Oase der Entspannung und Euphorie

In wunderschöner Atmosphäre hat das Forest Jump Festival in der Nähe von Salzwedel Ende August eine intensive und besondere Zeit mit starken Live-Konzerten geboten.

Mayberg

Salzwedel. Bereits zum elften Mal fand gegen Ende der Open-Air-Saison eines der am liebevollsten gestalteten Festivals statt, das wir überhaupt jemals kennenlernen durften. Das Forest Jump ist seit jeher ein „Safe Space“ für die Utopie einer Gesellschaft, der wunderschöne „Zauberwald“ die Kulisse für zwei ganz besondere Tage. Das abgelegene Waldstück in Sachsen-Anhalt war für ein Wochenende Schauplatz für geschmackvoll ausgewählte Live-Musik, Energie auf und vor den Bühnen und ein besonders schönes, mühevoll und detailreich aufgebautes Gelände.

Nach zwei Jahren vor dem kleinen Waldstück und neben dem Campingplatz, rückt die große Bühne wieder mittig zwischen die Bäume. Von der separaten Bühne nur für die Elektro-Sets haben sich die Organisator*innen wieder getrennt, alles findet nun inmitten des Waldes unter der großen, angestrahlten, sich drehenden Discokugel statt. Das ist dichter, intensiver, komprimierter. Die Besucher*innen des seit dem zweiten Festivaltag ausverkauften Events stehen so von Bäumen umkreist, und durch die zur Discokugel führenden Lichterketten über ihren Köpfen wirkt es wie ein in sich geschlossener Raum – ein Ort, an dem nachts gefeiert und getanzt wird, bis in der Ferne über den Feldern wieder die Sonne aufgeht.

Auf dem wunderschönen und mühevoll gestalteten Gelände gibt es in jeder Ecke etwas zu entdecken. Zwischen die Bäume ist ein riesiges Netz gespannt, das zum Ausruhen einlädt. Weitere Rückzugsorte zum Entspannen sind Sofas, kleine plätschernde Wasserkonstruktionen oder ein in Seilen in den Bäumen hängendes Trampolin mit Tipi-Dach. Wer lieber sportliche Aktivitäten mag, kommt bei der Boulderwand oder den Slacklines von „90 Grad“ auf seine Kosten. Aktiv ist es ebenfalls im belaufbaren Hamsterrad oder auf den Schaukeln, die in große Holzaufbauten gespannt sind. Vom Aussichtsturm aus Holz führt eine steile Rutsche hinab, es gibt einen Tischkicker, eine Tischtennisplatte, Dartscheibe sowie kleine Minigolfbahnen auf einer sich langsam drehenden Holzkonstruktion.

Besondere Lichtelemente lassen das Gelände vor allem bei Dunkelheit magisch erstrahlen. Die gesamte Licht- und Farbgebung mit vielen Lichterketten erzeugt eine Stimmung des Zusammenhalts. Eine drehende Litfaßsäule mit Glitzerfolie zeigt die Line-Ups der vergangenen zehn Festivalausgaben in alphabetischer Reihenfolge. Auch die Theke und die „Frittenbude“ als Verpflegungsmöglichkeit sind aus Holz selbstgebaut. Gut besucht ist der Siebdruckstand daneben und Aktionsstände einiger Organisationen runden das Gesamtbild ab.

Nach elektronischen Klängen zum entspannten Auftakt ins Bühnenprogramm, startet mit Federhall eine Band aus der Landeshauptstadt Magdeburg, die im NDW-Sound mit 80er-Synthesizern, kratzigen Surfgitarren und deutschsprachigen Texten zu verorten ist. Eine bittersüße Melange aus Post-Punk, New Wave und düsterem Pop bringen Lyschko mit, deren Gitarrist Lukas Korn schon letztes Jahr mit Mia Morgan auf dem Forest Jump gespielt hat und der den Gesangspart von Drangsal in „Fremd“ übernimmt. Rotzigen, dreckigen Punkrock der besten Sorte gibt es vom weiblichen Trio 24/7 Diva Heaven, während es sich an einem lauen Sommerabend zwischen den Bäumen langsam füllt und somit noch stimmungsvoller wird.

