Von Regentänzen und Pandabären: Rocken am Brocken 2019

Am vergangenen Wochenende fand zum 13. Mal das Rocken am Brocken Festival in Elend bei Sorge im Harz statt. Trotz zeitweiligen Regenschauern feierten 5000 Festivalbesucher bis tief in die Nacht.

Rocken am Brocken 2019 (c) lorenz

Elend/Sorge. Endlich ist es wieder soweit. Es ist Donnerstag geworden, die Sachen sind gepackt, auf geht’s in Richtung Harz. Noch trennen uns und eins der schönsten Festivals Deutschlands eine dreieinhalbstündige Fahrt, los jetzt. Im Harz angekommen sieht man bereits andere Anreisende – einige mit dem Zug, andere sind mit dem eigenen Auto angekommen und folgen den Einweisern auf dem Parkplatz neben dem Camping-Gelände. Die ersten Zelte stehen bereits. Das Regen-Radar sagt wir sollen uns lieber mit dem Zeltaufbau sputen. Wenige Minuten später ist es vollbracht, Parkplatz gefunden, das Zelt steht, das erste Bier ist offen. Was folgt sind drei Tage fernab jeglicher Internetverbindung und eher sporadischem Telefonempfang inmitten des Nationalparks Harz mit uriger Brockenbahnanbindung inmitten von Grün. Aber soll Digital Detox nicht der letzte Schrei sein? Bitte, gibt’s hier kostenlos zum 3-Tages-Ticket dazu. Diese waren bereits vor dem Festival alle vergriffen und das Rocken am Brocken Team durfte stolz erneut ausverkauft vermelden. Tagestickets gibt es jedoch auch noch.

Kurz bevor sich die Tore öffnen, wagen wir vorab einen Streifzug über das Gelände. Baumhohe Pfähle mit überdimensionalen Lampenschirmen ragen in den Himmel und werden abends für passende Beleuchtung sorgen, auch große Blüten sind zu einem Arrangement aufgebaut, die ebenfalls nachts beleuchtet sein werden. Auch der Rasselbock ist dabei, ein aus Heu gefertigter Hase mit Hörnern. Liebevoll gestaltete Wegweiser zeigen an, wo man Hunger, Durst und Merch-Verlangen stillen kann, überall erkennt man die Liebe zum Detail. Wie auch schon im letzten Jahr gibt es Mülltrennung, sodass bereits aus dem Festivalgelände und auf dem Campinggelände Müll „artgerecht“ getrennt werden kann. Festivalbesucher erhalten in diesem Jahr ebenfalls zwei Müllbeutel (Restmüll und Gelber Sack) zu ihrer Pfandmarke. Ein Konzept, das aufgeht, denn der grüne Gedanke spielt in den letzten Jahren eine immer größere Rolle (nicht nur) im Festivalbereich. Ein Trend, den man gerne unterstützt.

Um 17:30 Uhr startet mit Barns Courtney aus England das Rocken am Brocken 2019. Ein lässiger Endzwanziger in knallroter Lederjacke, sonst freiem Oberkörper und knallenger Skinny-Jeans fegt über die Brockenbühne, die größte Bühne des Festivals. Mit seinem britischen Folkpop füllt er eine Stunde Spielzeit und liefert einen sehr passablen Auftakt für das Brocken-Publikum. Der Startschuss ist also gefallen, nach und nach finden immer mehr Festivalbesucher den Weg auf das grüne Areal. Das Gelände besteht aus insgesamt vier Bühnen: Der Brockenbühne, dem Jägerzirkus, einem ausgedienten Zirkuszelt, das im Verlauf des Festivals noch dem einen oder anderen Schutz vor dem Regen gewähren wird, dem Zauberwald mit einem riesigen hölzernen Wolfskopf als Bühne, eingezäunt von haushohen Tannen, auf dessen Pfaden Techno- und Elektrofreunde ihren Spaß haben werden und zuletzt der Hexenhütte, die, von Holzverschlägen eingekesselt, den perfekten Ort für allerlei musikalische Erlebnisse und einer ausgedehnten Poetry Slam Session am Samstag bietet.

