Zehn Jahre Natur, Musik und Freundschaft
Idyllisch, entspannt und tanzbar war die Jubiläums-Ausgabe von Rocken am Brocken Ende Juli im Harz.

Elend bei Sorge. Das Rocken am Brocken Festival ist einfach schön und ideal, um drei Tage einfach abzutauchen und fernab des Alltagsstresses eine großartige Zeit zu haben. Auch die Ausgabe zum zehnten Geburtstag des Festivals war mit rund 4500 Besuchern, über 100 freiwilligen Helfern, über 80 Bands, Singer-Songwritern und DJs, einem tollen Organisations-Team sowie der großartigen, gemütlichen und freundschaftlichen Atmosphäre in allen Punkten ein Fest! Von Donnerstag bis Samstag wurde Ende Juli mitten im Nationalpark Harz zu etablierten Headlinern und musikalischen Geheimtipps getanzt, bei verschiedenen DJs gefeiert, mit Freunden auf dem Zeltplatz getrunken oder einfach im Heuballen relaxed.
Der Donnerstag
Die Hinweisschilder am rechten Straßenrand lassen uns die Höhenmeter zählen, während wir die teilweise steilen und kurvigen Wege hinauf zum Fuße des Brockens fahren. Mit überschaubarer PS-Anzahl, zwei Personen und jeder Menge Gepäck eine Herausforderung. Eine Umleitung führt uns gut 30 Minuten durch den Nationalpark – da wir genug Zeit eingeplant haben, ist dies sogar eine wahre Bereicherung. Angekommen am Festivalgelände, fühlt man sich als Besucher sofort wohl und willkommen. Man campt auf einer Wiese in der puren Natur, umgeben von imposanten Wäldern, plätschernden Bächen und einer vorbeidüsenden Dampflock, die gelegentlich freundlich hupt.
Wir machen einen kleinen Gang über das Gelände und stellen fest, dass sich die Veranstalter wieder sehr viel Mühe gegeben haben und mit ganz viel Liebe zum Detail geschraubt, geschmückt und gestaltet haben. Neben Brockenbühne und Zirkuszelt gibt es wieder den Zauberwald und die Hexenhütte mit Maskottchen Mutombo für feine elektronische Klänge bis in die frühen Morgenstunden. Dazwischen stehen Sofas, Fotoboxen und aus Holz und Stöcken gebastelte Waldtiere. Premiere feiert in diesem Jahr das Klangnest, das Singer-Songwritern eine Plattform bietet und mit wunderschöner und aufwändiger Holzdekoration errichtet wurde.
Musikalisch beginnt der Tag unmittelbar nach der Öffnung des Konzertgeländes mit Odeville. Die Nordlichter spielen zuerst nur vor einer Handvoll Zuschauer, doch mit dem ersten Besucherstrom auf das Gelände, füllt sich auch der Bereich vor der Bühne recht schnell. Dort gibt es Songs des aktuellen Albums „Phoenix“ zu hören. Die Melodien und Texte von „Lichtblick“, „Kinder der Stadt“, „Leuchtreklamenpoesie“ und weiteren Stücken bleiben im Ohr und in Erinnerung. Ein erfrischender Auftakt! Nebenan auf der Brockenbühne machen Meute weiter mit Techno und House auf Blasinstrumenten. Unglaublich, wie man mit natürlichen Instrumenten so einen fetten und tanzbaren Sound erzeugen kann. Mit elf Mann auf der Bühne gibt es viel zu Bestaunen und schnell siegt der Bewegungsdrang am frühen Abend.
