„Es gibt noch Hoffnung für die Zukunft“ – Maximo Park im Interview
Wir haben mit den britischen Indie-Rock-Stars von Maximo Park ein recht politisches und persönliches Interview geführt.

Bremen/Scheeßel. Nach den Editors im letzten Jahr, hat auch beim diesjährigen Hurricane Festival wieder eine sehr namhafte britische Band zum Interview bei uns vorbeigeschaut. Maximo Park sind weit mehr als ihr Hit „Books From Boxes“ – eine Band, die sich auf sechs Album immer weiterentwickelt hat und stets ein Gespür für Melodien sowie ausdrucksstarke und gute Musik hatte. Mit Sänger Paul Smith und Gitarrist Duncan Lloyd haben wir über die gesellschaftlichen Herausforderungen in ihrer Heimat gesprochen und was diese mit ihrer Musik zu tun haben.
Ihr seid schon mehrfach in Bremen aufgetreten, unter anderem im Pier2 und im Aladin. Welche Erinnerungen habt ihr an die Stadt?
Duncan: Bremen, oder generell Norddeutschland, erinnert uns an unsere Heimat. Wir kommen aus Newcastle, einer Stadt im Nordosten Englands. Es ist nicht so heiß, wie es im Süden sein kann und die Menschen sind entspannt. Gerade Bremen habe ich als eine sehr grüne Stadt in Erinnerung, man kann dort gut spazieren gehen. Wenn wir bei unseren Auftritten noch Zeit haben, mischen wir uns gerne unter die Touristen, laufen die Straßen entlang und warten ab, was uns so über den Weg läuft.
Wo seht ihr die Unterschiede zwischen britischem und deutschen Publikum?
Paul: Die Fans sind sich recht ähnlich. Sie sind sehr loyal und kennen viele Songs auswendig. Es ist oft überraschend, wenn deutsche Besucher die Songs in Englisch mitsingen. Die deutschen Fans sind außerdem sehr gut informiert über uns, das merkt man oft in Gesprächen nach den Konzerten, oder wenn wir die Leute in den ersten Reihen jedes einzelne Wort mitsingen sehen. Bei den Konzerten in Deutschland ist das Publikum sehr facettenreich und das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ungefähr ausgeglichen. So soll es sein!
Duncan: Diese Vielfalt ist schön zu sehen! Wir möchten unsere Musik möglichst vielen Menschen vorstellen, auch wenn sie natürlich nicht jedem gefallen kann. Außerdem ist das deutsche Publikum auch sehr gut drauf, tanzt oder eröffnet auch mal einen Moshpit bei „Books From Boxes“, das ist wirklich verrückt. Generell ist die Atmosphäre immer sehr angenehm und freundschaftlich.
Ihr habt in zwölf Jahren nun sechs Album veröffentlicht. Was hat sich in dieser Zeit in der Musikszene, speziell im Indie-Rock verändert?
Paul: Das ist schwer zu beurteilen. Wir fühlen uns der Indie-Rock-Szene gar nicht so verbunden, obwohl unsere Musik ja hauptsächlich dort kategorisiert wird. Wir schauen sehr auf unsere eigene Musik, unsere Einflüsse und Entwicklungen und weniger auf die gesamte, riesige Szene. Objektiv lässt sich das schlecht sagen, nur eines ist sicher: Viele Bands, die ihr Debütalbum zur einer ähnlichen Zeit wie wir veröffentlicht haben, existieren heute nicht mehr. Das kann daran liegen, dass ihre Songs nicht so gut waren, sie sich untereinander nicht mehr verstanden haben oder sie Differenzen mit ihrem Label hatten.
Duncan: Wir waren immer unabhängig und haben getan, was wir wollten. Wir sind keiner Plattenfirma etwas schuldig, wir wollen einfach nur gute Musik machen und haben immer noch den gleichen Ehrgeiz wie zu unseren Anfängen. Wir möchten viele Leute erreichen und uns über unsere Musik emotional mit ihnen verbinden. Unsere Musik soll Emotionen transportieren und gleichzeitig melodisch und poppig sein.
