Nando und Steffen im Gespräch über den modernen Fußball

Bremen. Die Bundesligasaison geht in den dritten Spieltag. Im Sommer hat der Transferwahnsinn eine neue Dimension angenommen, Werder sich chinesischen Investoren zugewandt und Eurosport die Übertragung der Freitagsspiele übernommen – sofern man das nicht vorhandene Bild als Übertragung bezeichnen kann.
Über diese und andere Fragen habe ich mich mit Nando vom Eisen bei einer Flasche Rum zusammengesetzt und mich unterhalten. Herausgekommen ist ein langes Gespräch über Sinn und Unsinn, Kompromisse und Grenzen und die Liebe zum Fußball, die trotzdem noch nicht so ganz vergehen will.
Steffen:
Ja, Nando. Moin, vielen Dank, dass du hier bist. Wir haben Rum, wir haben wieder Fußball Bundesliga, aber das Gefühl bei der Fußballbundesliga ist bei uns beiden nicht so, wie es in den letzten Jahren gewesen ist. Nicht nur in der Bundesliga, sondern allgemein, wenn man sich den Fußball so anguckt. Ich hab jetzt gerade letzte Woche mein Werdertrikot vorne vom Sponsor befreit und das Logo von deiner Kneipe da drauf gemacht, weil man mit Wiesenhof jetzt in die Jahre sieben und acht geht – das ist ja auch so ein Punkt, dass Werder die Sponsoren nehmen muss, die man kriegen kann. Jetzt schon Spieler kauft aus China, die keinen wirklichen sportlichen Mehrwert haben, obwohl der in den Testspielen ja ganz gut trifft, aber es ja auch schon Stimmen gibt, die vielleicht ein bisschen mehr Ahnung haben als wir beide, die sagen, der wird in der Bundesliga wahrscheinlich gar nicht zum Einsatz kommen. Es geht irgendwie immer mehr in die Richtung, dass Geld, Investment, China, egal wer steht auf dem Trikot wichtiger ist, als das, was den Fußball ausmacht, den wir über lange Jahre kennengelernt haben. Wie siehst du das mit dem Chinesen zum Beispiel?
Nando:
Ja, ich freue mich, dass es auch noch so richtig schöne Zufälle im Leben geben kann. Dass da ausgerechnet der Vater dieses Chinesen Vorstandsvorsitzender des neuen Werder Sponsors aus China ist. Also, da denkst du so: „Wow, eine Milliarde Menschen und dann trifft das so aufeinander.“ Das ist so als würdest du in Mexico City zufälligerweise einem alten Schulkumpel über den Weg laufen. Ist doch schön, dass es solche Zufälle noch gibt.
Steffen:
Also du meinst, wenn dein Logo wirklich bei Werder auf dem Trikot wäre, dann würde dein Sohn so in 10 Jahren auch für Werder auflaufen?
Nando:
Ach. Ich sag mal: „Das würde mich überraschen.“ Nein, mal ganz ehrlich. Das sind Mosaiksteinchen einer Katastrophensommerpause für mich. Diese ganze Chinaorientierung aller Vereine, dass die sich da wirklich zum Büttel machen und vermeintlich irgendwie dem chinesischen Fußball Entwicklungshilfe geben wollen und voll interessiert sind an Kooperationen mit China wo du auch nur denkst: „Leute, in anderen Ländern interessiert euch die Entwicklung des dortigen Fußballs ja auch irgendwie nicht, aber zufälligerweise denkt ihr, eine Milliarde Chinesen machen vielleicht mal pay per view und irgendein riesiger toller chinesicher Staatskonzern wird vielleicht irgendwann mal 500 Millionen in unseren Verein rein stecken.“ Diese ganze Logik und diese ganze Mentalität, die dahintersteht, unter Außerachtlassung der Situation in China, der Menschenrechtssituation und Ähnlichem, unter komplettem Vernachlässigen, was eigentlich diese Vereine hier in der Bundesliga überhaupt erst groß gemacht hat. Dieser ganze regionale Bezug, dass seit Jahrzehnten Väter mit Söhnen, mit Großvätern ins Stadion pilgern oder teilweise selber da gespielt haben und denen dreht man ja komplett den Rücken unter dem Motto „Euch haben wir ja sicher“ und stellen uns mit entblößtem Oberkörper mal in Richtung neuer Märkte. Also es ist ein Mosaiksteinchen, die mich immer mehr zu der Überzeugung bringen, dass der Fußball, dieser moderne europäische Spitzenfußball, wie er sich gerade darstellt, bald implodieren wird.
Steffen:
Genau das ist ja auch ne Frage. Will man da mittlerweile drauf hoffen, dass das in die Hose geht, dass vielleicht wenn die Champions League zur Hälfte nur noch im Stream läuft und zur anderen Hälfte auf Sky läuft, das ist alles irgendwie PayTV. Ich glaube auf ZDF oder was das dieses Jahr war, gibt es nächstes Jahr gar nichts mehr zu sehen. Dann ist man ja schon an nem Punkt, wo man Geld bezahlen muss, um die Spiele zu sehen. Viele Leute, ich glaube der klassische Fußballfan, der ja auch nicht unbedingt der große Finanzstarke ist, der sich neben Dauerkarte und Trikot für 85 € dann noch das PayTV Abo leisten kann. Ich glaube, da besteht für den Fußball die Gefahr, dass sich die Leute abwenden, aber vielleicht für Leute, die so wie wir das kritisch sehen auch die Chance, dass es durch dieses Abwenden vielleicht auch mal wieder in eine andere Richtung geht. Dass man sich vielleicht dann doch bei den Vereinen und den Verbänden darauf besinnt, zu sagen: „Okay, wie nimmt man die Leute überhaupt mit?“ Jetzt beim Länderspiel – mal unabhängig davon, dass die Idioten da irgendwelche Naziparolen gegrölt haben – hat man gesehen, dass diese „Fick dich, DFB“-Rufe und -Plakate, die in der Bundesliga schon in jedem Stadion waren auch beim Länderspiel auftreten. Das hat ja irgendwie einen Hintergrund. Die sagen ja nicht „Fick dich DFB“, weil sie traurig sind, dass sie keine Pyros mehr anzünden dürfen, sondern da steckt ja ein bisschen mehr dahinter. Und ich glaube, das kocht langsam so hoch, dass man meinen kann, vielleicht knallt es dieses Jahr so sehr, dass sich was tut oder nächstes Jahr oder vielleicht auch ein Jahr später oder vielleicht auch gar nicht, wenn dann nur noch Chinesen im Stadion sitzen oder so.
