Dolf Hermannstädter – Warum dauert es so lange, bis es besser wird? Hardcore, Punk, Evolution, Ventil Verlag 2020

Fanzineherausgeber, Bremer und Ur-Punk Dolf Hermannstädter hat seine letzten Kolumnen in einem Band zusammengestellt. Für ein besseres Leben, für uns alle.

Wer sich die letzten knapp 75 Ausgaben des TRUST Fanzines wegen der Kolumne von Dolf Hermannstädter gekauft hat, guckt nun echt doof aus der Wäsche. Denn nach der Sammlung „Got me?“, in der die ersten knapp 125 Kolumnen zu finden sind (acht Stück fehlen, gibt Dolf nun zur Auskunft), folgt nun mit „Warum dauert es so lange, bis es besser wird“ Band 2, eben ab der Nr. 126 bis zur (fast) letzten TRUST Ausgabe mit der 200en Kolumne.

Das Fanzine, für die, die es echt nicht kennen, was im allgemeinen Online-Wahn mittlerweile durchaus vorkommen kann, wurde von Dolf und ein paar anderen Mitte der 80’er Jahre in Süddeutschland gegründet und kann somit als eins der ältesten existierenden Fanzines weltweit gelten. Themenschwerpunkte waren seit jeher und sind natürlich Punk, Hardcore, Subkultur, Humanismus und Auseinandersetzungen über das richtige Leben, wenn es so was überhaupt gibt. Zumindest sollte jeder Mensch versuchen, so bewusst, wie es geht zu leben. Das gilt insbesondere für hiesige Breitengrade.

Von diesen Themen handeln dann grob Dolfs Kolumnen, die traditionell jede Ausgabe des TRUST eröffnen. Im Grunde lassen sich fast alle Texte in drei Hauptthematiken ableiten, von denen Dolf zwar immer mal wieder abschweift, aber eben auch immer wieder darauf zurückkommt.

Erstens: Die Blickrichtung ändern und vermeidliche Gegebenheiten hinterfragen. Finanzkrise? = Systemkrise! Putensterben wegen Vogelgrippe? Wären die nicht eh geschlachtet worden? Sind E-Autos wirklich die Lösung oder Teil des Problems? Individualverkehr gehört abgeschafft!

Zweitens: Konsum, Marketing und Wert eines Gegenstandes! Was benötigt der Mensch zum Leben. Das sind keine Elektroartikel oder Markenkleidung. Gold und Edelsteine sind wertlos, weil nichts damit angefangen werden kann. Nur die Menschen geben den Metallen einen Wert. Auf niemanden hat es einen Lebenseinfluss, wenn die Börse an einem Tag X Punkte verliert.

Drittens: Verhalten in seiner Umwelt und anderen Menschen gegenüber.

In dieser Thematik bewegen sich ein Großteil der Texte und offerieren einen neuen Blickwinkel auf das große Ganze. Vor allem die älteren Einträge wirken kämpferisch und beinhalten aufgeladene Begriffe. Da wird von moderner Sklavenarbeit geschrieben oder ist vieles einfach „scheiße“. Aber circa der Nummer 160 ist etwas passiert. Ab diesem Zeitpunkt werden Dolfs Texte reflektierter, ausgewogener, vielleicht an manchen Stellen auch resignierter. Darauf wird der Buchtitel wohl auch anspielen, es dauert eben einfach schon alles viel zu lange und nichts wird besser.

Ich muss zugeben, anfangs war ich skeptisch, ob mir so viele Texte in einem ähnlichen Format und Stil auf einem Mal nicht zu viel des Guten ist. Aber gerade diese Fülle an Kolumnen hintereinander weggelesen, legen erst den Blick auf Dolfs Gedankenwelt. Jedenfalls viel mehr, als es bei einer zweimonatigen Lektüre der Fall sein kann.

Und da am Ende eines jeden guten Textes die Moral kommt, zitiere ich kurz Dolf:

„Vegetarische Ernährung, atheistisch, fair, ehrlich (denen gegenüber, die es verdienen), kritikfähig, bewusster bzw. kein Konsum, wiederbenutzen bzw. wiederverwerten, Autos vermeiden, Rad fahren, Leute nicht nach ihrer Herkunft, ihrer „Rasse“, ihres Geschlechts oder gar ihres Aussehens beurteilen, sondern an ihren Handlungen/Denkweisen, Umweltschutz, einen eigenen Geschmack habe und bei allem den Spaß nicht vergessen.“

Wenn sich mehr Menschen daranhalten würden, müssten wir nicht mehr so lange warten, bis es besser wird. Helfen kann dieses Buch, wer da immer mal wieder reinließt und sich an diese Dinge erinnert, kann es schaffen.

 


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