Paul: Aber ich denke, unser eigener Stil hat sich in dieser Zeit auch verändert. Das neue Album hat viel mehr Funk-Einflüsse und mehr Groove, wir fühlen uns über die Zeit viel sicherer und zuversichtlicher. Viele Bands werden mit der Zeit müde, es interessiert sie nicht mehr, neue Seiten an sich zu entdecken. Wir wollen besser werden, an den geschehenen Dingen lernen, uns weiterentwickeln und eine neue Art von Musik machen.
Euer neues Album „Risk To Exist“ ist im April herausgekommen, wo kann es zwischen den Werken eurer Bandgeschichte eingeordnet werden?
Paul: Es fühlt sich komplett neu an, wir haben ganz frische Energie in das Album gesteckt. Wir haben sehr fokussiert gearbeitet. Eine Besonderheit ist auch, dass wir die Songs auf dem Album live eingespielt haben, und nicht jedes Instrument einzeln. Wir haben hinterher nicht mehr viel daran bearbeitet, sondern eine sehr echte CD gemacht. Die Musik fühlt sich frisch an und ist schwer mit den vorherigen Alben zu vergleichen, weil die Richtung einfach eine andere ist. In der Vergangenheit sind wir oft unseren Instinkten gefolgt, diesmal wussten wir früh, was wir wollen, und haben darauf hingearbeitet.
Duncan: Wir haben viel darüber gesprochen, welche Art von Album wir machen wollen und wovon die Texte handeln sollen. Wir möchten, dass die Songs musikalisch und textlich zusammenpassen. Gleichzeitig möchten wir neue Facetten an uns entdecken und dem Gesamtwerk, das wir über die Jahre veröffentlicht haben, noch einen neuen Aspekt hinzufügen.
Vor zehn Jahren habt ihr euren bekanntesten Song „Books From Boxes“ veröffentlicht. Wahrscheinlich habt ihr ihn seitdem auf fast jedem eurer Konzerte gespielt. Habt ihr manchmal genug von diesem Song?
Paul: Nicht von diesem Song! Manchmal lässt man alte Stücke, die man sehr oft gespielt hat, natürlich mal für eine Weile liegen. Natürlich hat jeder Besucher eigene Lieblingssongs und man wird es nie jedem recht machen können, da wir bei jedem Konzert eine Auswahl treffen müssen. Du versucht, immer die richtigen Entscheidungen zu treffen und dazu gehört auch, manche alte Stücke mal eine Zeit liegen zu lassen.
Duncan: Aber „Books From Boxes“ hat eine Evergreen-Qualität für uns, er fühlt sich überhaupt nicht alt an. Er fühlt sich einfach zeitlos an, das ist das Ziel, das du bei jeder Aufnahme erreichen möchtest. Viele neue Songs sind sehr politisch, aber sie lassen immer noch genug Spielraum, damit jeder etwas hineininterpretieren kann. Sie passen zu verschiedenen Situationen in der Vergangenheit und hoffentlich auch in der Zukunft. Natürlich singen wir auch über negative Dinge, die sich hoffentlich nicht noch einmal wiederholen.
In Großbritannien erlebt ihr gerade aufregende politische Zeiten, wie verarbeitet ihr die Umstände in eurem Songs?
Duncan: Wir machen sehr persönliche Musik, daher spiegeln sich die Zustände schon auch in unseren Songs wieder. Wir verdeutlichen unsere Emotionen in den Songs sehr deutlich. Wenn du dich um die politische Situation in deinem Land oder auch in der ganzen Welt sorgst, dann finden diese Sorgen natürlich in den Songs Einzug. Wir sind keine Band, die Fantasie-Songs schreibt, und diese schlimmen Zustände gänzlich überspringt. Wir thematisieren die Situation natürlich, beschreiben aber auch, dass es durchaus Gründe gibt, auch Hoffnung für die Zukunft zu haben. Viele junge Menschen sind politisch sehr engagiert und sogar viel fortschrittlicher als die ältere Generation. Es ist eine sehr interessante Zeit, zu schreiben.