Nächster Act auf der Hauptbühne ist Sophie Hunger, die mit ihrer Mischung aus Folk, Jazz und Elektro sehr viele Besucher berührt und verzaubert, ebenso viele sind von dem mehrsprachigen und musikalisch ruhigen Gegenpol aber auch schnell genervt oder bleiben gleich auf dem Campingplatz. Geschmackssache, so ist das eben! Gleich viel lauter und schneller wurde es bei The Smith Street Band aus Australien, die das ganze Zirkuszelt zum Tanzen und Springen bringen. Einflüsse à la Frank Turner sind schnell erkennbar. Erster Headliner beim Festival sind direkt danach Kakkmaddafakka aus Norwegen. Die Indie-Rocker haben richtig Spaß auf der Bühne, der sich schnell auf die Besucher überträgt. Bei einem kühlen Bier oder einem leckeren Jägermeister wird schon am ersten Tag getanzt und gefeiert. Nach dem Konzert geht dies noch drei Stunden so weiter, denn traditionell legt DJ !Mauf Indie-Klassiker auf, wobei ein Augenmerk auf aktuellen und vergangenen Acts aus der zehnjährigen Geschichte von Rocken am Brocken liegen. Ein bewegungsintensiver, stimmiger Abschluss, der erst im Morgengrauen sein Ende findet.
Der Freitag
Für die Frühaufsteher, die auch im Gebirge den Sand zwischen den Zehen spüren möchten, findet ab 11 Uhr das Volleyballturnier im Waldbad in Elend statt. Generell gibt es im Freibad neben der Möglichkeit, die heiß getanzten Körper zu erfrischen während des Festivals auch verschiedene sportliche Angebote.
Wer an diesem Vormittag erst später verkatert aus seinem Zelt gekrochen ist, muss sich nicht darum sorgen, schon etwas verpasst zu haben. Das musikalische Programm beginnt erst um 16 Uhr mit Brett aus Hamburg. Der Name ist Programm, die vier Jungs haben mächtig Bock und liefern ordentlich und laut ab. Gerade haben sie noch beim Deichbrand gespielt und ihre erste EP veröffentlicht, die eine beeindruckende Kostprobe der Musik abgibt. Schön, dass solche jungen Bands am Brocken eine Plattform bekommen. Wir freuen uns, den Weg der Band weiter zu verfolgen.
Natürlich dürfen auch Bremer Lokalmatadoren auf dem Festival nicht fehlen. So spielen The Secnd im Jägerzirkus und bringen damit das mit feiernden Menschen bereits jetzt super gefüllte Zirkuszelt zum Tanzen. Schnell überträgt sich die Spielfreude auf das Publikum, das munter und laut mitsingt. Ein Ohrwurm: „Nananananana, this party sucks…“. Am Auftritt dagegen nervt garantiert gar nichts! Noch eine Nummer größer sind Razz, die Brocken-Dauerbrenner im Line-Up. Die Crowd wird auch im vierten Jahr in Folge kontinuierlich größer, die Qualität der Auftritte tatsächlich noch besser, auch wenn sich nach so vielen Konzerten und Festivals eine kleine Routine eingestellt hat. Für viele beim Festival sind Razz die heimlichen Headliner.
Die angenehmste Überraschung am ganzen Wochenende war der grandiose Auftritt von Giant Rooks am frühen Abend. Die blutjunge Band aus Hamm hat es drauf, ein ganzes Festival für einen Moment zu verzaubern, um es direkt danach zum Staunen und Tanzen zu bringen. Der experimentelle Art-Pop erfindet sich in jeden Song neu, dabei sticht das aufregend gute Songwriting und die markante Stimme hervor. Stark! Richtig stark!
Geschmackssache ist die Hip-Hop-Crew Antilopen Gang, die als musikalischer Ausreißer deutschen Rap auf dem Festival vertritt. Vor L´aupaire spielt anschließend die Singer-Songwriterin Antje Schomaker einige Songs und bietet einen Vorgeschmack zum Auftritt im Klangnest einen Tag später. L´aupaire verzückt im Anschluss mit seiner verträumten Art. Fast parallel spielt Redaktionsliebling John Allen im Klangnest einen energiegeladenen und improvisationsstarken Auftritt. Dabei lässt er sich auch vom einsetzenden Regen nicht abhalten.
Der zweite Headliner Friska Viljor überzeugt mit tanzbarem Indie-Rock und einer unglaublich ausgelassenen Stimmung. Dabei ist schnell erkennbar, dass nicht nur das Festivalpublikum, sondern auch die Band richtig Bock hat. Nochmal laut und rockig wird es bei Blackout Problems im Jägerzirkus. Kaum ist die Bühne betreten, geht es für den Sänger erstmal in den Graben direkt zum springenden Publikum. Ein Crowdsurfer nach dem nächsten wird auf den Armen der euphorisierten Besucher getragen. Ganz klar zum Brocken-Inventar gehören Schluck den Druck, der zur Geisterstunde die Bühne betreten. Es sind bekannte Hymnen… „Schoko Schokolade“, „Rave ist Karate“, „Im Rausch mit Freunden“ – gewohnte Zeilen und elektrolastige Musik bilden die perfekte Grundlade für eine lange, durchzechte Nacht.
