Saša Stanišić – Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne – Luchterhand Verlag 2024

Sasa Stanišić – 02.11.2024, 18:00 Uhr, Goethe Theater

Unterhaltung mit Haltung vom Hamburger Erfolgsautor Saša Stanišić mit Bremen-Bezug. Buchempfehlung und Ankündigung der dazugehörigen Lesung.

Sasa Stanisic - Verlag

Es ist unmöglich, gegen sein Kind in Memory zu gewinnen, selbst wenn leicht geschummelt wird. Und wie wird Müll eigentlich richtig sortiert? Das sind die Dinge, über die sich Georg Horvath aus Schwachhausen in gleich drei Geschichten dieses Erzählbandes Gedanken macht. Natürlich geht es um noch viel mehr. Um den Wunsch, etwas anderes mit seinem Leben anzufangen. Obwohl es das Leben ist, welches sich George Horvath ausgesucht hat. Es ist allerdings kein Leben, welches sich nicht verändern ließe.

„Möchte die Witwe…“ (ich verzichte an dieser Stelle auf den gesamten Titel, der wohl der längste Titel der Literaturgeschichte sein dürfte) ist ein Erzählband. Manche Geschichten hängen lose miteinander zusammen. Dennoch handelt es sich nicht um einen Episodenroman. Das große Überthema, welches sich durch alle Geschichten zieht, ist Veränderung. Und die Frage, wie das Leben aussehen würde, wenn andere Entscheidungen getroffen worden wären. In der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart. Schließlich kann ein Neuanfang hinter jeder Ecke warten. Oftmals ist nur ein „ja“ von Nöten.

„Und wie super wäre es, wenn es einen Proberaum fürs Leben gäbe“, stellt einer von Sašas Freunden in der ersten Geschichte fest. „Du gehst in den rein und probierst zehn Minuten aus der Zukunft – wie bei Deichmann, nur nicht mit Schuhen, sondern mit Schicksal.“

Coole Idee, eigentlich, nur weiß Saša Stanišić – selbst Flüchtlingskind und 1992 aus dem ehemaligen Jugoslawien in die „Neue Heimat“ (so der Titel der ersten und letzten Geschichte), ein Wohnbauprojekt in Heidelberg gekommen – dass für jemanden wie ihn (und seine Freunde) statistisch eine eher schlechte Zukunft wartet. Diese Gesellschaftskritik, wenn sie so genannt werden will, dass ein Michael eine X-prozentige höhere Wahrscheinlichkeit auf eine gute Zukunft hat als ein Stanišić, zieht sich durch mehrere Geschichten.

Zwar trifft Stanišić stets einen melancholischen Punkt, schafft es aber immer wieder seine Figuren mit einer gehörigen Portion Trotz oder Ironie auf die Situation blicken zu lassen, was zu sehr humorvollen Textstellen führt. Ganz nebenbei erfahren die Lesenden auch etwas über Stanišić selbst, seine Geschichte, wie er zum Schriftsteller wurde und was (Heinrich) Heine und Helgoland damit zu tun haben. „Möchte die Witwe…“ ist ein schönes Buch, welches Unterhaltung und Tiefgang verbindet, was sich selten genug finden lässt.

Am 2. November wird der Autor im Rahmen des Festivals globale im (Goethe)Theater Bremen um 18:00 Uhr lesen.

 


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