Nando:
Ja, die Frage ist ja, wie dieser Knall aussehen soll und aussehen wird. Also ich bin da ein bisschen pessimistisch, weil die handelnden Personen, die sind so miteinander verzahnt und die haben so einen Move, rein betriebswirtschaftlich gesehen gibt ihnen ja alles Recht. Die haben die Dollarzeichen in den Augen und alles flutscht und alles funktioniert und alle innerhalb dieser Blase irgendwie verdienen sich dumm und dämlich und diese Automatismen stehen fest. Die merken zwar, die sind ja nicht ganz blöd, dass es rumort, es rumort auch immer mehr, aber die Schlüsse, die man daraus ziehen müsste, die stehen so ihrer eigenen Finanz-DNA entgegen. Das heißt so ein „Oh, wir werden jetzt mal nicht mehr so größenwahnsinnig und versuchen nicht noch mehr Geld aus China, Katar und was weiß ich was zu generieren, um dann irgendwie noch ne Milliarde mehr auf dem Festgeldkonto zu haben“ – das ist für die außerhalb jeder Vorstellung. Die werden glaube ich versuchen, den Fans so ein paar Krümel hinzuwerfen nach dem Motto „Hier, guckt mal. Wir sind ja doch gar nicht so, wie ihr immer denkt. Oder lasst euch zumindest gut ablenken dabei.“ Aber die können keine Schritte zurück machen. Alle, die im internationalen Fußball mitspielen wollen und in der Bundesliga willst du ja irgendwie automatisch auch im internationalen Fußball mitspielen, die hängen da mit drin. Das siehst du ja jetzt schon, dass durch diesen Neymar-Transfer, weil ein paar Länder oder Staatskonzerne meinen, jetzt hunderte Millionen in den europäischen Fußball reinzupumpen, dass der letzte Bankdrücker der Bundesliga nun auch schon fünf Millionen Euro kostet. Das hat auf alle Bundesligavereine automatisch eine entsprechende Auswirkung. Ich glaube, dass die nahe Zukunft für alle, die mit Fußball irgendwas anderes verbinden, als irgendwie nur Umsatzmaximierung und Spielerwertmaximierung und Erfolg um jeden Preis – ich guck einfach weg, warum mein Verein erfolgreich ist – die Zukunft für diese Menschen wird erstmal in der 2. Liga liegen.
Steffen:
Das mag sein und ich finde, das ist auch ein spannender Punkt, wenn du sagst, dass diese Gewinnmaximierung, dass das immer mehr wird und man muss da international auch noch drauf gucken. Ich hab da letzte Woche irgendwo noch aufgeschnappt – ich weiß gar nicht mehr, wer das gesagt hat, entweder jemand von den Bayern oder ein Journalist, der die Bayern sehr gut versteht – man müsste ja im internationalen Vergleich wollen, dass die Bayern konkurrenzfähig sind. Ich muss sagen, es geht mir am Arsch vorbei, ob die Bayern jetzt gegen Real Madrid ne 5:0 Packung kriegen oder halt mitspielen können und 3:3 spielen oder die Champions League gewinnen. Das ist mir doch egal, als Werderfan, wie spielt der FC Bayern im Europapokal. Dann sehe ich, der Kader von den Bayern jetzt am Wochenende gegen Werder, ich meine wir haben uns da mit dem Ergebnis nicht schlecht geschlagen. Wir haben 2:0 verloren, ich glaube Lewandowski hat beide Tore geschossen – der kostet alleine mehr als unser ganzer Kader.
Nando:
Der Kader der letzten 6 Jahre wahrscheinlich.
Steffen:
Also wenn du dir bei Transfermarkt.de die Marktwerte anguckst, das ist ist ja völlig auseinander gelaufen. Wenn du dir auch die Transferausgaben diese Jahr anguckst, ist Werder da auf dem vorletzten Platz und früher wenn du auf dem vorletzten Platz bei den Transferausgaben warst, dann warst du vielleicht bei der Hälfte des Ersten oder bei nem Drittel und ich glaube die Bayern haben mehr als zehnmal so viel ausgegeben und das geht so weit auseinander, dass du einfach keine Vergleichbarkeit mehr da hast. Und ich finde, wieso soll ich als Werderfan das gutheißen, dass die Bayern sich wirklich nicht nur die Spieler 1, 2, 3, 4, 5, 6 kaufen können, die auf dem Markt sind, die 7, die 8, die 9 und die 10 kriegt Dortmund und den einen oder anderen greift Leipzig dann noch ab und alle, die dahinter kommen, müssen dann sehen, wen kriegen sie dann überhaupt noch. Wenn sie dann mal international spielen wie Köln oder Gladbach, dann können sie vielleicht noch einen ausleihen aus England, Werder hat das ja auch lange Jahre mal ganz gut praktiziert, als wir Champions League gespielt haben, wobei es da noch nicht ganz so krass war, was die Gelder anging, insbesondere was die Unterschiede anging. Da hattest du noch eher mal die Möglichkeit, da mal rein zu rutschen oder auch wieder raus zu rutschen. Aber momentan? Werder holt sich da jetzt so nen Belfodil als Königstransfer mehr oder weniger, am letzten Tag der Transferperiode, weil du ihn vorher auch nicht finanzieren kannst, als Leihe. Das ist halt ein Spieler, der kommt nur zu uns, der hat seine Qualitäten, aber der kommt nur zu uns, weil er sich woanders schon scheiße benommen hat. Ich meine, der hat seine Problemchen gehabt, der ist nach Katar gewechselt und das ist kein scheckheftgepflegter Sauberspieler, bei dem du sagst, der ist wie die Nummer 1 bis 10 der Bayern kontinuierlich aufgebaut worden. Für so nen Spieler bezahlt Dortmund an Freiburg 20 Millionen und die werden wir hier in Bremen nicht mehr sehen und ich fand es immer schön zu sehen, dass vielleicht die ersten zwei oder drei Spieler zu den Bayern gegangen sind, aber wenn du halt die 8, die 12 und die 17 hattest, konntest du die Bayern noch ärgern, wenn es bei denen mal schlecht gelaufen ist. Aber heutzutage? Du weißt doch – die ersten drei Plätze oder die ersten vier Plätze, da spielen immer die gleiche Mannschaften mit.
Nando:
Das Konstrukt Bundesliga, so wie es ursprünglich mal geplant war und auch jahrzehntelang ordentlich lief, ist tot. Da muss man sich nichts vormachen. Ich meine, die Bundesliga ist nur noch ein Zulieferbetrieb für das große internationale Geschäft. Da gucken alle drauf, das ist das, was in Asien wahrgenommen wird und das erklärt überhaupt so ne Aussage, dass wir alle für die Bayern sein müssten, damit sie international erfolgreich sind, das ist dann ja auch gut für die Bundesliga – für so ne Aussage, da wärst du vor zwanzig Jahren aus dem Stadion gejagt worden.
