„Die Figuren führen mich einfach irgendwo hin.“ – David Safier im Interview

Am 27. November bringt David Safier den Roman "Die Ballade von Max und Amelie" heraus. Im Vorfeld hat er mit uns über sein neuestes Werk und das Leben als Schriftsteller und Drehbuchautor gesprochen.

Safiers Hund "Max" war eine Inspiration für "Die Ballade von Max und Amelie".

Bremen. Er ist gebürtiger Bremer und einer der erfolgreichsten deutschen Autoren. David Safier ist bekannt für seine lustigen Romane, die zum Beispiel von reinkarnierten Menschen oder sprechenden Kühen handeln. Optisch springen einem die Werke Safiers schnell ins Auge, sie sind knallgelb und mit lustigen Illustrationen versehen. Nächste Woche erscheint der neue Roman „Die Ballade von Max und Amelie“, der mit einem untypischen Design schon andeutet, dass er anders ist als die bisherigen Werke. Wir haben uns mit David Safier getroffen und unter anderem über sein neues Buch gesprochen.

Ende des Monats bringst du deinen neuen Roman „Die Ballade von Max und Amelie“ heraus. Was unterscheidet dieses Buch von deinen bisherigen Werken?

„Die Ballade von Max und Amelie“ ist ausnahmsweise mal kein lustiger Roman, sondern ein hochdramatisches Liebes-Abenteuer. Die älteren der HB-People-Leser kennen vielleicht das Buch „Unten am Fluss“ von Richard Adams, welches in den 70er Jahren ein gigantischer Erfolg war und in drei Monaten sogar auf Netflix als Serie zu sehen sein wird. Dieses Buch hat mich in jungen Jahren stark beeinflusst. Es ist eine große Tierparabel und war eine kleine Inspiration für „Die Ballade von Max und Amelie“. Die Protagonisten sind zwei sehr unterschiedliche Hunde, die sich ineinander verlieben, ein großes Abenteuer erleben und dabei auch einen bösen Verfolger haben. Es gibt auch eine starke Mythologie im Hintergrund. Wer also auf Liebe, Abenteuer und Romantik steht, aber auch einen mythologischen Einschlag haben möchte – etwas, was ganz anders ist als alle anderen Bücher auf dem Büchertisch – für den ist es genau das Richtige.

Wie lange hast du jetzt an dem Buch gearbeitet?

Es gibt eine Bruttozeit, die beträgt nun zwei Jahre. Da ich in dieser Zeit aber auch an Kinofilmen gearbeitet habe, liegt die Nettozeit – wie bei fast allen meinen Romanen – bei ungefähr zehn Monaten.

Im Gegensatz zu den meisten Angestellten, kannst du als Künstler deinen Arbeitstag selbst gestalten. Wie sieht eine Woche bei dir aus, wenn du an einem Roman arbeitest?

Vergleichsweise auch geregelt. Ich bin sehr diszipliniert, was die Arbeit betrifft. Der einzige Unterschied ist vermutlich, dass ich etwas später aufstehe als andere Leute. Funktionieren kann ich früh morgens zwar schon, aber ich bin definitiv nicht dazu in der Lage, vor halb zehn konzentriert Texte zu verfassen. Ich arbeite aber lange am Schreibtisch und denke auch noch beim Spazierengehen, beim Abendessen und vor dem Einschlafen weiter über die Geschichten nach. Deshalb ist es auch so schwierig, eine Nettoarbeitszeit zu deklarieren. Also die reine Schreibzeit beträgt sechs Stunden, aber es geht halt immer weiter. Das mache ich von Montag bis Freitag und am Wochenende muss ich dann manchmal auch noch andere Sachen machen – E-Mails beantworten, Buchhaltung, Steuer und so weiter.

Hast du immer von Anfang an eine schlüssige Handlung im Kopf oder kommt das erst mit dem Schreiben?

Als ich am Anfang meiner Karriere Drehbücher fürs Fernsehen geschrieben habe, habe ich Dinge wie die Wendepunkte vorher ganz genau geplant. Mittlerweile mache ich das anders. Ich habe eine grobe Ahnung, wer die Figuren sind und was das Grundkonzept ist. Die genaue Handlung habe ich dann aber noch nicht im Kopf. Stephen King hat mal gesagt „Wenn ich überrascht bin, was die Figuren tun, dann ist es wahrscheinlich, dass es der Leser auch ist.“. Und so geht es mir auch. Die Figuren führen mich einfach irgendwo hin. Es gibt Punkte, es gibt Wendungen, es gibt Sachen, von denen man vorher dachte, dass sie passieren werden und dann passieren sie doch nicht, sondern etwas ganz anderes. Andererseits habe ich aber auch das Handwerk gelernt. Ich weiß, wie eine Geschichte gebaut wird, deshalb kann ich freier arbeiten. Ich sage es mal so: Wenn du Free Jazz machst, musst du die Noten trotzdem alle kennen und dein Instrument beherrschen können. Und so ist das auch beim Schreiben. Ich weiß, wie eine Geschichte grundsätzlich aufgebaut ist und dann schreibe ich einfach drauf los.