Paul: Es sind sehr viele verschiedene Themen auf dem neuen Album. Man darf aber nicht zu offensichtlich denken, sondern muss genau hinschauen. Ein Aspekt, der uns zum Beispiel sehr beschäftigt, ist die Ungleichheit in der Gesellschaft. Das ist ein Thema, das unserer Meinung nach nicht genug thematisiert wird. Die politische Führung lenkt den Fokus eher auf andere Themen wie die Flüchtlingssituation in Europa, obwohl es speziell für England viel aktuellere Themen gibt und die wahren Probleme woanders liegen. Die Ungleichheit in der Gesellschaft ist ein sehr aktuelles Problem, und wird auf politischer Ebene nur von linksorientierten Personen und nicht von der Regierung thematisiert.
Duncan: Es ist doch einfach unfair – du bekommst keinen Job, wenn du nicht den richtigen Akzent hast, deine Jobbewerbung landet direkt im Müll, nur weil du aus der falschen Gegend in unserem Land kommst. Es werden eher Menschen mit wohlhabendem und angesehenen Hintergrund bevorzugt. Für uns ist das wichtig, denn das sind die Dinge, über die wir als Band nachdenken, also verpacken wir sie in Songs.
Sollte Musik generell gesellschaftskritischer sein?
Duncan: Viele Dinge haben sich stark verändert und es ist wichtig, eine Haltung zu haben. Die Gesellschaft ist gespalten und instabil, das geht jeden etwas an. Für uns sind das Dinge, über die wir unbedingt sprechen wollen. Es war mit unserer Musik immer verbunden, für uns ist das sehr wichtig! Es muss aber natürlich nicht für alle Musiker gelten. Es ist die freie Wahl der Künstler, und es gibt natürlich noch viele andere Themen, über die man singen kann. Man sollte es niemandem vorschreiben, es ist die Freiheit der Bands! Es ist auch völlig in Ordnung, andere Themen zu behandeln.
Paul: Jeder hat die freie Wahl! Aber für uns ist es unausweichlich, das ist nun mal die Art von Musik, die wir machen.
Lass uns für meine letzte Frage noch einmal über euer neues Album sprechen. Ihr habt es in Chicago live aufgenommen. Warum habt ihr euch dazu entschieden?
Paul: Wir sind große Fans der Arbeit von Tom Schick, sodass wir mit ihm als Produzenten unser neues Album aufgenommen haben. Technisch ist er einfach super und wir mögen die Alben, die er mit Wilco und Beck gemacht hat. Wir hatten dann die Möglichkeit, in Wilco´s Studio „The Loft“ in Chicago alles zu benutzen, die ganze Technik, alle Instrumente, wir konnten mit leeren Händen auftauchen. Es war eine große Freunde, ein großes Abenteuer.
Duncan: Chicago ist außerdem eine großartige und sehr musikalische Stadt. Es ist natürlich eine riesige Ehre, bei solch einer legendären Band im Studio aufzunehmen und deren Instrumente in den Händen zu halten. Da dort das Equipment, die Mikrofone, der Platz vorhaben war, wollten wir es schließlich unbedingt live machen. Als wir das alles gesehen haben, waren wir echt euphorisch. Wir wollten die besonderen Momente auf diese Art einfangen. Wir spielen schon so lange zusammen und verstehen uns einfach auf der Bühne, da fällt es natürlich viel leichter, auch ein Album live aufzunehmen. Es fühlt sich einfach dynamisch und kraftvoll an. Wir haben mit dem Equipment und mit verschiedenen Instrumenten viel experimentiert und ausprobiert. Die drei Wochen in Chicago waren eine großartige Erfahrung.
Eine Bilderserie zum Auftritt von Maximo Park auf dem Hurricane Festival findet ihr hier.
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