„Wir bringen im Herbst ein Album raus“ – Von Wegen Lisbeth im Interview
Im Gespräch auf dem Hurricane Festival erzählt die Berliner Band von neuen Songs und der laufenden Albumproduktion.

Scheeßel. Von Wegen Lisbeth betiteln ihr Album gern mal nach einer E-Mail-Adresse, benennen ihre Songs nach Bahnhöfen und Lieferdiensten und erzählen darin von Kneipen, WLAN und dem Döner an der Ecke. Und trotzdem oder gerade deshalb macht die Berliner Indie-Pop-Band alles andere als nebensächliche Musik, denn wie kaum eine andere Formation schaffen es Von Wegen Lisbeth Leichtigkeit und Witz mit Tiefgründigkeit und Melancholie zu einer einzigartigen Mischung zu verquirlen. Über die Jahre sind die Konzertbühnen auf Touren und Festivals immer größer geworden und trotzdem klingen Von Wegen Lisbeth noch immer erfrischend anders und so gar nicht nach Pop-Einheitsbrei. Wir haben Sänger Matze und Bassist Julian auf dem Hurricane Festival zum Interview getroffen.
Ihr habt im April bei Instagram geschrieben, „je länger man auf Tour ist, desto schneller schreitet der körperliche und geistige Verfall voran“. Jetzt habt ihr zwei Jahre relativ wenig gespielt. In welcher körperlichen Verfassung startet ihr jetzt gerade in den Sommer?
Haha, noch sind wir auf jeden Fall topfit.
Mit der Betonung auf „noch“. Ein Wochenende habt ihr jetzt schon wieder Konzerte gespielt.
Ja, letztes Wochenende waren wir beim „Stadt ohne Meer“-Festival in Gießen und sind in Dortmund und Würzburg aufgetreten. Das war direkt ein harter Einstieg. Ich bin froh, dass wir jetzt zwischendurch ein paar ruhige Tage hatten.
Heute steht euer erstes Hurricane Festival an, ursprünglich war der Auftritt für das Jahr 2020 geplant. Jetzt seid ihr endlich hier und mit 78.000 Besuchern ist es ausverkauft. Ist das aktuell noch ein Kulturschock für euch, oder habt ihr euch da schon wieder schnell dran gewöhnt?
Das ist aktuell noch schwer zu sagen – werden wir nachher merken, wenn wir auf der Bühne stehen. Es ist schon eine Riesenbühne und wir merken, wie die Stimmung in der Crew heute etwas angespannter ist. „Hurricane“ ist für alle hier ein Name. Ich kann immer sehr schlecht einschätzen, wie viele Leute am Ende wirklich vor der Bühne stehen. Andererseits denke ich mir, ob es am Ende 5.000 oder 30.000 sind, so einen Riesenunterschied macht es dann nicht mehr – zumindest für das Spielen nicht.
Wie hat es sich in Gießen angefühlt? Ich habe ein paar Aufnahmen aus der Luft gesehen, das sah inmitten der Massen schon gewaltig aus.
Da war ich tatsächlich sehr aufgeregt und nervös, weil es unser erstes Festival seit drei Jahren war. Am Ende hat es aber krass viel Spaß gemacht und war richtig cool. Vor allem war es endlich mal wieder ein Open-Air-Konzert, bei dem es Nacht war. Wir haben erst um 23 Uhr gespielt und irgendwie mag ich das lieber, weil es ein noch stärkeres Konzertgefühl gibt. Die Picknick-Konzerte im letzten Sommer gingen ja teilweise schon um 16 Uhr los, da ist der Vibe irgendwie noch nicht so richtig da. Warst du auf Picknick-Konzerten?
Tatsächlich bei mehreren, euch habe ich auf der Parkbühne in Hannover gesehen. Wobei das ja kein klassisches Picknick-Konzert war, sondern mit Klappstühlen.
Es war im letzten Sommer super, dass wir überhaupt ein paar Shows spielen konnten. Wir waren sehr froh, dass es irgendwie geklappt hat. Im Nachhinein ist es aber natürlich kein Vergleich zu den jetzigen Open-Air-Konzerten. Jetzt scheinen wir endlich wieder einen normalen Sommer zu haben, Klappstuhl- und Picknick-Konzerte brauchen wir nicht nochmal.
Heute spielt ihr als vorletzte Band auf der Hauptbühne. Bereitet ihr euch auf den Auftritt heute anders vor, als auf ein Picknick-Konzert am Nachmittag?
Es sind exakt die gleichen Proben. Wir haben zuletzt nur etwas häufiger geprobt, als im letzten Sommer. Und das Set ist natürlich ein anderes, weil wir viele neue Songs dabei haben. Letztes Jahr hatten wir sehr wenig Zeit und die haben wir uns in diesem Jahr einfach richtig genommen. Mal wirklich einen Monat lang jeden Tag einfach nur die Setliste zusammenbauen, alles immer wieder proben, Übergänge schreiben und so. Es hat dann auch viel mit Selbstbewusstsein zu tun. Wie sicher fühlt man sich schon in dem Set, um es dann vor egal wie vielen Leuten zu spielen? Es war uns wichtig, richtig gut drin zu sein im Live-Spiel.
