Craig Finn – A Legacy Of Rentals, Positive Jams 2022
Geschichten über Menschen und wie wir uns an sie erinnern. Craig Finn legt mit A Legacy Of Rentals ein weiteres Soloalbum vor.

Nach gerade einmal einer Minute auf dem neuen Album von Craig Finn stellt sich dieses bestimmte Gefühl ein. Craig erzählt mehr als das er singt: „this probably isn’t where I see myself forever / But for now it’s pretty much where we are“ – und schon sind wir mittendrin in den Geschichten von Menschen, die irgendwie am Boden sind, rauswollen, es aber nicht schaffen und trotzdem nie die Hoffnung verlieren. Nur dieser eine Satz und das ist die Kunst beim Songschreiben, eröffnet eine ganze Welt. Der Typ ist an einem Punkt in seinem Leben angekommen, an dem er sich eigentlich nie gesehen hat und auch jetzt nicht sehen will. Für ihn ist es nur ein Durchgangspunkt und irgendwann wird er es schon rausschaffen und das große Ding drehen. Aber das wird nicht so einfach werden. Und es kann schon geahnt werden, er wird es nicht schaffen, dieses „pretty much where we are“ wird zum Dauerzustand werden, bis es zu spät ist. Das ist Tragik. Eine Tragik, die im echten Leben wirklich passiert und die viel zu selten und wenn doch meistens viel zu elendig und billig in Songs erzählt wird. Dieser Tragik mit viel Empathie zu begegnen, das können nur wenige. Craig Finn ist einer davon und A Legacy Of Rentals ist der erneute Beweis dafür.
Craig Finns Helden begehen noch immer Fehler, sie bekommen Kinder, die sie besser nicht bekommen hätten, sind in Verkehrsunfälle verwickelt, kämpfen sich durch miese Jobs und dealen mit Drogen, wobei dieser Handel häufig eine Metapher entweder für eine Kapitalismuskritik ist oder das Scheitern eines Lebens beschreibt. In der Mafiageschichte „The Amarillo Kid“ wird ein verschuldeter junger Typ aus Amarillo, TX für einen Deal nach Buffalo, NY geschickt. Eine der ärmsten Städte im Staat New York, in der kürzlich bei einem rechtsterroristischen Anschlag zehn (schwarze) Menschen bei einem shooting in einem Supermarkt starben und weitere Menschen verletzt wurden. Von dort nimmt die Geschichte des jungen Mannes seinen Lauf und Jahre später ist er immer noch in diesem Job tätig und hat mittlerweile einen Legendenstatus erreicht.
Geschrieben wurde A Legacy Of Rentals bereits vor knapp zwei Jahren, mitten der Hochphase der Pandemie und den Mord an George Floyd in Finns Heimatstadt Minneapolis. Beide Ereignisse fanden allerdings kaum Einfluss auf die Texte. Trotzdem drängt der Titel des Songs „The Year We Fell Behind“ natürlich Vergleiche auf. Und irgendwie stimmt es ja auch, es war ein verlorenes Jahr für uns alle. Für Finns Helden aber insbesondere. Das alles überstrahlende Thema auf A Legacy Of Rentals handelt allerdings von Erinnerungen. Wie erinnern die Helden der Geschichten sich an ihre Kindheit, ihre Fehlentscheidungen und die guten Momente? Verklären sie etwas? (Ja!) Drehen sie sich ihre eigenen Geschichten zurecht? Tun wir das nicht alle auf die eine oder andere Weise? Und werden die Menschen, die von uns gegangen sind, nicht ein stückweit glorifiziert? In „Curtis & Shepard“ wird sich am Ende des Stückes einer der beiden nie mehr an irgendwas erinnern können, denn es endet blutig. Und auch in „Due To Depart“ findet der Tod seinen Weg in den Song, wenn auch auf tragischer Weise und mit weitreichenden Folgen für die anderen Verwandten.
Musikalisch spielt A Lagacy Of Rentals weniger mit einem Americana Sound, wie noch auf den letzten beiden Alben. Statt Blässer ist ein 14-köpfiges Orchester zu hören, leichte Elektronik und Drum-Loopings finden ihren Weg in die Songs und Finn spricht wieder mehr, als das er singt. Gitarren sind zwar vorhanden, aber nicht so präsent, sondern Finns Stimme steht im Vordergrund.
Finn hat einen Hang, Fortsetzungen und/oder Prequels zu seinen Liedern zu schreiben. „A Break From The Barrage“ könnte auf diesem Album in Verbindung zu „Carmen Isn’t Coming In Today“ vom letzten Album I Need A New War stammen.
Das sind alles schwere Themen und wahrlich traurige Lieder. Zum Glück gibt es zumindest am Ende so etwas wie eine traurige Fröhlichkeit, denn so richtig glücklich können die Helden nicht mehr werden, dafür haben sie zu viel in ihrem Leben mitgemacht. Und so bleibt ihnen am Ende nur festzustellen: „And it was nice to finally feel a little something / This is what it looks like when we’re joyful.”
A Legacy Of Rentals ist am Freitag den 20. Mai 2022 digital und als CD erschienen. Die LP folgt im August.
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