Steffen:
Aber der Aufschrei müsste da doch heute genauso groß sein.
Nando:
Das Schlimme ist ja, das ist ja einfach so systemimmanent gedacht. „Wir müssen irgendwie sehen, dass wir an diesem internationalen großen Kuchen irgendwie was abbeißen können.“ Und alle Vereine versuchen das dann und wollen zumindest nen kleinen Happen abbeißen und danach wird momentan im diesem System gedacht und ein Verein bewertet, wenn er erfolgreich arbeitet. Und die Spannung innerhalb des Systems gedacht generiert sich dadurch, dass es immer mehr erfolgreiche Vereine gibt, die so wirtschaften und dann doch auch sich irgendwelche Investoren rangezogen haben und 30 oder 40 Millionen Transfers tätigen können und du dir auch denkst, dass die Summe der guten Spieler wird ja nicht plötzlich mehr werden. Spieler werden immer an diesem Marktwert gemessen und 40 Millionen – das muss ja ein Knaller sein. 40 Millionen war früher mal Amoroso oder was weiß ich wer und mittlerweile werden alle möglichen Durchschnittsspieler für diese Summe transferiert, aber die sind ja nicht plötzlich bessere Spieler. Dieses ganze System ist einfach total hochgefahren. Du kannst ja eigentlich nur als Bundesligaverein irgendwann sagen: „Sorry, da machen wir nicht mehr mit und setzen auf die eigene Jugend.“ Aber das geht ja heute auch nicht mehr so und ich finde das ist eins der Urübel des Fußballsystems, so wie es sich darstellt, denn die ganzen großen Vereine, die ja immer mehr werden, da ja immer mehr Geld rein kommt – früher waren es ja nur Chelsea, Manchester United und was weiß ich was und heute hast du da die gesamte Premier League, ein halbes Dutzend Vereine in Italien, 10 Vereine in Spanien und drei Vereine in Frankreich, plus Bayern, Dortmund, Leipzig, weil sie ja alle so mit Kohle vollgepumpt sind, holen sie sich dann jeden Zwölfjährigen der dreimal den Ball hochhalten kann, den holen sie sich dann schonmal, haben nen Kader von gefühlt 200 Spielern, die werden alle verliehen ohne Kaufoption und wenn sich einer durchsetzt, kommt er zack zurück und die anderen – ist halt Ausschussware, die braucht man eh nicht. Aber du kannst ja gar nicht mehr vernünftig eigene Spieler aufbauen.
Steffen:
Muss man Werder auch hoch anrechnen, dass man beide Eggesteins halten konnte jetzt. Da hätte ich auch nicht mit gerechnet, also dass vor allen Dingen der jüngere unterschreibt nochmal, aber das ist für Werder ne Chance. Aber da musst du ja auch sagen, das ist ne Chance, das muss man ja auch realistisch gesehen – es sei denn, die lieben den Verein so sehr, dass sie halt ewig hier spielen wollen – die Chance ist ja eher: Man verkauf den dann für 50 Millionen und kann sich halt 3 andere Spieler kaufen, die halbwegs geradeaus laufen können.
Nando:
Ja, wollte ich gerade sagen – wen kannst du dir denn, wenn sich dieses System so weiterentwickelt, in drei Jahren noch holen für 50 Millionen? Das ist ja so total absurd. Das ist ja wie Deutschland nach dem 1. Weltkrieg, dann hast du da nur noch irgendwelche Riesenbanknoten wo dir dann denkst: „Scheiße, da kann ich mir nen Keks für kaufen.“
Steffen:
Aber ist das nicht auch ne Chance? Gerade der Neymar-Transfer für 222 Millionen und dann holen sie sich noch den Mbappe dazu für nochmal zusätzlich 180 Millionen und dieses Jahr wird er ausgeliehen vom größten Konkurrenten in der eigenen Liga, muss man sich auch mal überlegen, was da eigentlich abgeht, aber jetzt guckt die UEFA mit ihrem löcherigen Financial Fair Play Regelwerk da drauf und wird ja irgendwie ne Entscheidung treffen müssen. Ich sehe es momentan so, dass Vereine wie Dortmund oder Bayern da schon auch genau drauf gucken, weil denen ja jetzt international das gleiche passiert, was uns mit denen in der Bundesliga passiert. Und ich glaube schon, dass gerade so ein Rummenige und ein Hoeneß ja schon eine Lobby haben, ich glaube die werden bei der UEFA ja auch gehört und ich kann mir vorstellen, dass weil andere jetzt noch mehr drüber hinaus schießen, so wie Paris jetzt, dass auch bei Vereinen wie Bayern oder Dortmund die Denke nicht in die Richtung gehen wird „Wir müssen das jetzt genauso machen“, sondern „Da muss man was gegen tun“. Weiß ich nicht.
Nando:
Aber die werden ja trotzdem nicht alle plötzlich die weiße Weste haben. Es wird eher so, dass die größten Schweinereien irgendwann unterbunden werden, weil die Zweidrittelarschlöcher weiterhin vernünftig agieren wollen und nicht plötzlich ihre Liebe zum romantischen Fußball entdeckt haben.
Steffen:
Weil du wirst es nur unterbinden können, wenn du wirklich klare Regeln aufsetzt. Es ist ja so, ich verfolge ja Fußball in Australien oder auch den Football in Amerika, das ist ja auch ne riesige Geldmaschine, die NFL, aber immerhin haben die ne Regelung, wieviele Gelder da ausgegeben werden dürfen und in Australien ist es auch so – jede Mannschaft darf drei Spieler oder vier Spieler außerhalb einer Gehaltsgrenze finanzieren, ansonsten gibt es da eine Gehaltsobergrenze und darunter müssen alle Spieler fallen. Bayer könnte dann halt sagen, sie holen sich die ersten drei Spieler, die in Deutschland auf dem Markt sind, aber die danach kriegen sie halt nicht mehr, weil dann gibt es die anderen Mannschaften, die dürfen das auch bezahlen und die kriegen dann die Nummer 4, 5, 6, sonstwie. So ne Regelung könntest du in Deutschland nicht umsetzen, du kannst nicht sagen, die Bundesliga macht ne Gehaltsobergrenze. Dann würde halt kein Bundesligaverein mehr international mithalten können und da würden halt Bayern, Dortmund usw. Sturm gegen laufen. In Bremen würde es vielleicht noch gut ankommen, wobei ich es auch fast nicht glaube, dass Werder da zum aktuellen Zeitpunkt sagen würde: „Finden wir toll.“ Das müsste ja europaweit kommen, wenn es kommen soll. Und ich kann mir vorstellen, dass so ein Ding wie Neymar und Mbappe dann noch dazu und ich weiß nicht, wen die noch alles geholt haben – also die haben ja die letzten Jahre auch schon den einen oder anderen Spieler geholt, der gut ist – dass solche Übertreibungen dafür sorgen, dass das vielleicht wieder in die richtige Richtung gelenkt werden könne, weil einfach andere Interessen dazu kommen, also andere Vereine das Interesse haben, dass es vielleicht nicht so weitergeht.
