Wim – Boxer, Schwesterherz Records, 2022
Popmusik aus Deutschland hat es nicht leicht. WIM bringt die Leichtigkeit auf ihrem Album Boxer zurück

Es gibt in Deutschland diese Tendenz, alles in Schubladen zu pressen, denn wenn es nicht zuordbar ist, gehört es nirgendwo dazu. Deshalb ist Deutschland eben auch keine Popnation, wie der letzte Eurovision Songcontest wieder mal bewiesen hat. Doch nun kommt Wim, bürgerlich Nina Müller, und schreibt auf Boxer Popsongs. Dabei muss POP großgeschrieben werden.
Bevor Nina Müller nun mit Boxer selber in den Vordergrund tritt, war sie bereits für viele namhafte Künstler*innen als Songschreiberin unterwegs. Nun kämpft sie sich in den Vordergrund. So lässt es sich wenigstens bei den Songtiteln vermuten. Das Titelstück „Boxer“ oder auch „Löwenherz“, das klingt zunächst einmal sehr kämpferisch. Ein Löwenherz hat zumeist ein großer Kämpfer oder Kämpferin, gerne auch ein*e Boxer*in. Aber darum geht es Nina Müller ja überhaupt nicht. Das sind bloß Metaphern fürs Durchhalten und auf der richtigen Seite stehen. Bei einem Boxer wird oft das Attribut Nehmerqualitäten gebraucht. In dem gleichnamigen Song geht es vielleicht genau darum, sich zu wehren, ohne die Fäuste einzusetzen.
Boxer verzichtet fast vollständig auf ein klassisches Schlagzeug, viel mehr kommen verschiedene Percussions zum Einsatz. Nina Müllers Stimme steht im Vordergrund, was die Gewichtung der Texte noch mal unterstreicht und untermalt wird alles mit dem großzügigen Einsatz von Tasteninstrumenten. Das Eröffnungsstück „An manchen Tagen“ besteht zu einem guten Stück fast ausschließlich aus Percussionbeats, die sich zu einem Rhythmus zusammenfinden. Das klaviergetragene „Wolkenkratzer“ kommt stiller und melancholisch-romantisch daher, mit einer Betonung, wie Rio Reiser es gesungen hätte.
Das Kernstück „Löwenherz“ überstrahlt schließlich das gesamte Album und bringt die Großstadtprosa einer jungen Frau vielleicht gleich auf den Punkt. „In meinem Herz sitzt ein Löwe und ein Löwenherz werde ich sein.“ Denn im Grunde geht es nur mit dem Herz die Wahrheit oder das Gute zu sehen. Dafür will dieses durchaus lebensbejahende Album stehen.
Haarscharf kratzt Boxer dabei immer wieder am Kitsch entlang, bekommt aber (zum Glück) immer rechtzeitig die Kurve, um dann doch eher als nachdenklich, gar philosophisch durchzugehen. Etwas, was im Pop vielleicht nicht unbedingt selbstverständlich ist, aber zu oft schmerzhaft vermisst wird. Wim macht sich auf, das zu ändern.
Boxer erschien am 20. Mai 2022
Am 3. Juni 2022 ist Wim live im Tower Bremen zu sehen
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