Phantom Bay – S/T, Krod Records
Phantom Bay gründeten sich knapp vor der Pandemie und legen nun ein Debütalbum vor, welches aufhorchen lässt und frischen Wind in den Punkrock bringt.

Es gibt sie tatsächlich noch, diese freudige Überraschung, wenn einem plötzlich eine Band vor die Füße fällt, die alles vereint, was selber an Musik gemocht wird. In diesem Fall hat die Bremer Punk-/Emoband Phantom Bay dieses kleine Wunder vollbracht. Der Dreier kann es schaffen ausgerechnet einem Genre so was wie neues Leben einzuhauchen, das ansonsten vor Konservatismus nur so strotzt. Mal ehrlich, welche Band soll Punkrock denn heutzutage noch neu erfinden? Viel zu viele „alte“ Bands ruhen sich auf ihre Lorbeeren der Jugend aus und junge Bands versuchen allzu häufig ihren Helden nachzueifern. All das findet sich auf dem Album von Phantom Bay (zum Glück) nicht.
Im Grunde geht es nur darum, Nuancen dieser Musikrichtung hinzuzufügen. Das ist sehr schwer, denn einerseits muss eine Band auf bereits bestehende musikalische Bausteine zurückgreifen darf andererseits (oder sollte zumindest nicht) kopieren, sondern etwas Neues kreieren. Phantom Bay bilden dabei wieder mal den Beweis, dass Punkrock eine eher jugendliche Musikrichtung ist (oder sein sollte). Denn nur in der Jugend besteht diese gewisse Unbekümmertheit und eben auch eine gesunde Portion Wut zwischen aufbegehren und Verzweiflung. Im Alter lässt das zwangsweise nach, was nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss (musikalisch gesehen), aber stürmisch ist es irgendwann eben nicht mehr, geht auch nicht anders. Aber das ist ungemein wichtig im Punkrock. Und eine gute Portion Euphorie, selbst wenn es lyrisch eher nachdenklich zugeht, gehört einfach dazu. All das bietet Phantom Bay und wirkt dabei in keiner Sekund aufgesetzt, was leider ebenfalls viel zu häufig im modernen Punkrock vorkommt.
Was soll ich sagen? Phantom Bay haben haargenau die richtige Mischung gefunden, die es bedarf, um so richtig mitreißend zu sein. Das Ganze haben die drei Herren in sagenhaften vier Wochenenden aufgenommen. Die Band existiert sowieso erst seit dem Jahr 2020, also seit dem Coronaausbruch. Viele Möglichkeiten zu proben und live zu spielen, sich überhaupt einzuspielen, gab es sicherlich nicht. Umso erstaunlicher ist es, welche hohes Melodieverständnis die elf Songs des Debüts mitbringen, ohne dabei an der nötigen Härte zu verlieren, die diese Form von Musik unbedingt braucht. Dazu gesellen sich einige Disharmonien, die sich wunderbar in den Gesamtsound einfügen. Der Gesang, mal gepresst, mal rau, mal gebrüllt passt sich der jeweiligen musikalischen Ausprägung des Songs, mal geht es mehr Richtung Emocore, mal eher rauer Punkrock und hin und wieder gibt es Hardcoreausbrüche an. Immer mit genau der richtigen Mischung, zwischen Verzweiflung und Hoffnung pendelnd. In der Mitte des Albums gibt es eine kurze Unterbrechung in Form eines sanften Stückes, mit gesprochenen deutschen Sätzen (ansonsten wird auf Englisch) getextet. Weitestgehend wird in der Songstruktur auf ein herkömmliches Strophe/Refrain-Muster zugunsten einer durchlaufenden Geschichte verzichtet. Das trägt maßgeblich zur Dringlichkeit bei und setzt ein gutes Erzähltempo.
Auf unnötige Gitarrensolos wird in den Songs verzichtet, aber nicht auf diese geilen Emopickings, die manchmal das Tempo etwas rausnehmen, nur damit es die Hardcorewelle im Anschluss über alles erneut zusammenbricht. Dabei durchbricht kein Song die drei Minuten Marke (bis auf das letzte Stück), auch befinden sich auf dem Album kaum merkbare Pausen zwischen den Stücken, es geht Schlag auf Schlag und es befindet sich kein einziger Ausfall auf dem Debüt. Nachdem das Ding einmal in knapp 25 Minuten durchgelaufen ist und mit einem sanftem Picking und im hintergrundgedrückten Getrommel endet, beginnt es (zumindest bei mir) gleich von vorne.
Das Intro ist noch kurz und instrumental gehalten. Einfach eine düster angeschlagene Gitarre, schleppende Drums, ein kurzes gezupfe, ein tiefer Bass, Feedback, hier ist schon alles zu erahnen, was gleich folgen soll. Und genauso kommt es auch und trotzdem ist da diese Überraschung über die inperfekte Perfektion, so möchte ich es nennen. „Trempling Word“ brettert mit einem harten Schlagzeug nach vorne, es wird heiser der Frust aus der Seele geschrien. Das wirkt weder aufgesetzt noch übertrieben, sondern wahrhaftig und echt, ohne eine Spur von Selbstmitleid, nur aufrichtige Wut. „Deep End“ spielt kurz mit alter NYC Hardcore-Rhythmik, ohne den Fehler zu begehen, sich nur darauf zu verlassen, diesen Teil so perfekt zu spielen, dass nichts anderes folgen muss, es folgt natürlich ein Wechsel. Das ist die wahnsinnige Stärke dieses, ich wiederhole es an dieser Stelle gerne noch mal, Debütalbum!
Die Mitglieder der Band sind zwar keine unbekannten Gesichter in der alternativen Musikszene: Michael Hanser war Sänger und Gitarrist der Band New Native, Schlagzeuger Yannic Arens spielte ehemals bei der Band The Deadnotes und Laurin Rutgers ist Gitarrist der Freiburger Band Casually Dressed. Trotzdem scheinen sich hier drei Menschen gefunden zu haben, die die gleiche Idee und das Verständnis von emotionaler, harter und gleichzeitig melodischer (Punk)Musik haben.
Solange es noch solche Bands wie Phantom Bay gibt, ist Punkrock weder „Dad“ noch „dead“, sondern so was von „alive“. Vielleicht jetzt noch ein Geheimtipp, aber auf alle Fälle ein Tipp, ne Moment: ein TIPP! So ist es richtig.
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