Nando:
Das ist ja das Lustige – ich meine man kann den Amerikanern ja viel vorwerfen, aber bestimmt nicht, dass die speziell jetzt bei ihren Sportarten irgendwie einen extrem sozialistischen Ansatz hätten. Also die machen dieses Salary Cap ja nicht, weil sie voll auf Gleichheit stehen, sondern weil sie ihr Geschäftsmodell nicht in Gefahr bringen wollen. Sie wissen ja, der Treibstoff des Geschäftsmodells ist Spannung und diese Spannung müssen wir irgendwie erhalten.
Steffen:
Aber genau den Gedanken könnten sie ja hier auch kriegen.
Nando:
Aber das Problem ist, ich glaube nicht, dass die ideologisch was dagegen hätten. Sie sind nur alle gerade dadurch, dass diese Katar- und Chinamilliarden und Oligarchenmilliarden in den Markt gestreckt wurden – du hast es auf der europäischen Fußballebene mit einem Haufen hochgradig Süchtiger zu tun. Das sind auf ne Art und Weise Junkies, die wittern so Gold-Rush-mäßig wie Alaska Achtzehnhundertnochwas unter Jack London irgendwie Kohle, Kohle, Kohle, dass sie eigentlich irgendwie smart genug sind zu kapieren, dass das der falsche Weg ist, aber vorher wollen wir uns jetzt noch mit unserem Verein so weit oben wie möglich positionieren. Und wir wollen ja nicht die ersten sein, die nun sagen: „Hey, lass uns das mal anders machen.“ Wo wir nun gerade schön so 500 Millionen aus Katar bekommen haben. Das ist gerade so ein hochgradig – was ist der Fachbegiff – auf jeden Fall in Form von „krank“, destruktiv krankes Business. Irgendwie so. Die werden damit extrem gegen die Wand laufen, aber vorher werden sie, weil sie bloß nichts daran ändern wollen, irgendwie nur kosmetische Korrekturen eingehen und das planzt sich per Dominoeffekt bis in die Bundesliga fort.
Steffen:
Dass Werder sich dann die Chinesen holt und sich freut, einen offiziellen Wettpartner in Asien für 1,5 Millionen zu haben.
Nando:
Das ist ja die große Frage. Was will ich als Werder Bremen oder als Mainz 05 oder als Freiburg machen? Will ich irgendwie europaweit der siebenundachtzigste Verein sein, der einen Investor aus Scheißegalhausen irgendwie an Land zieht und Kooperation und dieses und jenes und wir können uns jetzt auch Spieler für 20 Millionen leisten, was irgendwie das selbe wäre, wie vor 10 Jahren ein Spieler für 2 Millionen – nämlich auch nicht wettbewerbsfähig. Oder will ich sagen, ich nehme auch in Kauf, dass ich auf sportlichen Erfolg jetzt mittelfristig total verzichten muss, aber mach mich zu einem Verein oder stelle mich als Verein dar, der jungen Spielern vermittelt: Ihr könnt hier solide eine gute Ausbildung erfahren, im sportlichen Bereich sowieso, aber auch was meine menschliche Entwicklung angeht. Weil wir als Verein für was stehen, für ein Weltbild stehen, weil wir für eine fundierte Ausbildung stehen, in der du in Ruhe reifen und wachsen kannst und deine Stärken irgendwie herauskristallisiert werden können. Dann verdiene ich vielleicht die nächsten drei Jahre weniger, hole auch keinen Titel, aber das bringt mich in meiner Karriere so sehr weiter, dass ich sage, deswegen gehe ich trotzdem zu Werder. Das ist ein Weg, der kann aber auch mal unter Umständen, weil das System so hochgefahren ist – nicht „krank“, sondern „pathologisch“ war der schöne Fachbegriff, den ich vorhin verwenden wollte – der kann irgendwann auch zwischenzeitlich in die 2. Liga führen. Also die Gefahr besteht, weil in jeder Saison 10 Vereine akut abstiegsgefährdet sind, weil es ja kein Mittelfeld mehr gibt. Das ist eine schöne Parallele zu unserer Gesellschaft irgendwie – es gibt keine Mittelschicht mehr, sondern nur die Stinkreichen, die sich abschotten und den Rest, der permanent gegen den totalen sozialen Abstieg kämpft. Wenn Werder diese Ruhe bewahren würde und diese Panik, die ja implantiert ist seit Jahrzehnten, seit diesem Superschock der heißt „Abstieg 1980“, diese Panik „oh Gott, wir dürfen auf gar keinen Fall absteigen“. Vor 10 Jahren war es noch so „ja, dann sind wir ökonomisch so weit draußen, das wir den Anschluss nicht mehr kriegen“. Aber mittlerweile bist du ja in der Bundesliga schon ökonomisch so weit draußen. Eigentlich bis du ja quasi schon in der Bundesliga abgestiegen. Und wenn man sich einfach mal sagt, dass wir ne Idee haben und die setzt man einfach mal durch. Egal, ob wir in der 1. oder in der 2. Liga spielen – das führt zurück auf meinen Gedanken, dass der Fußball, so wie wir ihn kennen und lieben mittelfristig nur in der 2. Liga zu sehen sein wird. Da sind diese Vereine wie Red Bull oder Hoffenheim – für die ist die 2. Liga eine Durchmarschstation, die haben andere Pläne, andere Ziele. Das heißt, in der 2. Liga hast du die ganzen Traditionsvereine, die es irgendwie nicht hingekriegt haben – teils zum Glück – und die haben alle ähnliches Budget zur Verfügung und da ist diese ganze klassische Spannung, also dass die Vereine alle auf einem Level spielen, dass du die Fans hast, die seit Jahrzehnten verwachsen sind mit diesem Vereine, all das, was uns Sky immer als „Spannungs-DNA“ versucht zu vermitteln, warum wir uns all diese Spiele angucken sollen, die aber immer absurder werden – all das hast du eigentlich in der 2. Liga. Nur ist es halt die 2. Liga.
Steffen:
Aber die macht ja trotzdem Spaß. Also ich gucke sehr gerne die 2. Liga oder auch die 3. Liga mit Werder II und so weiter.
