Eine Primel im Podcast-Dschungel
Persönliches, Politik und Lokales – Das Beispiel „Florian-Priemel-Podcast“ aus Bremen

Podcasts gibt es wahrscheinlich schon so lange, wie Menschen ihr Mikrofon mit dem Internet verbinden können. Dass Audiosendungen in der Dosenvariante das breite Publikum auch tatsächlich begeistern, hat sich jedoch erst in den letzten Jahren ergeben. Wir haben den Florian-Priemel-Podcast und Florian Priemel in seinem ehemaligen Kinderzimmer besucht. Auch hb-people partizipiert inzwischen selbst am NASS-Magazin-Podcast.
Podcast, das ist ein Format zwischen Unterhaltung und Information, zwischen Hörspiel und Hörfunk. Leute mit Ego-Problem und Sendungsbewusstsein auf der einen Seite, welche mit einer ordentlichen Portion Voyeurismus auf der anderen Seite des Empfangsgerätes – das ist das Vorurteil. Doch warum hört und warum macht man so einen Podcast? Derzeit fühlt es sich so an, als ob der Podcast-Boom am Zenit angekommen sei. Es scheint, als hätte jeder, der drei Sätze gerade aus sprechen kann und Geld für ein Mikrofon hat, nun auch einen Podcast. Ähnliches hieß es aber auch schon über Websites und Blogs und neuerdings über Youtube-Kanäle. Die Besten und die Besonderen werden überleben.
NASS Magazin mit hb-people
Einer dieser neuen Podcasts ist der NASS Podcast, in dem unser Kollege Marcel Kloth für hb-people die spannendsten Veranstaltungstipps durchgeben darf. Zwei zugezogene Studenten werfen einen Blick auf Bremen und das was hier an der Weser so abgeht. Ein erfrischender Blick auf und gute Gespräche über die Studenten- und Szene-Kultur erwarten den geneigten Hörer. NASS, das Norddeutsche-Ausgeh-Spaß-Sonntags-Magazin verspricht ein Audioerlebnis mit Lokalkolorit zu sein. Der Plan geht bisher auf. Die Jungs gehen mit ihrem Mikrofon sogar an die frische Luft und reden mit anderen Menschen statt allein im Kämmerlein über die Welt zu sinnieren. Der Podcast wirkt also eher informierend journalistisch und stößt in eine Lücke. „Was bewegt Bremen? Was geht ab in der Stadt? Welche Events und Partys stehen an? Unsere Antwort darauf: Das NASS-Magazin, alle zwei Wochen“, erklären die Macher Björn und Leon in ihrer Ankündigung. Die erste Folge lässt sich sehr gut hören, sehr professionell und persönlich produziert und eng am jungen Zeitgeist unserer Wesermetropole.
Von Radio Bremen zum WDR-Podcast
Wie das so ist mit der Mode der Podcasts zeigt auch ein anderes Bremer Beispiel. Inzwischen hat der Moderator und Stadionsprecher Arnd Zeigler ein eigenes Format dieses Genres mit dem schmissigen Titel „Ball you need is Love.“ Der Podcast wirkt dabei grenzüberschreitend und verbindend: Ein Bremer produziert in Hamburg für den WDR und bisher kamen auch nur Hamburger und Teilzeit-Hamburger zu Wort.
„Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“, die lineare Radiosendung, gab es immer schon als Podcast, die neue Sendung verdient nun den Namen Podcast in seiner modernen Auslegung. Eigentlich sind es auch nur Interviews, aber sie sind „podcastiger“. Das Format ist irgendwie persönlicher, meinungslastiger, vielleicht etwas weniger objektiv und journalistisch, aber es hat häufig mehr Raum für Tiefe und Romantik. So redet der Musik- und Fußballliebhaber mit Musikern über seine und ihre Leidenschaft für Fußball und Musik. Eigentlich ist es nur eine Interviewserie, doch es ist auch ein ganz persönliches Stück Arnd Zeigler, der sich besonders freut zwei seiner großen Lieben zu verbinden zu können: „Weil ich gemerkt habe, dass für mich die Leidenschaft für gute Musik und die für Fußball sehr gut zusammenpassen. Beides sind sehr emotional besetzte Hobbys, beide sind in letzter Konsequenz etwas schrullig und nerdig, aber wenn ich irgendwo in einer fremden Stadt bin, dann interessieren mich wirklich zuerst das Stadion und dann die Plattenläden.“ Im Podcast spricht er mit Leidensgenossen. Beim Hören erhält man ein herrlich intimes Bild, wie es aussehen würde, wenn man den jeweiligen Gast zu einem Fußballspiel ihres Herzensvereins begleiten würde und welche Musik dazu läuft.
