Schwitzende Kapuzenpulliträger
Turbostaat präsentieren "Abalonia" im proppevollen Kulturzentrum Lagerhaus in Bremen

Bremen. Die Bühne ist in rot gefärbten Nebel getaucht. Das Intro summt vor sich hin. BÄM. Flackerlicht. Die Blitze des Stroboskops setzen ein. Dann die Gitarren. Da stehen sie. Die Flensburger Jungs. Das Bremer Lagerhaus ist voll. Proppenvoll. Schwitzende Kapuzenpulliträger unter sich. Und auf der Bühne: Keine Ansagen, kein Geplänkel. Musik bitte. Turbostaat.
Vorne in der Front reckt Sänger Jan Windmeier das Mikrophon fast senkrecht vor den Mund Richtung angedeuteten Pit. Sein Ellenbogen nach rechts ausgefahren, die Faust umklammert das Mikro. Er ruft, er singt, er schreit die Texte dem Publikum entgegen. 400 Besucher sind da. Ausverkauft.
Die Bühne ist immer wieder in eine neue Farbe getaucht. Los geht es mit „Ruperts Grün“, „Der Zeuge“ und „Der Frosch hat‘s versaut“. „Haubentaucherwelpen“ kommt schon als vierter Song. Alter. Auch wenn der ein oder andere denkt: „Zu früh“. Und weiter: „Ich bin so müde vom Schlafen und glücklich vom Heulen. Und Galle wütet weiter in meinem Bauch. Vielleicht gibt es ja zur Bratwurst noch Backpfeifensalat, Ihr Arschgeigen“, singt Windmeier in „Die Arschgesichter“.
Mit InEars im Ohr wird auf jeden Takt und Ton geachtet. Die neuen Songs vom Album „Abalonia“ sind ruhiger, poppiger. Die Rauheit, die Grobheit fehlt etwas. Lange Bassläufe bestimmen die neuen Stücke. Unklare und geheimnisvolle Texte stecken dahinter. Die Songs sind schwerer, rauschender und tragender. Ist das noch Punkrock? Oder dem Konzept geschuldet? Denn ja, „Abalonia“ ist ein Konzept-Album, das Live anders wirkt, als die schnelleren, raueren und härteren alten Songs.
Im Gold- schwarzen Gegenlicht, bei viel Nebel und Glühbirnen von Ikea stehen die Musiker um Sänger Windmeier und Texter und Gitarrist Marten Ebsen auf der Bühne. In seinen Texte beschreibt Ebsen aktuell ein düsteres, morbides Grundgefühl. Tod als Metapher für Niedergang, Hoffnungslosigkeit, Ausweglosigkeit. Abstrakt, indirekt zeichnet Songwriter Ebsen ein kritisches Gesellschaftsbild,
Hinterfragt sich hier eine Punkband? Suchen sie nach Neuem? Ja! Turbostaat bewegen sich, verändern sich. Aber gerade deswegen dürfen an diesem Abend auch die alten Songs nicht fehlen: „Das Island Manöver“, „Pennen bei Glufke“ oder „Sohnemann Heinz“ stehen selbstverständlich in der Setlist. Klar auch, dass es Zugaben gibt. Fünf Songs: „Harm Rochel“, „Phobos Grunt“, „Vormann Leiss“, „Monstermutter“ und „Schwan“.
Das Fazit: Großartiges, teilweise berauschendes Konzert, das aber nicht mehr an die alten Turbostaat-Konzerte in Bremen wie damals im Zucker oder in besetzten Häusern erinnert. Eigentlich bräuchte die Band mal eine Bühne wie den Schlachthof.
Und die Vorband? Selbst leider nicht gesehen, da sie pünktlich um 20 Uhr starten. Ihr Name: Terra Flop. Sie hören sich an als kommen sie aus einem englischsprachigen Land, singen englisch, sind aber aus Deutschland. Besser gesagt, sie sind aus Bremen und setzen sich zusammen aus Bremer Musiklegenden, die früher zum Beispiel bei Party Diktator oder Saprize spielten! Wobei sie musikalisch deutlich an Party Diktator anknüpfen. Sie klingen wie Sleaford Mods nur eben in Punkrock, meint ein Besucher. Punkrock der eher klassischen Schule.
Setliste Turbostaat
- Ruperts Grün
- Der Zeuge
- Der Frosch hat’s versaut
- Haubentaucherwelpen
- Drei Ecken – ein Elvers
- Tut es doch weh
- Die Arschgesichter
- Fraukes Ende
- Wolter
- Die Tricks der Verlierer
- Das Island Manöver
- Bossbax
- Sohnemann Heinz
- Eisenmann
- Es fehlte was im 2ten Karton
- Pennen bei Glufke
- Insel
- Alles bleibt konfus
- Abalonia
Zugaben
- Harm Rochel
- Phobos Grunt
- Vormann Leiss
- Monstermutter
- Schwan
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