Nando:
Ich auch, aber ich glaube, dass sich das immer mehr herauskristallisiert, dass all das, was den Leuten was bedeutet am Fußball, das finden sie in der 2. Liga. Für die Bundesliga und für die Champions League wird uns das ja nur noch in sexy Werbeclips vermittelt. „Emotionen transportieren, yeah, yeah, yeah.“ Und das für dieses Operettentheater mit immer den gleichen 8 Vereinen im Viertelfinale und vorher wird ein paar osteuropäischen Vereinen der Arsch versohlt in der Vorrunde. Also wer wird sich um 13:30 Uhr am Sonntag irgendwie Hoffenheim gegen Wolfsburg angucken? Aber ich denke, dass ne Menge Leute sich dann eher Fortuna Düsseldorf gegen Kaiserslautern angucken würden.
Steffen:
Joa, würde ich vorziehen, wenn es parallel läuft.
Nando:
Wenn ich dass die mir das alles angucke – gibt’s die Hoffnung, dass die europäische Fußballhochfinanz zur Vernunft kommen wird, weil sie merkt, dass sie sich ihren eigenen Ast abgräbt oder abschneidet.
Steffen:
Das ist ja meine Hoffnung, dass es dazu kommt irgendwann.
Nando:
Ich glaube erstmal wird das alles noch mehr, viel mehr den Bach runtergehen müssen und es wird ja erstmal substituiert werden. „Jaaa, aber die Stadien sind ja immernoch voll.“ Aber das sind halt nicht mehr die selben Leute, die schon vor 20 Jahren in Stadion gegangen sind.
Steffen:
Die können sich das teilweise gar nicht mehr leisten.
Nando:
Die wandern ab zu anderen Vereinen, gucken sich in Hamburg dann Altona 93 an, in Bremen gehen sie zum BSV vielleicht. Es ist ja ein Austausch der Zuschauer, ein schleichender Austausch findet da statt, der wenn das Produkt erfolgreich genug ist, keine Auswirkungen hat. Du siehst ja, in der Premier League, da sind Sitzplätze mit Stewards – wenn du zu viel jubelst, wirst du irgendwie ermahnt und die Leute kommen aus China und sagen sich mal: „Ein Wochenende London mit Fußball besuchen – toll.“ Aber du hast ja nicht mehr die klassischen Fans – die sitzen in den Pubs. Diesen Austausch wird es erst einmal geben und der wird dieses ganze Prinzip einfach noch weiter am Laufen erhalten.
Steffen:
Das ist die Frage: „We lange?“ Weil ich glaube, dass du das nicht überall machen kannst. Das geht in München – da siehst du das heute schon, die Haupttribüne ist 10 Minuten nach Anpfiff der 2. Halbzeit immer noch leer, weil die Zuschauer noch Schnittchen, Häppchen, sonstwas machen, aber ich glaube nicht, dass das in vielen anderen Städten in Deutschland funktionieren wird. Dortmund – die haben ihre Stehplatztribüne, die wird immer voll bleibe, aber ich wüsste nicht, wo sonst noch. Du merkst das schon, in Wolfsburg sind oft Plätze leer, in Hoffenheim sind Plätze leer, in Leverkusen sind noch viel mehr Plätze leer, weil die einfach nach den Zeiten, in denen die verwöhnt wurden, mit gutem Fußball, den man sich auch gerne angeguckt hat, eine etwas schwächere Phase haben. Da sind die Fans relativ schnell weg, weil es einfach nicht diese klassischen Fans sind, die wie in Bremen auf dem 14. Platz trotzdem noch immer ins Stadion gehen und das hat sich hier ja auch schon gewandelt.
Nando:
Ja, das wird sich austauschen. Das heißt, das ganze Fußballerlebnis wird ein anderes sein. Was mir Leute erzählen, die mal in Leipzig waren, die sagen: „Das ist gerade ne andere Sportart.“ Also wie das alles präsentiert wird und so, das ist dann wirklich wie beim American Football.
Steffen:
Mit dem Stadionsprecher, der da rumhampelt.
Nando:
Ja, der Stadionsprecher und das ist einfach so ein Popcornpublikum. Die nehmen das alles ganz anders wahr. Ich gehe ins Stadion, wie ich früher ins Musical gegangen bin oder auch mal ins Cinemaxx und gucke mir ein bisschen Fußball an und zwischendurch hole ich mir noch lecker was zu essen und dann plaudere ich mich auch fest und irgendwann: „Wie steht’s denn jetzt schon?“ Diese ganze Leidenschaft, die fehlt ja völlig. Ich glaube auch, das wird sich ein bisschen aufsplitten – die erfolgreichen Vereine werden weiter den entsprechenden Zulauf haben, aber spannend wäre es, wenn so ein Verein wie Leipzig plötzlich mal nur noch auf Platz 11 steht. Wie die Leute, die es einfach jetzt gewohnt sind – ich gehe da hin und habe immer gute Gefühle, weil ich kriege ja immer nen Sieg präsentiert und Champions League plötzlich und immer Aufstieg – wie die dann damit umgehen. Weil es wird ja garantiert bröckeln, denn diese neue Generation von Kunden assoziiert ja viel mehr: „Ich habe was bezahlt und ich möchte dafür einen Gegenwert bekommen.“ Und dieser Gegenwert ist dann irgendwie anderthalb Stunden ein schönes Gefühl. Und unsereins geht da hin und weiß, es wird wehtun, es ist Zahnarztbesuch. Mal sehen, ob nur gebohrt wird oder ob es eine Wurzelbehandlung gibt.
Steffen:
Aber du hast halt immer noch die Möglichkeit, was mitzunehmen und dich positiv überraschen zu lassen. Das hast du zum Beispiel, wenn du zu Bayern München gehst – wann haben die zuletzt eine positive Überraschung erlebt?
Nando:
Ich hab da totales Mitleid. Ich kann Bayernfans, ich kann gar nichts gegen die sagen, weil eigentlich sind das die bemitleidenswertesten Fans der ganzen Republik.
Steffen:
Es kann halt nur scheiße laufen.
Nando:
Wenn du nur gewinnst und nur gewinnst und wenn ein 2:1 fast schon eine Enttäuschung ist, dann… guck dir an, die sind jetzt Meister geworden und ich garantiere dir, jeder Werderfan hat in der Rückrunde zehnmal mehr Spaß gehabt als ein Bayernfan mit der Meisterschaft.
Steffen:
Da kann man von ausgehen. Andere Frage: Die Bundesliga, dieses Jahr, unter anderem Freitagabend auf Eurosport. Wenn man Eurosportplayer nicht abonniert hat, kann man es mittlerweile glaube ich über Amazon sehen und ansonsten aber im Fernsehen klassisch – weiß ich gar nicht.
Nando:
Gar nicht.
Steffen:
Hmm, haben sie nicht irgendeinen Anbieter irgendwo gefunden? Gar nix?
Nando:
Bisher gar nix.
Steffen:
Jedenfalls über Sky läuft’s nicht. Doch, über HD+ läuft’s. Wenn du einen HD+-Receiver satellitenmäßig hast, dann kannst du es gucken, aber nicht, wenn du HD+ über nen Sky-Receiver guckst. Also das können wahrscheinlich 40 Leute in Deutschland, die haben so nen HD+-Receiver, die können sich jetzt dreimal den HSV angucken, das fand ich ja relativ lustig. Aber Sky, „Alle Spiele, alle Tore“ – gibt’s nicht mehr. Das war ja schon ohnehin irgendwie immer so, seitdem Premiere damals aufgekommen war, man konnte Bundesliga live sehen, das ist ja schon ein Service, wo ich jetzt als Fußballfan sage: „Da bin ich bereit, ein gewisses Geld für zu bezahlen.“ Aber halt nicht unendlich, ihr als Kneipe habt da nochmal ne ganz andere Hausnummer auf den Tisch zu legen. Die Diskussion vor 2 Jahren hat man ja auch ganz gut mitgekriegt, dass da einige Kneipen schon in Diskussionen mit Sky gegangen sind, weil so wie die sich das vorstellten mit erhöhten Preisen läuft das halt nicht mehr. Ihr sagt jetzt, auf Eurosport Freitagabend, Sonntagmittag, Montagabend zeigt ihr gar nicht? Oder auf welchem Standpunkt seid ihr da gerade?
Nando:
Das ist ja so ein Prozess, der sich entwickelt hat. Du kriegst dann vor ein paar Monaten mit – okay, Eurosport kriegt jetzt irgendwelche Spiele, die neu erfunden werden wie das Sonntagsmittagsspiel und das Montagsabendsspiel, plus natürlich dann den Premiumbatzen am Freitagabend und dann denkst du dir als erstes: „Dankeschön Sky!“ Die haben nämlich vorletztes Jahr gesagt, dass man bei einer Verlängerung um 2 Jahre garantiert keine Preiserhöhung bekommt. Dann haben wir um 2 Jahre verlängert, so naiv wie wir sind – wir sind ja keine Geschäftsleute, wir sind ja nur Barkeeper und stellen jetzt fest, nun zahlen wir halt die selbe hohe fünfstellige Summe für 44 Spiele weniger. Das ist ja mal ein Service. Aber keine Preiserhöhung rein theoretisch. Dann denkst du dir, da kommt nun Eurosport und das ist ein Multimilliardenkonzern da bei Discovery, die professionell arbeiten, die DFL sollte ja auch professionell arbeiten, wenn die Fernsehrechte vergeben und dann sollte da wohl auch mit drinstehen, dass die verpflichtet sind, das auch im Fernsehen zu zeigen.
Steffen:
Steht sogar drin.
Nando:
Aber es wird nicht gezeigt. Außer diese HD+, was auch immer für 40 Leute.
Steffen:
Aber ob das reicht für die Ausschreibung? Das wundert mich.
Nando:
Die streiten sich jetzt also, Discovery und Sky und wollen jetzt mal ausfechten, wer den Längeren hat. Beide haben da ein Selbstverständnis und geben nicht nach, weil sie sind ja so groß, aber irgendwann wird ja auch die Geldgier siegen und dann werden sie sich schon wieder einkriegen. Ja und dann passiert nichts und passiert nichts und selbst so eine kleine pissige Eckkneipe muss ja vielleicht auch mal ein bisschen planen und sich überlegen, wie machen wir das jetzt mit der neuen Saison. Und es ist nirgendwo eine Nachricht zu finden, wie das laufen soll. Wir haben uns ja schon die Grundvoraussetzungen geholt, dass wir nun WLAN-mäßig unterwegs sind im Eisen, aber es muss doch mal ne Information für die Gastronomie geben. Dieser Umstand, dass es nun jahrzehntelang in Deutschland tausende Läden gibt, in denen Fußballbundesliga aufgeführt wird, der wird einfach mal stumpf ignoriert und das kann nicht sein. Entweder ist das dilettantisch, was ich mir bei uns vorstellen könnte, aber nicht bei so nem Multimilliardenkonzern oder es ist einfach bewusst in Kauf genommen, es interessiert die nicht. Mir sind als Mensch Gesten wichtig, das versuche ich selbst auch ins Geschäftsleben zu übertragen und das ist so eine Form von Respektlosigkeit. Ich hab bis ne Woche vorher abgewartet, hab mir dann nochmal vom Eurosportplayer die AGBs durchgelesen und festgestellt, dass es verboten ist, eine öffentliche Aufführung zu tätigen. Dann habe ich noch ein paar Tage gewartet und dann haben wir uns zusammengesetzt und uns unterhalten und okay – wir dürfen das nicht zeigen und bevor wie da irgendwelche Mahnbescheide bekommen über tausende von Euro, dann lassen wir es halt.
Steffen:
Mittlerweile haben sie gesagt, man darf es.
Nando:
Als wir diesen Entschluss gefasst haben, einen Tag später hieß es dann: Man darf. Aber was ist das für ein Geschäftsgebaren? Ach ja, in drei Tagen ist ja Bundesliga.
Steffen:
Oops, vergessen. Es geht ja los.
Nando:
Was machen wir denn mit den Kneipen? Ja, puh, lass die mal, bis zum Ende des Jahres können die auch mit gucken. Das ist so… sorry, so möchte ich mich nicht behandeln lassen.
Steffen:
Ich habe ja die ganze Zeit fest damit gerechnet, dass die sich einigen mit Sky. Also zumindest auch diesen Weg finden, dann machen sie es über HD+ bei Sky auch oder irgendwie sowas. Und ich bin echt gespannt, denn ich habe eigentlich nun in dieser Länderspielpause damit gerechnet, da die nächsten Spiele dann ja bald anstehen, dass sie sagen: „Okay, 1. Spieltag, drauf geschissen – läuft ja eh auf ZDF. Der 2. Spieltag, da spielt der HSV – ist auch egal.“ Und das man nun in der Länderspielpause dazu kommt, irgendwie eine Lösung zu finden, aber das scheint ja nicht so zu sein. Vielleicht bis nächstes Wochenende passiert was – aber ich weiß es nicht. Normalerweise müssten sie ja beide in Interesse daran haben, sich zu einigen. Weil Eurosport will was damit verdienen, dass sie diese Rechte gekauft haben, ansonsten – gut, Discovery wird nicht pleite gehen, aber die haben da halt richtig Geld hingelegt für das, was sie da haben. Für die HD+-Kunden und die paar Eurosportplayer-Kunden kriegen sie das nicht ansatzweise wieder rein. Sky war gerade auf dem Punkt, dass sie mittlerweile plusminus Null arbeiten, aber denen rennen ja die Leute weg. Einigen ist das halt nun zu blöd.
