Rausch und Klarheit – Mia Gatow, Goldmann 2024

Mia Gatow lebt als freie Autorin und Designerin in Berlin. Sie schreibt für den Tagesspiegel, Cosmopolitan, Playboy, das GYM Magazin, verschiedene Corporate-Blogs und Werbeagenturen und illustriert für Mode- und Lifestylepublikationen. Zusammen mit Mika Döring moderiert sie wöchentlich den SodaKlub - Podcast für Unabhängigkeit. Sie ist seit sieben Jahren nüchtern und hat darüber ein Buch geschrieben.

Wer das Buch „Rausch und Klarheit“ zur Hand nimmt und den Klappentext liest, kann es danach nicht einfach weglegen.

„Nüchtern kommst du zu dir. Was du findest, ist nicht unbedingt, was du dir erhofft hast, aber du bekommst die Wahrheit. Das nackte Leben. Und du kannst ab sofort keine Pause mehr nehmen, nicht von deinen Gedanken und nicht von deinen Gefühlen. Nüchtern hast Du keine andere Wahl, als nonstop bei dir zu bleiben und dir selbst beim Du-selbst-Sein zuzusehen. Du musst alles fühlen, was du dir selbst antust, musst alles hören, was du dir selbst erzählst, musst alles bezahlen, was du dir selbst verkaufen willst, es gibt keinen Aus-Knopf mehr, keine Ablenkung, keine Betäubung, keinen Umweg. Nur dich und dich und dich allein.“

Autsch. 39 Jahre ist Mia Gatow alt und ist seit sieben Jahren nüchtern. Sie hat ein Buch über Sehnsucht, Liebe, Abhängigkeit, Zärtlichkeit, dem Hunger nach Leben und den Drang, sich selbst zu fühlen, geschrieben. Alkohol gehörte dazu. Verstärkte die Dramen, untermalte den Soundtrack des Lebens, ließ sie vergessen, dass sie ihre eigenen Regeln brach. Alkohol, der sie in wenigen Momenten stark machte, und in vielen, vielen Momenten schwach.

Mia arbeitet in einer Berliner Bar, hat eine toxische Beziehung zu einem wesentlich älteren Mann und besten Zugang zum Alkohol. Sie fühlt sich rebellisch, künstlerisch, hat Affären und lässt nichts anbrennen. Das Leben liegt vor ihr. Sie ist jung und naiv und erfährt schmerzhaft, was das Großstadtleben und die Liebe nach und nach mit ihr macht. Der stetige (Liebes-)Kummer lässt sie nicht los und der Alkohol auch nicht. Die Narben bleiben und auch der Kopfschmerz und der schale Geschmack am Morgen danach. Sie erfindet eigene Alkoholregeln, an die sie sich aber dann doch nicht hält. Schlussendlich schweben über Mia graue Wolken, die sich nicht verziehen wollen. Sie spürt, dass es der Alkohol ist und beschließt, zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen. Dadurch werden die Liebe und die Beziehungen zu anderen Menschen nicht einfacher – das Leben ist brutal real – aber vor allem endlich klar.

Am Ende dieses Buches steht die radikale These: Nüchtern werden ist ein rebellischer Akt. Ja, das kann definitiv so gesehen werden. Es ist vor allem mutig, dass sie sich -sich selbst- in den Weg gestellt hat. Denn das ist das Schwierigste überhaupt: der Sucht Einhalt zu gebieten und sich selbst aufzuhalten und dann aushalten zu können.

Stark, wer das schafft.

 


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