Um 19:15 Uhr steht mit Bonaparte einer der diesjährigen Headliner auf der Bühne. Kennt man ihre wilden ausufernden Bühnenshows von vorangegangenen Festival-Shows, lernt man dieses Jahr eine andere aber nicht weniger partyfreudige Seite des Kollektivs kennen. Keine Kostüme, keine Kunst-Performances, getreu dem Motto weniger ist manchmal mehr. Mit insgesamt drei Künstlern werden Bonaparte-Hits wie „Anti Anti“, „Who Took The Pill?“ oder „White Noize“ performt. Das Publikum rastet trotzdem aus, feiert die alten genauso wie die neuen Songs und gibt über eine Stunde Vollgas bei abendlicher Sonne.

Um halb zehn steht dann einer der Co-Headliner des Festivals auf der Brockenbühne. Bereits vor Konzertbeginn haben sich zahlreiche Fans vor der Bühne versammelt, um ihre Lieblingsband aus nächster Nähe zu sehen. Haben die Giant Rooks bereits vor zwei Jahren den Jägerzirkus gesprengt, spielen sie dieses Jahr (zu Recht) auf der größten Bühne des Festivals. Immer noch spricht man bei den Giant Rooks von Newcomern, guckt man sich ihre mittlerweile europaweiten Konzert-Erfolge an, ist jedoch schnell klar, dass sie kein Geheimnis mehr sind, sondern überall gefeiert werden. Zu ihren großen Erfolgen zählt eine ausverkaufte Tour in England und all das, ohne bisher ihr Debutalbum veröffentlicht zu haben. Bei dem jüngeren Publikum spielt bestimmt auch das smarte Auftreten der Jungs eine große Rolle. Worauf sich am Ende dann doch alle einigen können, ist ihre frische Indierock-Musik mit instrumentalen Einflüssen. Über eine Stunde bespielen sie die Menge, die mal ruhig, mal ekstatisch tanzt. Selbst Moshpits bilden sich und das Publikum wird im wahrsten Sinne des Wortes durcheinandergewirbelt. Mindestens genauso euphorisch tanzt und springt Sänger Fred über die Bühne. Die Jungs freuen sich sichtlich über den Zuspruch des Publikums und bedanken sich herzlich als sie nach 75 Minuten die Bühne verlassen.

Eine Stunde nach den Giant Rooks betreten Querbeat die Rockenbühne. Die 13köfpfige Band aus Bonn schafft es die Partymeute endgültig loszulösen. Auch, wenn nicht allen der Name des Headliners im Vorfeld ein Begriff war, rocken sie mit ihrem Partybrass die Bühne. Bereits während der Auftritte von den Giant Rooks und Querbeat hört man wummernde Bässe aus dem nahgelegenen Zauberwald. Elektronische Töne laden die Besucher ein loszulassen und sich gänzlich den Klängen hinzugeben. Direkt im Anschluss an das Konzert von Querbeat legt DJ !Mauf im Jägerzirkus auf. Der DJ mit dem selbst diagnostizierten „Indie-Problem“ legt nicht nur wahre Klassiker des Indiepop und -rock auf, sondern fetzt selbst über die kleine Bühne als gäbe es kein Morgen mehr. Mal pustet er Seifenblasen ins Publikum, dann spielt er Luftgitarre und auch sein treuer Roboter-Begleiter Emiglio bekommt Aufmerksamkeit. Volle drei Stunden Set sind dem Publikum vom Rocken am Brocken gegönnt. Songs von Kate Nash, Leoniden, Portugal. The Man und Vampire Weekend reihen sich lückenlos aneinander und begeistern das Brocken-Publikum. Zwischenzeitlich wird ein kleiner Abstecher zu dem zweiten Party-Highlight des Abends gemacht: Die Hitgiganten legen ab 2 Uhr morgens in der Hexenhütte auf und verwandeln diesen in einen Kessel Buntes. Trash trifft Pop-Klassiker, bei dem kein Bein still bleibt. Ein schöner Abschluss für den ersten Tag.

