Der Freitag beim Hurricane Festival: Comebacks und Wiedersehensfreude

Einige der besten Acts der deutschsprachigen Musikszene geben sich am ersten großen Hurricane-Tag das Mikro in die Hand, bevor mit Billy Talent eine der beliebtesten Festivalbands auf der größten Bühne begeistert.

Kraftklub, Foto: Jörg Kröger

Scheeßel. Eine dichte Staubwolke liegt über den Eichenring – und das bedeutet Mitte Juni keine Sport-, sondern eine der größten Musikveranstaltungen des Landes in Scheeßel. Zehntausende Festivalfans hatten nach der Warm-Up-Party am Donnerstag die Auswahl aus fast 25 Konzerten auf vier Bühnen. Wir waren bei einigen Auftritten dabei und haben viele Eindrücke aufgeschnappt. Texte von Florian Weyers (flo) und Marcel Kloth (mak).

15:00 Uhr: #HurricaneSwimTeam auf der Forest Stage: „Das Büffet ist eröffnet“ heißt es in der Ansage zu Beginn, bevor das SwimTeam standesgemäß das Festival auf der Forest Stage offiziell eröffnen darf. Es folgen 30 Minuten Songs, die mit neuen Texten versehen werden, zuerst „Blitzkrieg Bop“ von den Ramones. Das im Regenjahr 2016 entstandene Projekt aus Musikern aus dem Umfeld des Veranstalters spielt ebenso über die Jahre zu Klassikern gereifte, eigene Songs wie „Lass uns scheeßeln gehen“, das hier viele mitsingen können. (mak)

15:30 Uhr: Dylan auf der River Stage: Die zweitgrößte Bühne wird eröffnet von der britische Pop-Sängerin Dylan, die bürgerlich Natasha Woods heißt. Die 23-jährige versprüht sommerliche Vibes, während ganz leichter Nieselregel den staubigen Boden etwas begehbarer macht. Dies sollte sich aber nur als ganz kurze Momentaufnahme herausstellen. Im Verlauf des halbstündigen Konzerts kommt die Sonne schnell raus und rundet das Setting somit perfekt ab. (mak)

16:00 Uhr: Deaf Havana auf der Mountain Stage: Schon früh im Verlauf des Festivals haben wir jetzt jede Bühne einmal besucht. Die Mountain Stage mit dem britischen Alternative-Rock-Quartett Deaf Havana wird ganz bewusst angesteuert – und der Auftritt hält, was er verspricht. Die Band um zwei Brüder bietet rockige Klänge und ausgeprägte Riffs auf klare Melodien und weiß die Bühne voll für sich einzunehmen. Und auch die reduzierte Duo-Version kommt in der Mitte des Sets gut an. (mak)

16:00 Uhr: Sondaschule auf der Forest Stage gleiten in die guten Zeiten. Bei leichter Bewölkung und einzelnen Regentropfen spielen sie nach nun 21 Jahren das erste Mal im Hauptprogramm des Hurricane auf einer der gr0ßen Bühnen. Der leichte Regen tut der Laune der Besucher*innen keinen Abbruch. Ihre letzte Botschaft für uns, dass sie die Zeit ihres Lebens haben und stimmen „The Time of my Life“ an. (flo)

16:30 Uhr: Gayle auf der River Stage: Rockiger als gedacht ist der Auftritt der 19-jährigen Amerikanerin, die schon letztes Jahr am Freitag um diese Zeit auf dieser Bühne spielen sollte, krankheitsbedingt aber erst jetzt dazu kommt. Mit Schlagzeug und zwei Girarren performt sie ihre Pop-Rock-Songs und als Highlight den Hit „abcdefu“, der Ende 2021 praktisch auf ganzen Welt auf Nummer eins oder den Spitzenpositionen der Charts war und den hier natürlich fast jeder kennt. (mak)

17:15 Uhr: Donots auf der Forest Stage: Die Punkrocker legen super motiviert und energetisch los. Fünf Jahre ist es her, dass sie die staubigen Menschen hier zuletzt gesehen haben – morgens waren sie schon mit Bosse joggen, jetzt haben sie immer noch mehr als genug Kondition, um eine Stunde durchzupowern. Sie machen den Auftritt zu einer staubigen Angelegenheit. Vor allem, wenn das Publikum aufgefordert wird, dass sich jeder eine Hand voll mit dem Dreck vom Boden nehmen und auf Kommando in die Luft werfen soll. Im 30. Jahr ihrer Bandgeschichte bringen sie den ganzen Platz zum Springen und mischen die neueren, deutschsprachigen Songs mit den früheren, englischen Titeln. Eine einstündige Verausgabung für die Sprunggelenke und die Staublunge. Der Songtitel „Apokalypse Stehplatz Innenraum“ wird hier wörtlich genommen. Mitten ins Getümmel stürzt sich Sänger Ingo bei „Kaputt“ und erzeugt einen der garantiert größten Circle Pits des Wochenendes. Punkrock gehört auf Festivals und deshalb gehören auch die Donots auf die Festivalbühnen. (mak & flo)

