„Ein sehr ausgewogenes Verhältnis zum Leben gewonnen“ – Von Brücken im Interview

Den Abschluss unserer diesjährigen Interviews vom Hurricane Festival machen Nicholas Müller und Tobias Schmitz - gemeinsam sind sie Von Brücken.

Foto: Jörg Kröger

Bremen/Scheeßel. Nach dem krankheitsbedingten Ausstieg von Sänger Nicholas Müller bei Jupiter Jones und anschließender Gesundungsphase, hat er knapp zwei Jahre später ein neues Projekt gestartet. Gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Tobias Schmitz hat er Von Brücken gegründet, im Oktober 2015 ist das Debütalbum erschienen. Wir haben die beiden zum Interview getroffen.

Nicholas, Anfang 2014 bist du bei Jupiter Jones ausgestiegen, Ende 2015 ist das Debütalbum von „von Brücken“ erschienen. Wie hast du die Zeit dazwischen verbracht?

Nicholas: Mit Gesundung. Ich habe mich selbst gesund werden lassen. Das brauchte Zeit. Außerdem habe ich viel Zeit mit meiner Tochter verbracht und viele Stunden dafür verwandt, darüber nachzudenken, was ich eigentlich machen will. Dann bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich gerne mit Tobi zusammen Musik machen möchte. Gesund werden ist tatsächlich eine harte Aufgabe, da bleibt nicht viel Zeit für andere Dinge.

Gemeinsam habt ihr die Band „von Brücken“ gegründet. Wie kam es dazu?

Tobi: Bevor wir überhaupt über eine Band diskutiert oder geredet haben, wurde erstmal Musik geschrieben. Dabei ist relativ schnell der Song „Gold gegen Blei“ entstanden. In den letzten Jahren haben wir beide ja schon viel zusammen auf Bühnen gestanden. Daher war klar, es wird irgendwie funktionieren. Doch ob dabei wirklich gute Songs herauskommen, war nicht planbar. Das ist aber relativ schnell passiert und wir haben uns dazu entschlossen, das Projekt weiter zu verfolgen und eine Band zu gründen.

Wie ist der Kontakt zu deiner ehemaligen Band?

Nicholas: Wenn man zwölf oder dreizehn Jahre in einer Band gespielt hat, entstehen sehr ehe- und beziehungsähnliche Konstrukte. Macht dann jemand Schluss, aus welchen Gründen auch immer, ist es meistens gut, wenn man sich ein bisschen in Ruhe lässt. In dieser Phase sind wir gerade. Im Moment ist es für alle Beteiligten wichtig, ihr eigenes Ding zu machen und damit glücklich zu werden. Aber ich wüsste nicht, warum wir uns nicht irgendwann einfach mal treffen und zusammen ein Bier trinken sollten.

Ist es nicht ein komisches Gefühl, wenn jemand anders deine Lieder mit deinen persönlichen Texten singt?

Nicholas: Nein, es ist gar kein merkwürdiges Gefühl, denn ich mag den neuen Sänger sehr und schätze ihn unheimlich. Ich hätte es total traurig gefunden, wäre die Band vor die Hunde gegangen und hätte sich auflösen müssen. Klar, bei den alten Stücken habe ich die Texte und vielfach auch die Musik geschrieben. Mir bedeuten die Songs viel und ich bin froh, dass sie immer noch auf die Bühne getragen werden.

Als ich euer Album zum ersten Mal gehört habe, war ich überrascht, da viele ruhige Songs dabei sind und der Klavieranteil recht hoch ist. Warum habt ihr euch mehr für Pop- als Rockmusik entschieden?

Tobi: Die meisten Stücke fangen als Idee am Klavier an, bevor andere Instrumente dazukommen. Dann bleibt das Klavier als Element natürlich oft bis zum Schluss erhalten. Das ganze Album ist auf dem Weg entstanden, ohne Fahrplan. Laute und rockige Nummern sind natürlich auch drauf, aber nicht weil sie geplant, sondern da sie aus einer Laune heraus entstanden sind. Das Album ist ein total natürliches Gewächs.

Wie unterscheidet sich die Arbeit bei von Brücken zu der Arbeit bei euren vorherigen musikalischen Stationen?

