Rock’n’Roll und Country auf Platt – Interview mit Knipp Gumbo

Der Bremer Musiker Lars Köster hat mit seinem Solo-Projekt Knipp Gumbo eine CD durch Crowdfunding realisiert. Im Interview spricht er über die Möglichkeiten ein Botschafter für die plattdeutsche Sprache zu werden und was Rock'n'Roll ihm bedeutet.

Bremen. Der Musiker Lars Köster ist seit Jahren in Bremer Bands aktiv, am prominentesten seien an dieser Stelle Die Mimmi’s und Velvetone genannt. Schon immer hatte Lars eine Affinität zur plattdeutschen Sprache, so befand sich zum Beispiel Dat Groglied bereits auf einer Mimmi’s Platte, so richtig zur Geltung kommt es allerdings erst jetzt. Mitten in der Corona Krise startete Lars ein Crowdfunding für sein Projekt Knipp Gumbo, mit dem er seit einiger Zeit im Norden solo unterwegs ist und mit dem er Rock’n’Roll und Country mit plattdeutschen Texten präsentiert. Es ist bemerkenswert, wie Lars es geschafft hat, ein 50’s Rock’n’Roll Feeling, als Country noch einen Einfluss hatte und die akustische Gitarre durchaus als Leadinstrument funktionierte, einzufangen und auf CD zu brennen. Hier spielt jemand nicht Rockmusik nach, sondern hat die DNA verstanden und auf eine eigene Art verarbeitet, die modern klingt, ohne die Herkunft zu verleugnen. Doch genug der Einleitung, lassen wir Lars zu Wort kommen, denn er kann selber am besten beschreiben, was ihn antrieb. Vorhang auf für Knipp Gumbo:

Hallo Lars, kannst Du dich noch an deinen letzten Auftritt erinnern? Wo und wie war der?

 

Ich schau mal in meinem Kalender nach….:

 

Ich habe vor ein paar Tagen zwei Songs bei einer Streaming Konferenz gespielt, davor (im letzten Jahr) auf zwei Geburtstagen (Ü90!) und im El Campo in OHZ.

 

Im September 2020 gab es eine tolle Aktion im Rahmen der SE-Kulturtage des Kreises Segeberg im „Kulturdorf Bimöhlen“, wo ich von Leuten dort (neben anderen Künstlern) für kleine, 15-minütige Auftritte gebucht werden konnte: draußen und komplett akustisch. Ohne Technik und Tüdelkram – so wie ich es gern habe: live und direkt!

 

Wie ist es, mitten in der Pandemie ein Album zu veröffentlichen? Wie erreichst du die Leute, ohne die Möglichkeit „richtig“ live zu spielen?

 

Wenn das Album fertig ist, muss es halt raus! Ich bewege mich ja nicht in solchen Kreisen wie der neueste James Bond Film, dessen Start pandemiebedingt schon dreimal verschoben wurde….Während der Crowdfunding Kampagne habe ich natürlich den Arbeitsfortschritt der Aufnahmen mit Videos und Beiträgen dokumentiert, aber den Haupteffekt brachen ca. 700 persönliche Mails, die ich verschickt habe. Die Kampagne war erfolgreich!

 

Jetzt, da die CD veröffentlich ist, stelle ich die einzelnen Songs auf meiner Webseite www.knippgumbo.de vor und versuche in die Medien zu kommen. Aber das Live spielen fehlt natürlich schon extrem, denn da werden die meisten Tonträger (zumindest in meiner Liga) verkauft.

 

Knipp ist ja klar – aber Gumbo?

 

Gumbo (GAmbo) ist ein würziges, mit dunkler Mehlschwitze (Roux) angedicktes Eintopfgericht der US-amerikanischen Südstaatenküche. Also: KNIPP für die norddeutsche Seele und GUMBO für die musikalischen Einflüsse aus dem Süden der U.S.A. Ganz einfach, oder?“

 

Gibt es für Plattdeutschen Rock ‘n‘ Roll oder Plattdeutsche Musik im Allgemeinen so was wie eine Szene?

 

Ich bin gerade am Anfang, in diese „Szene“ (so es sie denn gibt) reinzukommen und habe demzufolge noch nicht den kompletten Überblick. Es stellt sich ja auch die Frage, ob der Plattinteressierte sich vieles nur wegen des Platts anhört, oder ob er bei seinen musikalischen Vorlieben bleibt. Platte Musik nur um des Platts willen? Schwer einzuschätzen, ob man da von einer „Szene“ sprechen kann.
Als das in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts mit plattdeutscher Musik anfing, spielte sich das hauptsächlich in der Folk- und Liedermacherszene ab. Soweit ich weiß, haben Torfrock als erste Mitteder Siebziger eine plattdeutsche Rockplatte aufgenommen. Heutzutage gibt es kaum ein Genre, in dem nicht Platt gesungen wird: wir haben Rap: De Fofftig Penns aus Bremen, Bliggedi Blowm aus Hambuich, da ist Punk mit De Schkandalmokers aus Oldenburg, Hard-Rock mit Rockwark aus Bremen, Country-Folk-Rock von Aalkreih aus Flensburg, Yared Dibaba macht sein Shanty-Pop Ding, Gerrit Hoss, Annie Heger, De Drangdüvels, und, na klar, Rock ́n ́ Roll und sowat von Knipp Gumbo!

 

Du bist ein weitgereister Musiker – bekommst du auch Feedback aus dem süddeutschen Raum? Und wenn ja, welches?

 

Mit Knipp Gumbo habe ich bis jetzt nur hier oben im Nordwesten gespielt, ich würde aber gerne deutschlandweit spielen, weil ich dann nicht nur auf das Platt reduziert würde. Im Liveprogramm spiele ich ein Drittel standarddeutsche Songs, dann sind die „Nicht-Plattsprecher“ nicht so frustriert, dass sie nun gar nichts verstehen…..