Du hast in einem Interview gesagt, dass du nicht gerade gläubig bist. Warum spielen die verschiedenen Religionen in deinen Romanen trotzdem so eine große Rolle?

Die Themen, mit denen sich die Religionen befassen, sind ja trotzdem universell. Zum Beispiel die Frage, wie wir Menschen zusammenleben wollen oder die Frage, was nach dem Tod kommt. Diese Themen gehen jeden etwas an und beschäftigen mich persönlich auch sehr.

Welche Funktion hat bzw. sollte Literatur deiner Auffassung nach in der heutigen Welt haben?

Ich finde, Geschichten sollten den Menschen ihr positives Potenzial zeigen. Sie sollten auch immer eine moralische Grundhandlung haben, denn die Geschichten, die wir uns erzählen, beeinflussen uns als Gesellschaft. Und das höchstwahrscheinlich sogar noch mehr als Religionen es tun. Nehmen wir mal den amerikanischen Präsidenten als Beispiel, der sich selbst in den Mittelpunkt stellt und ständig sagt „es ist richtig, immer dem anderen eins in die Fresse zu hauen“ und „man kann nicht gemeinsam gewinnen, einer muss immer verlieren“. Das ist etwas, was sich viele Amerikaner erzählen und das spiegelt sich auch in anderen Geschichten wider. Das finde ich falsch.

Mit „Jesus liebt mich“ und „Happy Family“ wurden bereits zwei deiner Romane verfilmt. Was ist das für ein Gefühl, seine Geschichten als Film umgesetzt zu sehen?

Ich habe ja auch schon vorher viele Drehbücher geschrieben, insofern hatte ich damit schon gewisse Erfahrungen. Bei einer Verfilmung kommen noch die Fantasien der anderen kreativen Köpfe dazu – Regisseur, Kamera, Schauspieler, Kostüme und so weiter. Dann kann das manchmal ganz toll sein, das ist sozusagen Magie, weil die Leute das besser gemacht haben als du dir das ausgedacht hast. Es gibt aber auch den anderen Fall, dass man denkt „Ach du Scheiße“ und dann muss man zu sich selbst sagen „ist ja nur ein Film“, das gehört eben dazu. Das sind Chance und Risiko, die man damit nun mal eingeht. Bei kreativen Projekten ist die Möglichkeit des Scheiterns immer drin. Dementsprechend habe ich schon alles erlebt, von „Ach du Scheiße“ bis „Wahnsinn, das ist schön, dass es jemand besser gemacht hat, als ich mir das ausgedacht habe.“.

Du bist sowohl Buch- als auch Drehbuchautor. Worin liegt für dich der Vorteil in einem Buch, worin in einem Film?

Beim Roman arbeiten immer zwei Fantasien zusammen, meine und die des Lesers. Ich probiere also, mit meinen Worten Bilder im Kopf des Lesers zu erzeugen. Bei einem Film hingegen sehen alle Zuschauer auf der Leinwand das Gleiche. Der Nachteil bei einem Film ist, dass viel mehr Leute mitreden, das kann sehr anstrengend sein. Es besteht auch ein viel höherer finanzieller Druck. Verschiedene Leute investieren insgesamt fünf bis zehn Millionen Euro in den Film, um ein Vielfaches damit zu verdienen. Wenn ein Film gedreht wird, dann läuft die Maschine und kann nicht mehr angehalten werden. Dafür ist es die etwas einfachere und weniger einsame Arbeit. Generell schreibe ich aber lieber an Romanen, weil bei Drehbüchern vieles aus unterschiedlichen Gründen nicht zustande kommt.

Du bist in Bremen geboren und hast dein ganzes Leben hier verbracht. Hast du als Künstler nie darüber nachgedacht, woanders hinzuziehen?

Es gab für mich glücklicherweise nie einen Grund dafür, wegzuziehen. Ich habe hier immer arbeiten können. Außerdem bleibe ich gerne in vertrauter Umgebung. Ich bin kein Mensch, der sagt „ich muss noch da hin und da muss ich noch das pulsierende Leben sehen“, ich habe einfach kein Fernweh und ich hatte auch nie das Gefühl, ich müsste in einer größeren Stadt leben. Es gab also keinen äußeren Grund und innerlich hatte ich auch nie einen Antrieb. Ich fahre noch nicht mal gerne in den Urlaub.

„Die Ballade von Max und Amelie“ erscheint am 27.11.2018 im rowohlt Verlag und kann auf der Homepage des Verlages vorbestellt werden.

 


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