Auf Pat

Am 31. Dezember verstarb mit Sean-Patric Braun ein Konzertveranstalter und die gute Seele der Bremer Musik- und Indie-Szene.

Es sollte ein ausgelassener Abend mit der Familie werden, bis ein harmloser, schneller Blick auf Facebook in Fassungslosigkeit umschlug. Das Jahr 2017 war in doppelter Hinsicht gelaufen. Ich sah Patric das letzte Mal am vergangenen Mittwoch an der Kasse des Lagerhauses, beim Konzert von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, sitzen. Die Leute strömten in den Saal und wir hatten keine Zeit zu sprechen. Er meinte, wir reden später weiter und er bedankte sich in diesem Moment noch schnell für unsere Verlosung zum Konzert. Ich winkte ab und sagte ihm, wie sehr wir uns über seine dauerhafte Unterstützung freuten. Dann bedankte ich mich mit einem einfachen „Danke“ und es sollte das Letzte sein, was ich jemals zu ihm sagen sollte. Während des Konzertes sah ich ihn noch auf der anderen Seite, am Rand der Bühne stehen. Zu weit um hinzugehen. Nach dem Konzert war er verschwunden (oder ich zu schnell weg). (cr)

Es ist ein schönes, sehr gewohntes Bild gewesen. Wenn ich ins Lagerhaus kam, saß er an der Tür. Begrüßte die Gäste mit Handschlag. Hatte für jeden ein paar nette Worte. Bei all seine Konzerten in den letzten Jahren durfte wir von hb-people Karten verlosen. Ganz gleich, ob es ausverkaufte Konzerte oder nur die kleineren in der Etage 3 waren. Er unterstütze uns immer, er unterstütze unsere Leidenschaft für ein ehrenamtliches Bremer Musikmagazin. Und er erwartete keine Gegenleistung. (pfa)

Sean Patric war immer da. Seitdem ich ausging war Patric eine Institution, gehörte zum Viertel, wie Eisen, Lagerhaus, Römer oder Bermuda Dreieck. Als Verkäufer bei Ear, und für mich noch viel wichtiger, als DJ und später als Kollege im Römer hinterm Pult. Er jeden zweiten Freitag, ich jeden ersten und vierten Samstag im Monat. (cr)

Sean Patric war eine Institution für Musik in Bremen. Er kannte jede Band, kannte die gängigen Musikmagazine wie Visions und Intro und vor allem Spex in und auswendig. Und er hatte zu allen Bands und Künstlern eine eigene Meinung, konnte sie dezidiert rezensieren. Er gab mir für hb-people.de eines der ersten Interviews nach dem Relaunch 2013. Er hatte stets Dinge im Kopf, die man noch machen könnte. Er sprudelte vor Ideen. Er wollte mit mir einen Abend lang nur mit Mixtapes auflegen. Leider haben wir das nie gemacht. (pfa)

Seine ersten Gehversuche als Konzertveranstalter durfte ich als Beobachter begleiten. Ich glaube, es waren Angelika Express und Virginia Jetzt im Römer. Daraus entstand die Konzertagentur Kogge Pop, die viele Bands nach Bremen holte, die sonst einen Bogen um diese Stadt gemacht hätten. Blood Red Shoes, The Weakerthans oder Lali Puna waren nur einige davon. In den letzten Jahren folgten AnnenMayKantereit, bevor sie überhaupt jemand auf dem Schirm hatte oder Isolation Berlin. (cr)

Er holte mit seiner Konzertagentur Kogge Pop Künstler wie The Gossip mit Sängerin Beth Ditto auf einem Sonntag an einem warmen Tag ins Römer. Er schaffte es, dass Portugal the man 2009 im Tower spielten. Die britische Sängerin Holly Golightly, die ebenfalls im Römer spielte, war das erste Konzert, das von Kogge Pop als „Sold out“ vermeldet werden konnte. Anfang 2017 hatte er hintereinander vier Bands geholt, die auf dem Titel der Intro waren. Er hatte immer ein besonders guten Riecher, vielleicht sogar den besten, für Bands. (pfa)

Patric scheute nie das finanzielle Risiko und bot Bands einen kleinen Rahmen in der Etage 3 des Lagerhauses. Manchmal kamen nur eine Handvoll Leute, doch das war egal. Es ging immer um die Musik. Und um die Bremer Szene. Lokale Bands eine Plattform zu geben, war ihm immer ein Anliegen. Und auch unserer kleinen Seite, stand er immer wohlwollend gegenüber. (cr)

Sean-Patrics Tod reißt eine riesen Lücke in der Bremer Musikszene. Eine Lücke als Werder-Fan. Als Freund. Als Unterstützer. Seine Texte und Interviews (Früher war mehr Lametta) für das Z Magazin werden fehlen. Früher waren es seine Artikel im Prinz, die begeisterten. (pfa)

In den letzten Monaten haben wir kaum mehr als ein paar Wörter gewechselt. Die Familie und ein neuer Job ließen mich weniger ausgehen und wenn doch mal, ging es nach Konzerten meistens direkt nach Hause. Ein Fehler, wie ich heute weiß. Ich habe ihm nie gesagt, wie sehr ich seine Passion bewunderte, seinen Einsatz und seine Liebe zur Musik. Auch, wenn ich nicht mit ihm tauschen wollte, wenn er alleine im Winter mit einem Eimer Kleister und einer Handvoll Tourpostern, abends durchs Viertel zog. Nun werde ich jedes Mal, wenn ich die Kasse vom Lagerhaus oder Römer passiere kurze innehalten und an ihn denken. (cr)

Danke für die Musik. Danke für die Freundschaft.

Claas (cr) und Pascal (pfa).

Haltepunkt, Neujahr, 15 Uhr.


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