 

Ist es dir wichtig als eine Art Botschafter für die Plattdeutsche Sprache wahrgenommen zu werden oder ist es am Ende die Musik, die dir wichtig ist?

 

In erster Linie singe ich auf Platt, weil es MIR Spaß macht. Ich habe das Programm in dieser Sprache nicht entwickelt, um ein kommerzielles Alleinstellungsmerkmal zu haben. Das ist es natürlich, aber auch eine Einschränkung, da die meisten Menschen, auch hier im Norden, kein Platt verstehen. Für einen Texter wie mich ist das sehr schade: ich habe früher englische Texte geschrieben (ziemlich gute, wie ich finde), die haben aber niemanden interessiert. Erst in der deutschsprachigen Punkband später kamen Leute nach den Konzerten und wollten mit mir über die Texte reden. Da fühlt man sich als Texter doch gesehen! Und jetzt schreibe ich freiwillig wieder in einer Sprache, die nur wenige verstehen! Ironie des Schicksals! Manchmal nervt die Reduzierung von Knipp Gumbo auf das Plattdeutsche schon, insofern wünsche ich mir jetzt bei der CD, dass das Augenmerk der Zuhörer und der Rezensenten auf der Musik und den Texten an sich liegt. Ich finde nämlich, dass die Texte klasse sind und wir, trotz der vielen unterschiedlichen Stile, musikalisch eine sehr kompakte und konsequente Platte gemacht haben. Sollte ich damit erfolgreich sein, bin ich automatisch ein Botschafter des Platt, weil Knipp Gumbo zeigt, dass Platt eine zeitgemäße Sprache ist und mehr zu bieten hat als Bauernschwänke, lustige Döntjes und Gummistiefelcharme.

 

Nach welchen Kriterien hast du die Coversongs auf deinem Album ausgesucht?

 

Erstmal sind es natürlich per se großartige Songs, die ich immer schon gerne gespielt habe, oder immer schon gerne mal spielen wollte und die mir was bedeuten. Mit „Marie Marie“ fing die plattdeutsche R‘n‘R Geschichte überhaupt erst an. Wobei ich mich mehr an dem raueren „Blasters“ Original orientiere.„Kring ut Füer“ / „Ring of fire“ – Ich sag mal: „Cash geht immer“ und es macht extrem viel Spaß, solch einen Klassiker neu zu interpretieren. So habe ich ganz bewusst das Thema zu Beginn weggelassen und den Song recht düster angefangen, so das man erst gar nicht weiß, um welches Lied es geht und erst nach und nach dahinter kommt.„Ik all alleen“ / „All by myself“ habe ich schon mit Velvetone immer sehr gerne gespielt. Ein Klassiker, besonders in dieser von Robert Gordon inspirierten Version. „Rock ‘n‘ Roll Ruby“ habe ich das erste Mal von den „Paladins“ gehört, als wir mit Velvetone mit den Kollegen gemeinsam auf Tour waren. Ich wollte den Song immer schon gerne aufnehmen. Hab ich jetzt dann mal gemacht….Außerdem stehe ich sehr auf diesen „Jump-Blues-Off-Beat-Groove“, der hier nur von der Akustikgitarre gespielt wird, in diesem Fall ein reines Rhythmusinstrument, das den Song trägt.

 

Neben plattdeutschen Songs sind auch zwei Hochdeutsche dabei, wie entscheidest du, welche Lieder du in welcher Sprache singst?

 

Wenn ich die Songs übersetze (meine eigenen Originale auf dieser CD waren alle auf Hochdeutsch), muss ich sehen, ob der Text auf Platt funktioniert. Jede Sprache hat eigene Ausdrücke, Redewendungen und Bilder, die man oft nicht eins zu eins übersetzen kann. Das beste Beispiel ist „Du kommst mir entgegen, wenn du gehst“. Dieses Wortspiel bekommst du auf Platt nicht hin. Es gibt eine plattdeutsche Version des Textes, aber ohne diesen Refrain funktioniert der Song nicht, also bleibt er auf Hochdeutsch, da bin ich überhaupt nicht dogmatisch. Wie mein Produzent immer sagt: „Der Song ist der Chef!“ Desweiteren schaue ich mir an, wie „die Message am besten rüberkommt“. Der Volvo-Song „Groß, Rot und Eckig“ musste natürlich auch auf Standarddeutsch erscheinen, weil das die Hymne aller Volvo Clubs im deutschsprachigen Raum sein wird (das ist zumindest der Business Plan….).

 

Bist du auf den gängigen Streaming Diensten oder so Oldschool, dass es nur ein physisches Release gibt?

 

Ich gebe zu, dass ich nicht sonderlich technikaffin bin, deswegen werden die Aufnahmen vorerst nur als physische CD und als nicht nicht-physische MP3s (samt Grafikdateien) angeboten. Es wäre schön, wenn durch den Erfolg der CD noch eine Vinyl Edition möglich wäre. Da käme auch die großartige Grafik in voller Pracht zur Geltung. Ich habe nicht explizit bei der Titelreihenfolge der CD auf eine gleichzeitige Verwendung für eine A- und B Seite geachtet, aber später voller Genugtuung festgestellt, dass die Dramaturgie der zwei Seiten perfekt passt. Allein das wäre doch schon ein Grund für Vinyl….Auch an dieser Stelle der schon fast penetrante Hinweis, dass es die CD bislang nur auf meiner Webseite www.knippgumbo.de zu kaufen gibt!

 


Mehr Beiträge aus" Interviews" zur Startseite

Rock’n’Roll und Country auf Platt – Interview mit Knipp Gumbo teilen auf: