Fremdgehört – Der musikalische Seitensprung 1.0

In unregelmäßigen Abständen werden pfa und claas sich an dieser Stelle gegenseitig Musiktipps geben, die der jeweils andere kommentieren muss. Dabei kann es sich um Neuerscheinungen, Klassiker oder gerade aktuelle Lieblingssongs handeln.

Fremdgehört. Foto: pfa

Weltherrschaft. Ein vernünftiges Online-Mag. Ein Punkrock-Podcast. Mehr Bier. Wenn Claas (cr) und Pascal (pfa) sich trotz Corona mal im Viertel treffen und an den Ecken rumlungern, haben sie große, irre, manchmal verrückte Pläne.  Am Ende bleibt es oft bei Sätzen wie: Lass mal was machen. Lass mehr treffen. Lass mehr über Musik reden. Statt weiter destruktiv zu sein, wird jetzt gemacht. Herausgekommen ist schon im Sommer ein Format, in dem sich die Beiden gegenseitig Musik-Tipps geben und der andere sie zerreißen oder abfeiern darf. Hier Folge eins. Ganz unten gibt es die Spotify-Playlist dazu.

(pfa)-Tipp 1: Chewie –  „Just Like Home“

Das meint (cr): Es ist ein etwas älterer Song der Band CHEWIE aus Irland mit dem Titel „Just Like Home“, der beim ersten Hören angenehm ins Ohr geht, fast schon zu angenehm für meinen Geschmack, beinhaltet das Lied praktisch alle Attribute, die modernen Punkrock ausmachen. Als da wären: eine große Melodie,ein persönliches Thema emotional vorgetragen,rauer und gleichzeitig gepresster und gehetzter Gesang und der ruhige Teil, in dem sich die Gitarren auf ein Minimum zurückziehen.

Ich gebe zu, so ganz kann ich mich dem Song nicht entziehen, zu catchy ist das Stück. Einfach gut gemachter Punkrock, der mir insgesamt aber zu anbiedernd ist, als das die Musik mich lange bei Laune hält. Spätestens den Reggae Teil am Ende es über Vierminütigen Liedes hätte die Band sich sparen können, ja müssen. Damit bringt die Gruppe das Fass zum überlaufen und wollte zu viel, zerstört damit die durchaus vorhandene klare Struktur.

(pfa)-Tipp 2: Chiefland – „Disappearing Act / Introspection

Das meint (cr): CHIEFLAND wollen sich mit ihrer neuen Single aus dem engen Hardcore Konzept des letzten Albums befreien und öffnen sich in ihrer Musik ruhigeren Momenten, der vor allem durch einen cleanen Gesang statt Gebrülls Ausdruck erhält. Schmerz und Leid werden mit viel Pathos vorgetragen.

Die Zielgruppe für die erste Single scheint klar zu sein. Der Song ist gerade einmal 2,5 Minuten lang und soll wohl vor allem Spotify Hörer:innen mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne gefallen. Dabei lebt dieses Form von Musik gerade von längeren Instrumentalpassagen. Das fehlt mir hier total. Obwohl die Ansätze gar nicht mal schlecht sind, aber leider nicht konsequent ausgespielt worden. Wenn obendrein noch auf deutsch getextet werden würde, hätte die Band tatsächlich etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal.

(pfa)-Tipp 3: Off with their Head –  „Nightlife“

Das meint Claas: Es geht ums „Nightlife“ aus Sicht der Band Off with their Head. Ähnlichkeiten zu den oben erwähnten Chewie sind unüberhörbar hinsichtlich eines großen Verständnisses für Melodieführung. Nur sind OWTH zielstrebiger, schneller und mehr auf den Punkt. Eine zweite Stimme gibt es auch hier, was alle drei Bands aus dieser Liste verbindet. Mit dem Label EPITAPH im Rücken und Supports auf der The Gaslight Anthem Durchbruchstour zu deren Album „59’Sound“, ist dies sicherlich die bekannteste Band von den drei Tipps.

Fazit: Der Kollege pfa scheint gerade eine Menge Wut in sich zu haben. Anders erklärt sich mir diese geballte Punk Power seiner drei Musiktipps nicht. Insgesamt ist an allen drei Bands nicht wirklich irgendwas auszusetzen. Alle Gruppen gehören handwerklich in ihrem Genre sicherlich zu den oberen 10 Prozent. Aber da fängt für mich das „Problem“ an. Alle Bands präsentieren (weder musikalisch noch textlich) auch nicht Ansatzweise etwas neues oder gar Innovation, was in diesen Genres schwer genug ist. Alles schon mal da gewesen! Ob besser oder nicht müssen andere entscheiden.


Was soll da kommen, wenn Claas mir musikalische Tipps gibt? Klar, seine Trefferquote ist immer ziemlich hoch. Doch ich bin skeptisch. Da kommt doch wieder nur der Boss oder The Hold Steady.

Claas-Tipp 1: Billy Nomates – Hippy Elite

pfa meint: Coole Nummer. Ist als britischer Post-Punk einzuordnen, polternder Sprechgesang, der wiederum fast schon harmonisch klingt. Der Zorn, die Wut, der Trotz und diese Du-kannst-mich-mal-Attitüde macht Spaß, ist spannend. Leider plätschtert der Song dann doch etwas zu sehr vor sich her. Das könnte energiegeladener, lauter, deftiger sein.

Claas-Tipp 2: The Hold Steady – Heavy Covenant

pfa meint: Ach, the Hold Steady … damit versucht Claas mich doch schon seit Jahren zu kriegen. Immer wieder erzählt dieser Fanboy mir von den überragenden Platte, von den außergwöhnlichen Konzerten. Also: neuer Versuch. Dieses Mal höre ich mir die Band an. Der Song startet mit Orgelartigen Keyboard-Klängen, das lieb ich ja über alles (nicht). Ok, dann nimmt der Song etwas mehr Fahrt auf. Ich beginne die Stimme von Craig Finn mehr und mehr zu mögen. Ja, der Song wird besser. Ok, nochmal hören. Und nochmal. Jetzt bin ich drin. Das Ding ist gut. Aber The Hold Steady machen es einem nicht ganz einfach. Darauf muss man sich einlassen.

(cr)-Tipp 3: In the Pines – Bones

pfa meint: Oh, ich bin kurz eingeschlafen. Das Lied ist ruhig, sehr ruhig. Ich mag diesen melodischen, sanften Gesang, dazu die Geige, der ruhige Beat. Aber das ist mir irgendwie fast schon zu meditativ, zu wiederholend. Könnte mir sehr gut vorstellen, diese Band nach einem langen Festivaltag, nachts um 2 oder 3 Uhr, auf einer Wiese liegend anzuhören. Aber am Abend in einem Club wäre mir das dann doch zu ruhig und sanft.

Fazit: Erstaunlich abwechslungsreich, was Claas da serviert hat. Alle Songs sind hörbar, aber so richtig mitreißend sind sie in den ersten Hör-Durchgängen nicht. Es ist Musik, die man sich erarbeiten muss. In die Songs muss man sich reinhören, auf die Texte achten.


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