18:15 Uhr: Betterov auf der Wild Coast Stage: Mein persönlicher Lieblingsact auf dem diesjährigen Hurricane! Betterov mischt mit seinen Songs zwischen Indie-Rock und Post-Punk aktuell nicht nur die deutschsprachige Musikszene auf, sondern auch die Zeltbühne des Festivals. Mit seinem kompromisslosen und dichten Band-Sound begeistert er die Besucher*innen am frühen Abend und liefert obendrein die Live-Premiere der frisch erschienen Single „Jil Sander Sun“, die ebenso gut ankommt wie die Nummern seiner allerersten EP. (mak)

19:00 Uhr: Bosse auf der Forest Stage: Die Freude zu einer solch optimalen Zeit, bei bestem Wetter auf dem Hurricane zu spielen ist ihm ins Gesicht geschrieben. Mit seinen nostalgischen Texten trifft er einen Nerv und man will mitsingen und tanzen. Höhepunkt seines Auftritts ist die Live-Aufzeichnung von seinem neuen Song „Ein Traum“ und lässt eine springende Masse an Fans für sich singen. Mit „Das Paradies“ hat Bosse große Worte für Opfer sexualisierter Gewalt, für Gleichberechtigung, für gleiche Bezahlung. Am liebsten würde er nicht von der Bühne gehen. (flo)

20:45 Uhr: Peter Fox auf der Forest Stage: Der erste Headliner des Wochenendes und in der ersten Bandwelle im letzten Herbst der mit Abstand überraschendste Act. Damals war es der erste Hinweis auf möglicherweise bevorstehende neue Songs, was sich später bewahrheiten sollte. Ende Mai ist nach 15 Jahren das zweite Studioalbum „Love Songs“ erschienen, von dem es natürlich viele Songs in die 75-minütige Setliste schaffen. Im letzten Jahr stand Peter Fox noch als Headliner mit Seeed auf der gleichen Bühne, heute performt er im blauen Anzug mit achtköpfiger Band. Soundmäßig ist das Konzert des Berliners sehr basslastig, die älteren Songs passen hier vom Stil her etwas besser hin, als die eineinhalb Jahrzehnte jüngeren Nummern. In seinem Programm bringt er ein paar Seeed-Songs unter, etwa 40 Tänzer*innen und einige Fans machen im Hintergrund ordentlich Stimmung. Abgesprochen und choreographiert, aber es rundet das Gesamtbild stimmig ab. Im Remix präsentiert er viele ältere Songs. Zum krönenden Abschluss spielt er „Alles neu“ – das „Haus am See“ gibt es dagegen nicht zu hören. (mak)

21:45 Uhr: Tash Sultana auf der River Stage: Mit knapp 20 Minunten Verspätung startet die Australierin ihre “One-Person-Show“. Die Multiinstrumentalistin schichtet Instrument für Instrument übereinander, setzt sie auf Repeat und schafft so ein sphärisches Soundbett, in das man sich fallen lassen möchte. Wer sich wundert, dass Tash Sultana barfüßig auf der Bühne steht, das ist immer so. Da werden dann auch kleine Soundaussetzer kaschiert, als wären sie gewollt. Und mit dieser Leichtfüßigkeit lässt es sich entspannt und smooth in die Nacht bouncen. (flo)

23:00 Uhr: Billy Talent auf der Forest Stage: Einer der heiß ersehntesten Headliner des Abends. Im gesamten Bereich vor der Forest Stage haben sich die Leute versammelt. Schon ab dem ersten Song der Kanadier bilden sich Mosh- und Circle Pits. Obwohl eigentlich die Leute aufeinander Acht geben, hatten einzelne Personen ihre Energie nicht im Griff, mit der Folge, dass mir jemand entgegen kam mit geronnenem Blut vom Auge bis zum Kinn. Songs wie „Fallen Leaves“, „Rusted from the Rain“ und „Surrender“ werden zum Besten gegeben, sodass Fans sie mit voller Inbrunst mitsingen und für stimmliche Probleme am nächsten Morgen sorgen. Zum wiederholten Male waren sie Headliner – once again! (flo)

00:30 Uhr: Kraftklub auf der River Stage: Eine halbe Stunde nach Mitternacht zieht sich der Vorhang zurück und Konfettischlangen schießen in Luft, als Kraftklub mit „In meinem Kopf“ die River Stage entern. Ein Beginn, der eines Headliners würdig ist. Die Band mit dem K steht in weißen Polohemden mit schwarzen Jacken auf der Bühne und eröffnet spät nachts einige Moshpits. Ein Fan darf am Glücksrad drehen und so mitentscheiden, welcher ältere Song gespielt wird – „Scheissindiedisko“ ist das bejubelte Resultat. Unten bei den staubigen Besucher*innen performen sie „Kein Liebeslied“, auf einer mobilen Bühne inmitten des ersten Wellenbrechers rappen Felix und Till „500k“ und crowdsurfen zurück zur Bühne. Dort schließt sich wieder der Vorhang und nach 45 Minuten steht Karl zum Song „Angst“ plötzlich in einer hängenden Deckenkonstruktion. Man merkt, dass Kraftklub sich Gedanken gemacht haben, wie sie ihren Auftritt gestalten wollen – SO muss eine Headliner-Show aussehen! (mak)

Seht euch hier unsere Bildergalerie des Tages an:

 


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