Der Samstag
Der letzte Festivaltag im Harz verspricht erneut ein tolles und abwechslungsreiches Programm. Der Akustikpfad führt von einem Ranger geleitet durch den Nationalpark und stoppt an verschiedenen Stationen, bei denen Singer-Songwriter auftreten. Ein Konzert findet sogar in der kleinsten Holzkirche Deutschlands im Ort statt. Wer noch sportlicher als mit dieser fast vierstündigen Wanderung in den Tag starten möchte, für den ist das Fußballturnier am Waldbad genau das Richtige. Alle anderen können bei bestem Festivalwetter ausschlafen.
Vor zunächst überschaubarem Publikum beginnen Waves of Joy aus Hamburg als erste Band des Tages. Trotz früher Stunde ist der Auftritt und die Musik aber richtig fesselnd, sodass es rasch voller wird. Starke Songstrukturen und tighte Gitarrenläufe bleiben als erstes in Erinnerung, die anschließend gekaufte EP überzeugt ebenfalls. Toller Auftritt, gute und förderungswürdige Band!
Das weitere musikalische Programm bestreiten Nosoyo, B6BBO und Bombay, bevor Kapelle Petra die Bühne betreten und mit ihrer ganz eigenen, humorvollen Art rocken und unterhalten. Von Kytes bleibt im Anschluss nur elektronischer Indie-Pop aus der Ferne, denn genau zur Auftrittszeit findet unser Interview mit Von Wegen Lisbeth statt. Kompromisslose deutsche Rockmusik liefern Heisskalt aus der Nähe von Stuttgart 75 Minuten lang auf der Brockenbühne. Punk- und Progressive-Einflüsse runden den fetten Sound ab, textlich ist die Band kryptisch und schwer greifbar. Präsentiert werden die energiegebündelten Songs der beiden Alben „Vom Stehen und Fallen“ sowie dem aktuellen Werk „Vom Wissen und Wollen“.
Ein weiteres Festivalhighlight ist der Auftritt von Von Wegen Lisbeth. Im Zelt ist blitzschnell eine unglaublich ausgelassene Atmosphäre und extrem warme, verschwitzte Luft. Die Besucher toben, springen, singen mit, feiern und bringen selbst die Band zum Staunen. Gespielt werden hauptsächlich Songs des Debütalbums „Grande“ – eine Name, mit dem sich auch der Auftritt kaum treffender bezeichnen lässt. Am letzten Abend spielen außerdem noch The Notwist und The/Das bevor The Subways als Jubliäumsheadliner einen stimmungsvollen und perfekten Festivalabschluss liefern. Das beste Ende eines großartigen Festivals.
Was soll man noch sagen? Es war einfach schön! Mehr Urlaub und Erholung als irgendetwas anderes. Idyllisch und trotzdem mit viel Feierlaune ausgestattet. Springwut meets Nationalpark. Bei Rocken am Brocken spielen neben etablierten Namen auch hoffnungsvolle Newcomer, an die man sich in Jahren zurückerinnern wird, wenn sie die großen Hallen rocken. Beispiel gefällig? Kraftklub, Madsen, Jennifer Rostock, Olli Schulz und AnnenMayKantereit sind nur einige der Namen, die früh in ihrer Karriere hier aufgetreten sind. Es bleibt abzuwarten, wer die nächsten dieser Bands sind. Eins ist aber sicher: Rocken am Brocken hat sie schon vorher gekannt!
Unser Dank geht an die Veranstalter und an das Orga-Team, die erneut ein fantastisches und einzigartiges Festival auf die Beine gestellt haben. Es war uns ein Fest! Wir sehen uns in 2017!
Hier findet ihr unsere Bilder vom Festival sowie eine eigene Serie vom Akustikpfad.
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