Nach einer kurzen, kalten Nacht im Zelt, weckt einen die Sonne gegen 8 Uhr mit gleißender Hitze im Zelt. Kaum auszuhalten, Zeit aufzustehen, erstmal durchatmen. Während einige die Reise in das unweit gelegene Waldbad in Elend antreten, brauchen wieder andere erstmal einen Kaffee, um wach zu werden. Doch bereits gegen Mittag erwartet die Festivalbesucher die erste Abkühlung. Regenwolken hängen über dem Harz, wer kann, flüchtet sich ins Zelt oder (noch besser) ins Auto. Anlage an, so kann Party eben auch gehen. Nach ersten Bedenken kann das Festival jedoch wie geplant seine Pforten am zweiten Tag öffnen und startet mit Haión um 15 Uhr mit einer wahnsinnig fesselnden Band im Jägerzirkus. Die fünfköpfige Band verbindet Dubstep-Elemente mit Elektrosounds und Gesang. Hätte das 45minütige Set bestimmt auch Anklang zu späterer Stunde gefunden, beweisen Haión, dass sie auch dem frühen Slot gewachsen sind und schnell neue Fans gefunden haben. (Tipp: Diesen Freitag, 9. August 2019 spielt die Band um 20 Uhr beim SoummerSounds Festival in den Bremer Neustadtswallanlagen).

Direkt im Anschluss und unter erneuten Regenschauern tritt Alli Neumann auf der Rockenbühne auf. Zur Entschädigung gibt es erstmal Weißweinschorle für die ersten Reihen. Mit ihren frechen deutschen Popsongs rüttelt sie die deutsche Musikszene seit einiger Zeit auf und findet rasend neue Fans. Diesen Sommer kommt kaum ein Festival ohne einen Auftritt der jungen Hamburgerin aus. Auch sie spielt bald wieder in Bremen: Am 16. August 2019 spielt sie auf dem Horn to be Wild Festival im Rhododendron Park in Bremen.

Vom frechen deutschen Pop zu kratzigem Rock-Sound von Hi! Spencer rüber in das Zelt. Die Jungs aus Osnabrück spielen ein solides 45minütiges Set und begeistern die Fans. Gegen frühen Abend und erneuten Regenschauern betreten drei maskierte Rapper die Hauptbühne, die in letzter Zeit aus dem Untergrund an die Oberfläche des Deutschen Polit-Raps aufgetaucht sind und mit ihren aussagekräftigen, gezielten Texten großen Anklang bei Musikinteressierten finden. Die Rede ist von Waving the Guns vom Hamburger Label Audiolith Records. Zusammen mit DJ Loaf begeistern sie die grölenden kopfnickenden Rap-Fans.

Den krönenden Abschluss auf der Brockenbühne bilden die Leoniden aus Kiel um 23:45 Uhr. Auch sie spielten bereits 2017 auf dem Rocken am Brocken Festival. Genau wie die Giant Rooks haben sie zunächst den Jägerzirkus verzaubert, bevor sie nun mit 75 Minuten Spielzeit die Fans vor der Hauptbühne begeistern dürfen. Wer die junge Band um Sänger Jakob kennt, weiß, dass sie die Musik und Live-Auftritte mindestens genauso lieben wie ihre Fans. Ausuferndes Hüpfen, Springen und Gitarre schleudern steht auf der Bühne auf dem Programm. Vor der Bühne reihen sich Moshpits und Crowdsurfen hintereinander ein. An dieser Stelle muss man der Security ein riesiges Lob aussprechen. Das ganze Wochenende motivieren sie die Besucher im Jägerzirkus und vor der Hauptbühne zu tanzen, klatschen und mitzumachen. Die Crowdsurfer werden sicher aufgefangen und wieder zu Boden gelassen. Generell haben die Jungs und Mädels gute Laune und sind auch im Regen immer für einen Spaß zu haben. Auch den Leoniden fällt das auf und schicken lobende Worte von der Bühne. Ein rundum gelungener Auftritt.

