„Wir lieben die Challenge“ – Leoniden im Interview

Nach ihrem aufregenden Festivalsommer, der das Highlight eines ereignisreichen Jahres war, haben wir uns die Leoniden für ein Interview geschnappt.

Leoniden / (c) jk

Sie haben in diesem Jahr ihr Debütalbum veröffentlicht, zwei große Clubtouren gespielt und sind außerdem auf unzähligen Festivals aufgetreten. Nach über 100 Konzerten in einem Jahr, wirken die Leoniden aus Kiel immer noch hochmotiviert und aufgeweckt. Sie zählen aktuell zu den wichtigsten Newcomern und haben ein beeindruckendes Pensum absolviert. Wir haben uns mit Jakob und Djamin aus der fünfköpfigen Band zum Interview getroffen.

Leoniden gibt es schon seit über zehn Jahren, im Februar ist dann schließlich euer Debütalbum erschienen. Wie viel Geduld war da notwendig?

Jakob: Die Leoniden gibt es tatsächlich schon seit zehn Jahren, zumindest existiert der Name so lange. Die Besetzung hat aber ständig gewechselt. Djamin, du warst auch nicht von Beginn an dabei, oder?

Djamin: Doch! Ich war sogar schon dabei, als wir noch einen anderen Namen hatten und bis zu zehn Personen in der Band waren. Diese Anzahl hat sich reduziert und irgendwann wurden es die Leoniden mit fünf Bandmitgliedern. Mit Jakob ist unser Sänger schließlich vor zweieinhalb Jahren dazugekommen.

Jakob: Das war ein ganz neuer Start! Deshalb lässt sich die Frage schwer beantworten, wir wissen nicht genau, wann der richtige Startschuss war. Theoretisch schon vor zehn Jahren, aber erst seit zweieinhalb Jahren machen wir es ernsthaft mit dem Gedanken, ein Album zu veröffentlichen. Bevor wir es durchgezogen haben, wurde eher viel experimentiert und probiert. Trotzdem war viel Geduld dabei, weil wir sehr lange an den Songs geschrieben haben. Es hat jetzt zwei Jahre gedauert bis zum Debütalbum.

Eure Musik klingt sehr filigran und zappelig, wie äußert sich diese Detailverliebtheit beim Songwriting?

Jakob: Detailverliebtheit ist wirklich das passende Wort dafür. Nicht nur das, sondern auch perfektionistisch. Es sind mehr Ideen in der Mülltonne gelandet, als letztendlich auf dem Album. Wir haben lange und intensiv geschrieben, alles mehrfach umgedreht, Songs immer wieder neu zusammengepuzzelt, sie ein paar Monate reifen lassen, überprüft und nochmal alles weggeschmissen. Absolut anstrengend! Aber dafür weiß jetzt jeder von uns, wann das Schlagzeug was macht, wie der Bass an welcher Stelle spielt und welcher Synthie da noch drüber liegt.

Also habt ihr noch einen Überblick über eure Songs?

Jakob: Total! Einfach die absolute Kontrolle, weil wir uns nicht nur von einer Laune leiten lassen. Wenn wir es auch nach einem Jahr noch geil finden, dann ist die Idee fix.

Vom Song „Nevermind“ soll es 127 Versionen gegeben haben. Wonach entscheidet ihr, ob und was an einem bestehenden Song noch verändert werden soll?

Djamin: Die Zufriedenheit der gesamten Band ist entscheidend!

Jakob: Wir hören den Song zusammen und jeder muss damit vollständig einverstanden sein. Keiner darf mehr zweifeln oder überlegen. Erst dann sind wir alle zufrieden. In den letzten 20 Versionen geht es aber nur noch um die Zweitstimme im letzten Teil oder eine Hi-Hat-Tüdelei, wirklich um die ganz kleinen Details.

Djamin: Wir haben angefangen, erste Skizzen für neue Songs zu sammeln und jetzt schon wieder acht Stück weggeschmissen.

Also seid ihr keine Band fürs Bauchgefühl?

Jakob: Absolut nicht! Komplett Anti-Bauchgefühl! Die Ideen manchmal, aber damit sie bestehen, müssen sie gut sein und nicht nur aus einer guten Laune heraus entstanden sein.

Beim Blick auf euren Tourplan wird einem schnell schwindelig. Wisst ihr morgens nach dem Aufwachen immer gleich, in welcher Stadt ihr gerade seid?

Djamin: Ja, das auf jeden Fall!

Jakob: Definitiv! Ich weiß auch meistens, wo es am nächsten Tag hingeht.

Djamin: Das nächste Wochenende habe ich meistens noch im Kopf, aber länger im Voraus nicht immer. Ab und zu passiert es, dass wir am Wochenende irgendwo sitzen und uns fragen, was nochmal am Wochenende davor passiert ist. Es kommt schnell wieder, es ist nicht so, dass man das vergisst. Es ist nur kurz aus dem Sinn, weil es aktuell wirklich sehr viele Eindrücke sind!

Jakob: Die ersten zwei Festivals in diesem Sommer kommen uns vor, als würden sie schon zwei Jahre zurückliegen. Wir waren zum Beispiel mal in der Schweiz, keine Ahnung, wie lange das genau her ist. Drei Monate oder ein Jahr – ich kann´s nicht sagen.