„Neue Songs“ ist ein gutes Stichwort. Ihr habt bei den ersten beiden Alben, die ihr bisher veröffentlicht habt, mit den Single-Veröffentlichungen davor jeweils auf den Release hingearbeitet. Jetzt ist „Lost“ schon über ein Jahr draußen und seitdem sind insgesamt sechs Songs herausgekommen. Worauf arbeitet ihr gerade hin?
Ich glaube, wir können es sagen, oder? Wir planen auf ein Album hin. Das ist gerade wie bei einer Schwangerschaft – ist es schon spruchreif? Aber ja, wir bringen im Herbst ein Album raus. Bei „Lost“ und allem, was wir während der Pandemie veröffentlicht haben, wussten wir nicht, ob am Ende vielleicht eine EP entsteht, es war aber schon immer klar, dass es irgendwie für sich steht. Seitdem haben wir in den letzten Monaten aber ganz viele neue Songs geschrieben und uns in dem Rahmen dann wieder für ein Album entschieden. Deshalb erscheinen jetzt noch drei, vier Singles und im Herbst folgt das Album.
Sehr gut, da werden wir die Augen offenhalten. Auf den ersten beiden Alben und der EP davor habt ihr insgesamt knapp 30 Songs veröffentlicht. Ist das Songwriting danach schwerer geworden, weil man vieles schon erzählt hat? Oder hattet ihr so eine Situation gar nicht?
Es ist schon anders geworden, ich habe häufiger gemerkt: Den Song habe ich schon ein paarmal genauso geschrieben. Ich denke da ehrlich gesagt nicht groß drüber nach, aber unser Songwriting hat sich über die Alben schon verändert. So ist es auch jetzt beim dritten Album, nicht mit einem bestimmten Vorsatz, sondern weil wir uns weiterentwickelt haben und andere Sachen feiern. Musikalisch ist es auf jeden Fall keine Wiederholung. So war es schon bei „Grande“ und „Sweet Lilly“ und die Entwicklung geht eben weiter.
War „Auf Eis“ die erste Single für das Album oder sind die Stücke davor auch schon dafür geschrieben worden?
Teils, teils. Es hat im letzten Jahr irgendwie zur Situation gepasst, ohnehin nicht zu wissen, wann wir wieder spielen und ob wir ein Album machen oder nicht. Beides war unklar und deswegen haben wir gesagt, es fühlt sich jetzt richtig an, die Sachen einfach erstmal rauszubringen, bevor wir drei Jahre lang fertige Songs im Kasten haben, nur weil man irgendwie vielleicht mal ein Album veröffentlicht. Deswegen haben wir die Sachen erstmal rausgehauen und erst um den Jahreswechsel herum hat sich herauskristallisiert, dass wir Bock, haben wieder ein Album zu machen. Nicht alle Singles aus dem letzten Jahr werden drauf sein, aber das ein oder andere Lied wird man schonmal gehört haben.
Die Kollegen vom Diffus-Magazin haben über „Auf Eis“ geschrieben, es sei „ein echter Lisbeth-Klassiker“. Was macht so einen Klassiker für euch aus?
Haha, das müssen wirklich Musikjournalisten für sich entscheiden. Da bin ich froh, dass es nicht meine Aufgabe ist, das zu bewerten. Würdest du da denn zustimmen, oder findest du das nicht?
Ich würde insofern zustimmen, dass einige Punkte im Song sind, die man eher mit euch in Verbindung bringt als bei so einem Song wie „Portugal“, zum Beispiel die Bassläufe. Das sind eher Elemente, die man von euch schonmal gehört hat. Ob ich es jetzt Klassiker nennen würde… also wir haben es nicht so genannt. Aber ich verstehe zumindest den Punkt dahinter.
In den YouTube-Kommentaren zu „Auf Eis“ gab es Hörer, die von vergleichenden Vibes mit Bands wie The Cure, Wir sind Helden oder allgemein der Neuen Deutschen Welle geschrieben haben. Womit könnt ihr denn am besten relaten?
Mit allen drei Vergleichen, das ist sogar ziemlich gut zusammengefasst. Alles davon ist Inspiration für uns. Ich finde es immer schön, mit Wir sind Helden verglichen zu werden, weil ich selber großer Fan war und bin. Die haben einfach sehr gute Texte geschrieben.
Hat sich Claudia Pechstein schon bei euch gemeldet?
Nein, aber ein anderer Eisschnellläufer hat sich gemeldet und uns zum Trainingscamp vom deutschen Eislaufverband irgendwann im Herbst eingeladen.
Sowas lehnt man nicht ab, oder?
Vielleicht schauen wir da mal vorbei. Außer Robert kann niemand von uns wirklich Eislaufen. Ich kann mich noch erinnern, vor drei oder vier Jahren habe ich es im Winter probiert und Matze gefragt, ob er mitkommt. Er meinte, es gibt zwei Sachen, die er einfach nicht macht: Schlittschuhlaufen und Skifahren. Kann ich verstehen, beides ist prädestiniert dafür, sich das Handgelenk zu brechen oder das Kreuzband zu reißen. Das wäre es dann mit der Tour gewesen.
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