Nando:
Dann sind wie wieder da: Die sind halt komplett geblendet durch dieses Geldverdienen. Die gucken, wie das in England läuft seit Jahrzehnten und wollen das dann in Deutschland auch.
Steffen:
In England läuft das normal als Pay-TV und das ist für mich der Hauptpunkt bei dieser Geschichte – klar, du kannst es jetzt über HD+ im Fernsehen sehen, aber du hast HD+ nicht als Receiver in den allermeisten Fällen, ein paar Leute haben das, aber das sind wirklich die wenigsten. Die meisten gucken HD+ über Sky. Und du hast ansonsten die Option, diesen Eurosportplayer zu gucken und das ist ein Onlinestream. Und Onlinestream heißt, irgendwie 40 Sekunden hinter der Realität. So, dann hast du, weißt du selber, im Eisen sitzen 10 Leute, die haben ein Handy in der Hand. Dann ist wahrscheinlich die Torhupe von der Werder-App schneller als das Fernsehbild. Das macht doch keinen Sinn, sich in ne Kneipe zu setzen und ein Fußballspiel zu gucken, das seit 40 Sekunden schon gelaufen ist. Wenn du das Fenster aufmachst im Eisen und Werder spielt zuhause, dann hörst du das Stadion schreien und guckst dann lange hin, bis dann irgendwann das Tor fällt.
Nando:
Und das ist für mich wieder so ein weiteres Beispiel, dass diese ganzen Chefökonomen dieser ganzen Fußballindustrie nicht ansatzweise begreifen, was Fußball bedeutet. Die kriegen keinen Zugang zu dieser Emotionalität. Es gibt ja für einen Fußballfan nichts Kaputteres als das, was du beschrieben hast. Es gibt Elfmeter für Werder, Kruse läuft an und 10 Leute sagen schon: „Öhh, geht eh an den Pfosten.“ Mehr kannst du jemanden als Fußballfan, der hochgradig emotional gerade mit jeder Pore seines Körpers dabei ist, mit Leidenschaft, mehr kannst du den nicht ins Knie ficken. Und das kapieren die nicht, dass so ein Produkt wie jetzt der Eurosportplayer über das Internet inakzeptabel ist. Joa, toll, verbreitet, kauft euch Abos, ist ja alles prima.
Steffen:
Ja, dann müssen sie es halt technisch hinkriegen. Ich glaube Kabel in HD ist auch irgendwie 8 Sekunden hinterher, aber das ist so ne Toleranz, die man noch akzeptieren kann.
Nando:
Die müssen sich einfach mal hinsetzen, für mich gibt’s nur eine akzeptable Lösung, so gerade so für den Umstand, dass ich jetzt eigentlich für was mehr zahlen muss, wofür ich bisher bei Sky ohnehin schon horrende Summen bezahlt habe: Dass Eurosport über den Sky Decoder normal empfangbar ist, wird halt verschieden abgerechnet und ich schalte einfach mit der Fernbedienung um und habe es dann live. Das ist für mich die einzig akzeptable Lösung, zu einem Preis, der mich nicht komplett in den Ruin treibt als Gastronom. Und wenn ich jetzt neben den tausenden Euro, die ich jährlich für Sky schon zahlen muss, nochmal zweitausend Euro für Eurosport zahlen soll – was soll ich denn für die Biere dann nehmen? 8 Euro?
Steffen:
Du kannst ja sonst nur sagen, wenn Fußball ist, dann kostet das erste Bier mehr oder was. Das ist dann natürlich scheiße.
Nando:
Ja, und so sind wir nicht. Das ist nicht unsere Ladenphilosophie. Genauso wie wir seit 25 Jahren noch nie einen Cent Eintritt für ein Konzert im Eisen genommen haben, denn die Leute sollen kein Geld dafür bezahlen müssen, unsere Kneipe zu betreten. Genauso sagen wir, dass die Leute dafür, dass wir da gemeinsam Fußball gucken, sollen die Leute jetzt nicht mehr zahlen. Wir sind auch so, dass wenn da nun einer sitzt und trinkt in 90 Minuten eine Tasse Kaffee, dann ist das so. Da werden wir nicht sagen: „Also wenn du die 2. Halbzeit noch gucken willst, dann musst du aber noch ein paar Schnäpse bestellen.“ Das widerspricht komplett unserer Philosophie, in der wir uns ja auch als sozialer Raum sehen. Genauso werden wir da jetzt weder Eintritt nehmen oder das erste Bier erhöhen oder was weiß ich. Wir werden das irgendwie mittragen, solange wir das mittragen können und wenn es irgendwann nicht mehr geht, dann geht’s halt nicht mehr. Und so ein erster Schritt ist jetzt – man weiß ja nicht, wie es in der Rückrunde aussehen wird, ob die sich da noch einigen – dieser erste Schritt ist jetzt dieser Eurosportplayer. Für ins ist das so eine Respektlosigkeit, 3 Tage vorher Wirtschaftsunternehmen wie zehntausenden Gastronomien in Deutschland zu sagen: „Ja, stimmt. In 3 Tagen geht’s los. Irgendwas müsst ihr ja auch machen, aber dürft ihr ja eigentlich nicht im Eurosportplayer gucken, aber wir haben ja kein anderes Produkt. Na dann guckt den jetzt erstmal für die Hinrunde. Das ist so – nee, da ist für uns eine Grenze überschritten gewesen, wo wir uns gesagt haben – okay, wir sind da vielleicht auch ein wenig bockig – wir müssen da mal ein Zeichen setzen.
Steffen:
Das finde ich aber auch völlig richtig. Wenn sowas nicht kommt, dann wissen sie auch, dass sie damit durch kommen. Ich fand es ja super unterhaltsam, dass die ganzen Leute Köln gegen den HSV nicht gucken konnten, weil der Eurosportplayer Fehler angezeigt hat. Da muss ja auch die DFL mal was sagen, dass die Bundesliga – ich weiß nicht, wieviele Leute so ein Freitagabendspiel normalerweise gucken, aber das sind schon vernünftige Einschaltquoten, da hängt ja für die diese ganze Maschinerie mit Werbung, Bandenwerbung, tralala, da hängt ja ne Menge dran. Jeder, der ne Bandenwerbung hatte, der muss ja jetzt nen riesen Brast auf Eurosport und die DFL haben durch diese Vergabe – der wird ja nicht mehr gesehen, außer von den Leuten, die in Köln im Stadion gesessen haben.