Nach einer erneut kalten Nacht und hitzigem Empfang der Sonne in den Morgenstunden wartet ein besonderes Highlight auf die frühen Vögel des Festivals. Jedes Jahr findet mit dem Akustikpfad, für den im Vorfeld Tickets neben dem regulären Festivalticket erworben werden können, ein musikalischer Spaziergang durch den Harz statt. Eine Mischung aus Natur und Musik an den unterschiedlichsten Orten. Alles unverstärkt und akustisch, wie es der Name vermuten lässt. Spielorte sind unter anderem eine kleine Holzkirche oder Felsvorsprünge inmitten der Natur. Gut drei Stunden wird durch das Naturschutzgebiet gewandert und drei verschiedenen Künstlern gewidmet.

Pünktlich zu Beginn des letzten Festivaltages haben sich dann wieder alle auf dem Gelände eingefunden und tanzen zu den angenehmen Klängen von Sparkling, einer dreiköpfigen Band aus Köln. Bereits 40 Minuten später gibt es lautere Punkrock-Musik im Zelt. Maffai ist eine junge Band aus Nürnberg und Würzburg und haben kürzlich ebenfalls beim Hamburger Label Audiolith Records unterschrieben. Am 30. Oktober geben sie übrigens in Bremen-Debut im Horner Eck im Bemer Viertel. Im Anschluss spielt Pish auf der Rockenbühne. War er zuletzt mit seiner Band Kakkmaddafakka auf dem Festival, spielt er dieses Jahr eine Solo-Show. Doch leider verhindert seine Gute-Laune-Musik nicht, dass es am Nachmittag erneut zu Regenschauern kommt.

Bereits im Vorfeld hört man Gutes über die Band, die zur Primetime im Jägerzirkus auftreten soll. Der Himmel hat sich aufgeklart, also schnell ins Zelt zu The Holy aus Finnland. Die sechsköpfige Rock-Kombo erinnert beim ersten Reinnhören entfernt an den Sound der Editors und überzeugt die Besucher. Im Anschluss geht es rockig weiter: Welshly Arms aus Cleveland, Ohio kennt man mindestens aus einer lokalen Bier-Werbung, es lohnt sich aber ihnen darüber hinaus Gehör zu schenken. Ihr Sound kommt gut bei dem Rocken am Brocken Publikum an, was nicht nur an Sänger Sam Getz liegt, sondern auch an den beiden Backgroundsängern Jon und Bri Bryant, die ordentlich Gas geben und mindestens genauso präsent sind, wie Frontmann Sam.

Kurz vor Mitternacht betreten endlich Frittenbude die Bühne und bilden den Abschluss auf der Hauptbühne. Eine gute Wahl, was die Besucher bezeugen, indem sie lauthals zu alten, wie neuen Songs (u.a. Hildegard, Pandabär, Kanister, Mindestens in 1000 Jahren) mitsingen und tanzen. Mehr als eine Stunde powern Frittenbude durch die Nacht, lassen eine „Wall of Love“ bilden (umarmen statt rempeln) und befeuern mit klaren politischen Statements gegen Rechts die Masse. Wer nach Frittenbude noch nicht genug hat, kann noch auf den drei anderen Bühnen bis 4 Uhr nachts weiterfeiern, bis das Rocken am Brocken 2019 endgültig sein Ende findet.

Zusammenfassend haben wir drei Tage in zufriedene, glückliche Gesichter auf beiden Seiten geschaut. Die Bands haben sich dank tollem Einsatz der freiwilligen Helfer wohl gefühlt, das Publikum hat eine dreitägige Party gefeiert und auch die Helfer waren glücklich. Wieder einmal hat sich der Einsatz von rund 150 freiwilligen Helfern gelohnt und das Festival auch im 13. Jahr zu einem Highlight im Festival-Kalender gemacht. Nicht zuletzt aufgrund seiner überschaubaren Größe und familiären Atmosphäre inmitten des Harzes.

Wer sich Tickets für das kommende Jahr sichern möchte, sollte schnell sein. Seit Vorverkaufsstart am Sonntagabend um 20 Uhr sind bereits die ersten beiden Preisstufen ausverkauft. Das 14. Rocken am Brocken Festival findet vom 30.07.bis 01.08.2020 statt. 3-Tages-Tickets und Akustikpfad-Tickets bekommt ihr direkt unter https://tickets.brocken.rocks/

 

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