Nicholas: Für mich liegt der Unterschied hauptsächlich im Songwriting. Wir sind zusammen in einem Raum, aber Tobi schreibt Musik und ich die Texte. Ein ganz natürlicher Prozess. Wir schmeißen uns gegenseitig unsere Ideen hin und her, jammen aber nicht im herkömmlichen Sinne, sondern mit Klavier und Stift und Papier. Mit meiner vorherigen Band haben wir beim Songwriting gemeinsam im Proberaum gesessen und jeder hat eingebracht, was ihm gerade spontan eingefallen ist. Oder aber wir haben uns auf Distanz gegenseitig Demos zugeschickt.

Tobi: Ich schreibe jetzt zum ersten Mal für ein eigenes Projekt und nicht für andere Künstler. Ich habe das Gefühl, die Ergebnisse stehen auch für das, was ich persönlich gerne machen würde. Früher habe ich mir natürlich auch Mühe gegeben, doch am Ende immer auf jemanden zugeschreiben. Diesmal haben wir beide etwas gefunden, mit dem wir uns zu Hause fühlen.

Nicholas, deine Texte stechen qualitativ in der deutschen Musikszene klar hervor. Wie schwer ist es für dich, Texte auf Papier zu bringen?

Nicholas: Das ist eine Frage der Tagesform und des Textes. Es gibt Tage, da habe ich einen Gedanken, schreibe dazu etwas auf und schon ist der Text da. Es funktioniert einfach. Dann gibt es wiederum die für Tobi weniger leichten Tage, da brüte ich, verfalle in einen leichten Autismus und bin eigentlich auch nicht mehr ansprechbar. Dann sitze ich gefühlt acht Stunden an zwei Sätzen und es will einfach nicht raus. Fürchterlich, man möchte sich die Haut vom Gesicht ziehen vor lauter Ärger. Ich nutze also keine bestimmte Strategie.

Textlich geht es viel um Zwischenmenschlichkeit. Hast du durch deine Erkrankung eine andere Sicht auf die Dinge gewonnen?

Nicholas: Ich habe keine gänzlich neue, aber schon eine andere Sicht auf Menschen bekommen. Da ich ja auch grob zur Spezies Mensch gehöre, habe ich mich in dieser Zeit selber sehr gut kennengelernt. Das liegt in der Natur der Sache wenn man versucht, das zu reparieren, was in einem kaputtgegangen ist. Außerdem haben sich Prioritäten verschoben. Viele Dinge, die früher sehr wichtig waren, sind jetzt nach hinten gewichen. Dafür sind einige Sachen, denen ich vorher kaum Beachtung geschenkt haben, jetzt von Bedeutung. Ich habe ein sehr ausgewogenes Verhältnis zum Leben und an Zufriedenheit gewonnen. Das wird auch auf der nächsten Platte zu hören sein. Da gibt es wenig Spiel zwischen totalem Abgrund und großer Zufriedenheit.

Also seid ihr schon fleißig dabei, neues Material zu schreiben?

Tobi: Wir haben uns schon einige Male getroffen und es geht voran. Es sind noch nicht besonders viele Songs da, aber der Wille ist auf jeden Fall vorhanden.

Ihr habt ein Album veröffentlicht, eine Tour gespielt und seid bei einigen Festivals aufgetreten. Wie geht es danach für euch weiter?

Tobi: Wir gehen jetzt wieder ins Songwriting. Im Herbst wird es weitere Konzerte geben, vermutlich aber nicht in der vollen achtköpfigen Bandbesetzung. Es wird wohl keine zusammenhängende Tour unter einem Titel geben, in jedem Fall aber Auftritte, denn wir wollen natürlich weiterspielen!

Kennt ihr eine junge, unbekannte Band, die ihr für förderungswürdig haltet und unseren Lesern empfehlen möchtet?

Nicholas: Van Holzen! Eine fantastische Band! Zudem fallen mir noch Blackout Problems aus München ein, ebenfalls eine hervorragende Band!

Tobias: Ich halte mal die Fahne der Eifel noch. Elastiq haben zwar noch nicht so weitläufig gespielt, sind aber sehr talentiert. Ich glaube, in den nächsten Jahren könnte es was werden.

 


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