Mayberg zieht mit seiner spielstarken Band ein junges, begeistertes Publikum an, das textsicher laut mitsingt und so eine ausgelassene Atmosphäre schafft. Der Sänger mit der rauen Stimme und seine spielfreudige, dreiköpfige Band haben über eine Stunde Programm dabei, werden gefeiert und wirken dabei höflich, bescheiden und realistisch. Einen zumindest musikalischen Kontrast gibt es ab Mitternacht mit Apsilon und seiner Rap- und Hip-Hop-Performance mit eindringlichen Texten. Anschließend können die Besucher*innen auf der Tanzfläche im Zauberwald zu zwei DJ-Sets noch stundenlang weiterfeiern und bis weit nach Sonnenaufgang tanzen.

Nachdem bis um fünf Uhr morgens elektronische Klänge auf der Bühne liefen, ertönt dieser Sound bereits ab der Mittagszeit wieder. Bis zur ersten Band um 16:30 Uhr können die Gäste aufstehen, in den Tag starten, im Camp chillen und die verschiedenen Möglichkeiten auf dem Gelände nutzen. Die junge Rapperin Queenwho aus Bremen steht mit ihren Songs für Black Empowerment, Feminismus und Black Culture. Mola liefert einige Vorboten ihres kommenden Debütalbums „Das Leben ist schön“, einen besonderen Vibe haben ihr Indie-Moshpit und das ausgelassene „Wenn du springst“, das vom Publikum gerne als Aufforderung verstanden wird. Schmutziger wird es bei der Deutsch-Punk-Gruppe Akne Kid Joe, die erst mit nüchternem Oasis-Backdrop und dann mit krachenden Klängen auffällt. Leider ist vorzeitig Schluss, es spricht sich herum, dass Schlagzeuger René Illig sich während des Konzerts den Finger gebrochen hat und deshalb nicht weiterspielen konnte.

Dilla sorgt mit ihrer Live-Band für beste Festivalstimmung. Auf schnellen Beats vereint sie Pop, Indie, Punk und Funk und experimentiert gelegentlich mit Techno-Elementen. Das zündet, der Funke springt sofort auf die Fans über. Ihren bekanntesten Hit „Photosynthese“ spielt sie in einer rockigen Version kurz an, in der „richtigen“ Version folgt er in der Zugabe – die Band tanzt dazu und Dilla macht Fotos und Videos mit Handys aus dem Publikum. Nur ganz selten darf eine Band zweimal auf dem Forest Jump Festival spielen, heute ist es soweit. Nachdem es 2017 einer ihrer allerersten Festivalauftritte überhaupt war, dürften Pabst heute mit dem Repertoire von drei Studioalben erneut ran – und zeigen mit jeder Sekunde, warum sie es sich verdient haben. Energische und intensive Rockmusik, krachend und packend, zwischen Garage, Grunge und Stoner. Zum krönenden Abschluss geht es für den Bassisten Tilman Kettner trotz Kabel am Instrument mitten in den springenden Moshpit. Wer danach immer noch Kraft hat, kann erneut bin in die Morgenstunden vor der Bühne tanzen – erst zu Indie-Disko, danach wird es elektronischer.

Mit einem Frühstück auf dem Campingplatz endet für viele am Sonntagmorgen der diesjährige Festivalsommer nach einem wunderbaren Wochenende zum Entspannen, Feiern, Abschalten und Seele baumeln lassen. Im Forest Jump Festival steckt so viele Mühe, Arbeit und Liebe – es ist eine eigene, kleine, besondere Welt. Ein ganz persönliches Festival, das seine Bands nicht in Wellen, sondern einzeln bestätigt, bei dem man sich aber zu 100% darauf verlassen kann, dass jeder Act ein Treffer ist. Wir freuen uns schon jetzt auf ein Wiedersehen im nächsten Sommer!

Seht euch hier unsere Festivalbilder an:


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