Nando:
Da tun sie alles, um so ne popelige Premiumproduktnummer draus zu machen und das so darzustellen und dann wird das wie bei Rudis Resterampe verrutscht. Also eigentlich ist es, wenn es nicht so traurig wäre, weil es ist unser Fußball, den wir so lieben, aber wenn es nicht so traurig wäre, müsste man drüber lachen können, wie das gerade verwurstet wird und was für ein Schwachsinn die da gestalten. Ich merke es ja bei den Leuten, so wenig emotional sind im Eisen die Leute auch noch nie in ne Bundesligasaison gestartet und ich bin gespannt, wie das noch werden wird, wenn wir im Oktober im Eisen Sonntag um 13:30 bei Köln gegen Werder zum ersten Mal eine Radioübertragung machen werden.
Steffen:
Bei Kaffee und Kuchen.
Nando:
Bei Kaffee und Kuchen und dem einen oder anderen Torschnaps. Ich hoffe a, dass das erstmal technisch alles vernünftig läuft und b, wir hatten es ja schon einmal früher als Werder in Mailand im Europapokal spielte und das nicht übertragen wurde, da haben wir auch einfach Radioübertragung gemacht, war spannend, weil es einfach ein ganz anderes Kneipenerlebnis war. Es gucken nicht alle in eine Richtung und trotzdem sind alle total konzentriert und es wird so wenig geredet wie noch nie. Aber es ist ja dieses Unmittelbare und alle sind so ein bisschen angetriggert, weil es sie an ihre Kindheit erinnert, so Samstagnachmittag mit der Bundesligakonferenz auf NDR2 am Radio sitzen. Da assoziiert jeder was mit und wenn ich die Reaktionen dann teilweise sehe, wie Leute teilweise sagen: „Ja, Radio, da haben wir Bock drauf!“ Da ist schon viel Sehnsucht bei den Leuten nach diesen alten Zeiten da, die da im positiven Sinne doch auch schlummert, dass die einfach auch alle keinen Bock mehr haben.
Steffen:
Ist auf jeden Fall auch schöner als zu sagen, man hat es 40 Sekunden später über ein Streambild, was wahrscheinlich dreimal hängen bleibt und nicht richtig funktioniert.
Nando:
Ich hab den relativ fiesen gehässigen Impuls, eine Box ins Fenster zu stellen, damit alle Mitbewerber und die Privateurosportgucker irgendwie live schon hören, dass ein Tor gefallen ist, während bei ihnen auf dem Bildschirm gerade erst ein Abschlag gemacht wird.
Steffen:
Oder ihr macht diese Regel: Wer im Eisen im Radio Bundesliga hören will und Werder schießt ein Tor, der muss auf die Straße rennen und schreien. Alle raus: „Yeah!“
Nando:
In jeder Krise steckt irgendwie ne Chance, aber das das ist alles ein totales Desaster und rein betriebswirtschaftlich ist das für alle Kneipen einfach gerade ein Riesenhaufen Scheiße. Aber es kann auch was Neues, Lustiges und Gutes daraus wachsen.
Steffen:
Ich habe früher auch immer diese Freitagabendspiele, als es die erst noch gab, ganz oft abends im Bett, obwohl ich eigentlich schlafen sollte, im Radio bei Bremen 1 gehört und ich kann mich dran erinnern: Immer wenn „Go West“ von den Pet Shop Boys lief, schoss Werder ein Tor. Deshalb mochte ich das Lied damals – grober Fehlschlag, aber das fand ich immer cool. Mal gucken, was es heute gibt. Richtig im Radio das Spiel gibt es auch nicht mehr.
Nando:
Ja, Sport1fm läuft ja jetzt auch nicht mehr online, sondern über Amazon Prime dann. Das muss man dann über den Computer an der Anlage anmachen. Weil Bremen 1 läuft ja auch nicht komplett, das haben sie das gegen Mailand damals auch 90 Minuten gemacht, aber bei dem 13:30 Uhr Spiel, da werden die alle Viertelstunde mal rüber schalten und dazwischen läuft irgendwie Fahrstuhlmusik. Das kannst du nicht machen. Also wir werden diesen Amazon Prime Stream anmachen, wo dann 90 Minuten Hörfunk übertragen wird, einfach mal testen. Und wenn das irgendwie erträglich ist, dann haben wir kurz danach schon das Frankfurtspiel am Freitagabend und dann gucken wir mal.
Steffen:
Ist ja für Werderfans mit der Ansetzung, wenn sie das dann doch über den Eurosportplayer gucken wollen, ganz freundlich, weil man kommt da mit einem Monatsabo hin und kann beide Spiele sehen.
Nando:
Du kannst glaube ich auch ein Wochenabo abschließen für 4,99 oder so und dann guckst du dir für 10 Euro zwei Spiele an. Es machen ja auch viele Leute, die sich erstmal empört haben. Das steht ja auch jedem frei, aber da sind wir dann wieder an diesem Punkt: Es gibt ja beim Fußball kein „Richtig“ oder „Falsch“ oder halt nur als grundlegende Antipoden und jeder muss selber auf der Linie dazwischen seine Koordinaten finden – wo ist meine persönliche Grenze erreicht.
Steffen:
Und so richtig weg kommt man davon auch nicht.
Nando:
Das ist ja – wir sind ja alle Junkies. Es ist ja eine hochgradig emotionale Geschichte, die irgendwie ohne Ende Endorphine in uns aussetzt und das schon seit frühester Kindheit. Da werden wir nie richtig von weg kommen und das erlaubt ja auch diese ganzen Kompromiss, die wir machen. Nur wie hoch die Kompromissfähigkeit ist, wie sehr man bereit ist, sich was vorzumachen, was gar kein reales Produkt mehr ist, das ist ja bei jedem individuell verschieden. Der Eine wird auch ein Red Bull Leipzig Modell für Werder akzeptieren, Hauptsache wir spielen wieder Champions League und der Andere ist halt mehr Sozialromantiker und hört dann lieber Radio und geht zur Not mit Werder in die 2. Liga – Hauptsache wir verlieren nicht unser Rückgrat.
Steffen:
Ich bin gespannt, wie weit sie das ausreizen. Eine Grenze könnte da auch bald erreicht sein.
Nando:
Positiv formuliert erleben wir gerade spannende Zeiten, negativ formuliert ist es ein einziger Haufen Scheiße.
Steffen:
Das ist ein gutes Schlusswort.
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