wenn wir merken, es läuft gerade nicht oder die Luft ist raus. Insgesamt sind wir gut darin, uns selbst zu motivieren.

Mitte April habt ihr eure neue EP „Wild Stare“ veröffentlicht. Nach den ganzen Tourdaten hätte ich eher mit einem Album gerechnet. Warum wartet ihr noch mit eurem Debüt?

Zum einen war schon eine krasse Erwartung da und viele haben sich gefragt, wann unser Debütalbum kommt. Aus dieser Erwartung wollten wir ein bisschen ausbrechen und das Gegenteil tun. Zum anderen, und das ist ganz klar der Hauptgrund, wollten wir super gerne diese Tour spielen. Die Seele unserer Band waren von Anfang an die Live-Konzerte und die Tourneen. Wir sind noch eine echt junge Band, die es noch nicht lange gibt. Diese Unbefangenheit bei den Konzerten wollten wir uns bewahren und nicht plötzlich ein halbes Jahr ins Studio gehen, um ein Album aufzunehmen. Deshalb haben wir eine EP mit vier bis fünf Songs gemacht, die gut in das Format passen und die wir gerne aufnehmen und veröffentlichen wollten.

Also kommt euer Debütalbum im Laufe des nächsten Jahres?

Den großen Plan machen wir erst nach der Tour. Warten wir’s mal ab.

Vor zwei Jahren habt ihr „New Estate“ veröffentlicht und damit den Tower ausverkauft. Heute das dreimal so große Modernes und nächste Woche die bekannte Große Freiheit in Hamburg. Hat euch dieser schnelle Erfolg als Menschen oder Musiker verändert?

Es hat uns mit Sicherheit in irgendeiner Form verändert. Wir können mittlerweile von der Musik leben und sind nicht auf Unterstützung unserer Eltern oder anderer Personen angewiesen. Das war vor drei Jahren noch anders. Da sind wir quasi erwachsen geworden. Insgesamt ist es wirklich schwer zu sagen, wer weiß schon wie unser Leben ohne Musik verlaufen wäre. Was gerade passiert, ist die Erfüllung unseres Lebenstraums. Dafür sind wir super dankbar.

Mit AnnenMayKantereit  habt ihr einige Shows gespielt, eure bisher größten Konzerte. Was fühlt sich auf so einer großen Bühne anders an?

Es fühlt sich zwar anders an, aber interessanterweise war ich weniger aufgeregt als vor einer eigenen Show wie heute Abend. Einfach weil die Leute jetzt nur kommen, weil sie Giant Rooks sehen wollen und nicht wegen einer anderen Hauptband da sind. Diese Erwartung spüren wir schon. Die schiere Größe der AnnenMayKantereit-Konzerte habe ich erst hinterher begriffen, als ich auf den Fotos die Hallen mit 12.000 Leuten gesehen habe. Ich glaube, da ist der Körper während des Auftritts in einem Schutzmechanismus, um nicht verrückt zu werden und nicht über diese wahnsinnige Anzahl an Menschen nachzudenken, die dir gerade zuhören.

Im Oktober spielt ihr drei Konzerte in England. Was steht bei euch noch so an dieses Jahr?

Wir wollen ein paar Shows in England nachholen. In Deutschland haben wir wirklich sehr viel gespielt, in England zwar auch schon einige Konzerte, aber längst nicht so viele wie hier. Bei der jetzigen Tour haben wir 20 Termine in Deutschland und sieben in England, wovon einige auch Festivals waren. Deshalb spielen wir im Herbst mit der „Wild Stare“-EP noch drei weitere eigene Konzerte in England.

Giant Rooks gibt es im Sommer unter anderem beim Rocken am Brocken Festival vom 1. bis 3. August live zu erleben.

 


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