Florian Priemel Podcast – Normale Leute sinnieren herrlich über herrlich normale Dinge

Um das Phänomen noch etwas näher zu betrachten, haben wir Leute besucht, die das Podcast-Ding, jenseits der großen Öffentlichkeit, schon seit einigen Jahren drehen: „Herzlichen Glückwunsch zur 114. Ausgabe des“, so unbescheiden und großartig selbstironisch begrüßen die zwei Herren aus dem Bremer Umland ihre Hörer. Die Delmenhorster bezeichnen sich kühn als „besten Laberpodcast“. Das klingt großmütig, ist aber trotzdem eher etwas zu bescheiden, denn zeitweise kann die Sendung auch als Politik-Podcast durchgehen. Sogar der Name verspricht weniger als es eigentlich ist: Neben Florian Priemel sitzt seit über 100 Folgen auch Lars Holscher am Aufnahmegerät. Zwei Jungs wie du und ich, die den Kompass ordentlich ausgerichtet und das Herz am rechten beziehungsweise am „linksgrün-versifften“ Fleck, wie sie selbst sagen, haben. Schlaue Jungs, die auch mal Bock auf Bier haben und sich trauen das in ihrem Podcast jedem frei zu erzählen.
Rund 250 Hörer, mit steigender Tendenz, interessieren sich für das was sich Priemel und Holscher regelmäßig zu erzählen haben. 115 Folgen haben nun bereits das Licht der Welt erblickt, so wie Priemels Tochter vor einem Jahr. Die Themen des jungen Vaters sind immer wieder Teil des Programms irgendwo zwischen Klimawandel, selbsternanntem „Öko-Faschismus“ und der politischen Großwetterlage. Dazu gibt es auch mal Haushaltstipps und ganz persönliche Worte über das Leben und die Familie. Die beiden Herren, die optisch wirken wie Kids um die 30, versuchen im wöchentlichen Rhythmus in Jogginghose und mit einer charmanten Portion Sendungsbewusstsein ihre Welt zu erklären. Ihre beiden Showformate innerhalb des Podcasts heißen „Beerly Recap“ und „Fragen“. Es werden Zuhörer-Fragen oder skurrile Fragen aus der Twitter-Timeline besprochen. Im „Beerly Recap“ wird über Gott und die Welt philosophiert und zwischendrin immer wieder eine Hopfenkaltschale getrunken und analysiert.
Unterm dem Hashtag #podcastlikeitsfestival verlinkt der Delmenhorster Werbegestalter Florian Priemel seinen Podcast, der so etwas wie die Dosen-Ravioli unter den Unterhaltungs- und Politik-Podcasts ist. Die Zutaten sind ein bisschen Gemischtes Hack (Felix Lobrecht und Thommy Schmidt), ein bisschen Alkohol wie im „Herrengedeck“ (Laura Larsson und Ariana Baborie) oder im Deichstuben-Blödelformat ‚“#DeichFums“ (Lars Kranenkamp und Timo Strömer) und immer wieder kommt dazu auch eine politische Analyse der „Lage der Nation“ (Philip Banse und Ulf Buermeyer). Dazu noch eine Prise Persönliches der beiden Delme-Städter, deren Herausforderungen sich in ihren Rollen als Arbeitnehmer, halbwegs bewusste Konsumenten, Bewohner des Bremer Umlandes oder als Familien-Vater auszeichnen.
Den Umland-Podcastern ist es dabei gar nicht so wichtig wie viele Leute sie wirklich hören, ihnen geht es dabei um „so eine Art Gesprächstherapie“. Sie führen aus: „Wir würden das hier auch machen, wenn keiner zuhört. Es hilft einfach, wenn man mal drüber reden kann.“ Denn Podcast machen erzeugt eine ganz besondere Gesprächssituation: „Wann redet man mal so lange so konzentriert über ein Thema und lässt sich auch mal ausreden?“, fragt Lars Holscher. Die beiden Freunde hat das Projekt auf jeden Fall näher zueinander gebracht: „Neben meiner Frau habe ich am meisten in meinem Leben mit Lars gesprochen das bringt das Ganze mit sich, das ist sehr schön“, freut sich Florian Priemel. Auch ihre Familien hören in den Podcast, wenn auch nur sporadisch. Das schafft immer wieder Gesprächsanlässe: „Es ist schon so, dass ich auf mal auf Dinge angesprochen werde, die sich sonst nie im Familienkreis besprochen hätte. Auf mal reden wir dann über Politik, weil sie meine Meinung schon im Podcast gehört haben“, berichtet Lars Holscher.
Ihre Heimatstadt Delmenhorst thematisieren die beiden eher selten, doch nun haben sie erkannt, dass zu dem Persönlichen auch die Liebe zum Lokalen gehört. Nach über 100 Folgen wollen sie sich jetzt öfter ihrer Delme-Stadt widmen. In den Podcast-Versionen 114 und 115 kommen lokale Worte zu Gast. Ein Experiment, das dazu geführt, dass wir in Folge 114 Teile des Interviews zu diesem Artikel bereits am Mikrofon führen konnten. Viel Spaß beim Reinhören!
Den Florian-Priemel-Podcast findet ihr über die verdächtigen Podcast-Apps und -Programme sowie über Spotify. Weitere Infos direkt auf: https://florianpriemel.de
Mehr zum Nass-Magazin findet ihr hier:
„Ball you need is Love“ von Arnd Zeigler gibt es über diesen Link.
Mehr Beiträge aus" Kultur" zur Startseite