Wie schafft ihr es, bei über 100 Konzerten in diesem Jahr den individuellen Charakter einer Show zu bewahren?

Jakob: Das ist in unserem Livekonzept verankert, wir überraschen uns gerne gegenseitig auf der Bühne. Es sind häufig die Läden oder Bühnen mit gewissen Limits, die es dann nochmal spannend machen, wenn eine Säule in der Mitte steht oder Dekoration.

Djamin: Natürlich entscheidet das Publikum sehr viel über die Individualität eines Konzertabends. Wenn der Funke überspringt und man gemeinsam dem Spaß Ausdruck verleiht, bekommen wir auf der Bühne etwas zurück. Es ist für uns ein schöneres Konzert, wenn die Leute vor der Bühne merklich Spaß haben.

Anfang August habt ihr vier Festivals in zwei Tagen gespielt. Wie entsteht so eine Idee?

Jakob: Wir sind manchmal einfach ein bisschen bescheuert.

Djamin: Da sind mehrere Dinge zusammengekommen. Unserem Booker haben wir gesagt, wir wollen möglichst viele Konzerte spielen. Wenn er es für machbar hält, würden wir sogar zwei Shows an einem Tag schaffen. Auf einmal haben wir dieses Wochenende gesehen, auf dem Freitag zwei und Samstag zwei Festivals standen. Das war im ersten Moment schon krass !

Jakob: Wir bereiten uns gut darauf vor, zum Beispiel haben wir unseren Abbau mit Stoppuhr geübt. Danach wussten wir, wir schaffen es in 25 Minuten von der Bühne bis die Bustür geschlossen ist. Damit haben wir geplant und es hat erstaunlich gut geklappt. Wir sind manchmal nach einzelnen Shows fertiger, als nach diesem ganzen Wochenende. Das liegt wohl daran, dass der Respekt vor der Aufgabe so groß war und alle so gut miteinander gearbeitet haben. Wir lieben es, diese Challenge zu haben.

Wie viel Routine ist notwendig, um so einen Kraftakt zu stemmen?

Djamin: Die Routine ist bei uns durch die hohe Anzahl an Konzerten von ganz alleine gekommen. Ich weiß nicht, wie es ablaufen würde, wenn wir keine Routine hätten. Gerade der ganze Aufbau und Abbau an so einem Wochenende kann sonst nicht funktionieren. Ein noch besseres Beispiel ist der Packplan für den Bus. Wir haben so viele Sachen dabei, der Wagen ist rappelvoll. Da passt so gerade alles rein, was wir dabei haben. Nicht mehr. Auf keinen Fall. Wir nehmen abgezählt T-Shirts mit für den Merch, weil mehr nicht geht. Der Wagen ist komplett vollgeballert. Ohne Routine würde da gar nichts laufen.

Jakob: Diese Routine haben wir uns antrainiert, mit viel Disziplin erarbeitet und Rollen verteilt. Wenn man 40 Shows gespielt hat und 40 Mal mit den schwersten Cases durch Sand, Matsch, Regen oder Feldwege gelaufen ist, dann ist der Rücken zwar im Arsch, aber man weiß wenigstens, was wohin gehört.

Auf der Bühne wirkt es wie ein organisiertes Chaos bei euch. Wie behält man da den Überblick, wer gerade wo zu stehen hat?

Jakob: Wir haben alle feste Dinge zu tun in den Songs, daher wissen wir auf jeden Fall, wer stehen muss. Für mich ist es ab und zu schwierig, Lennart einzuschätzen. Den Wirbelwind. Wenn wir auf derselben Seite stehen und beide konzentriert sind, laufen wir auch manchmal ineinander. Es ist viel Improvisation dabei, aber da alle feste Parts spielen und wir wenig abweichende Dinge machen, ist die Zuordnung klar.

Von eurer Heimat Kiel fährt man über eine Stunde nach Hamburg, und von dort geht die Reise zu Konzerten ja eigentlich erst los. Fühlt ihr euch da manchmal etwas abgeschottet?

Jakob: Das ist unterschiedlich! Wenn ich nach so heftigen Festivalwochenenden zurückkomme, bin ich sehr froh, so abgeschottet zu sein. Es ist halt relativ ruhig. Wenn ich sonntags um 23 Uhr in der Stadt bin, ist da nichts los, du hast deine Ruhe. Du gehst durch die Straßen und wenn es nicht gerade wieder in Strömen regnet, ist es wirklich schön. Ich kann verstehen, wenn Leute da keine Lust drauf haben. Aber wir erleben so viel, wir sind jedes Wochenende unterwegs. Ich bin froh über den Ruhepol, den mir diese Stadt bietet.

Djamin: Bei mir ist es wieder die Challenge. Ich kann mich erinnern, dass ich als kleines Kind bei einer dreistündigen Autofahrt schon richtig durchgedreht bin und nicht wusste, wohin mit mir. Jetzt fahren wir auch mal zehn Stunden und es geht einfach. Wir haben uns damit abgefunden.

 


Mehr Beiträge aus" Interviews" zur Startseite

„Wir lieben die Challenge“ – Leoniden im Interview teilen auf: