Identifikationsfigur – Die Fragen der Generation Y

Für hervorragende Stimmung sorgten am Freitag im Kulturzentrum Lagerhaus Deutschpop-Musiker Haller und sein Studiopartner falcke. Dabei setzte das Bremer Publikum die Messlatte für die weiteren Stops der „Der junge Mann geht auf Tour“-Tour deutlich höher.

Foto: André Beiler

Bremen. Haller hat durch Songs, wie „Schön genug“ und „Er oder Sie oder Du“ aus meiner persönlichen Perspektive dieses Jahr ein größeren Bekanntheitsschub erfahren, auch ich bin erst seit diesem Jahr auf ihn aufmerksam geworden. Dass die Songs durch Social Media weitere Kreise ziehen und die Bekanntheit der Künstler:innen steigt, zeigt „Schön genug“ sehr deutlich. 2018 ist die Single erschienen. Mittlerweile hat der Song 14,1 Millionen Streams auf Spotify. 2019 war Haller das letzte Mal in Bremen zu Gast. Damals noch ein paar Meter weiter in der Lila Eule. Vor vier Jahren bin ich gerade erst nach Bremen gezogen und noch nicht so viel in Bremen und deren Musikszene unterwegs. Für die Mehrheit der Zuschauer, wie auch mich, war es also das erste Haller-Konzert.

Umso besser, dass jetzt mehr Menschen seine Lieder mitsingen können und sich darin wiederfinden können. Fragen der Generation Y fasst er in ihren Essenzen zusammen. Haller trifft mit seiner Musik den Zahn der Zeit. Die Themen, die er besingt sind ernst und er verleiht ihnen aber eine Zuversicht und reflektierte Perspektive. Irgendwo zwischen Indie und Pop mit Hip-Hop-Elementen und pulsierenden Bässen, Melodien, die ins Ohr gehen, und sanfte Klänge aus Gitarre, Synth und Gesang findet Haller seinen Platz. Ein unfassbar nahbarer Künstler sowohl in seiner Musik, als auch in seinem Auftreten.

Mit im Gepäck war Hallers Studiopartner falcke. Zusammen teilen sich die beiden ein Studio in Köln seit nun anderthalb Jahren. Die Chemie zwischen den beiden Musikern stimmte wohl von Anfang an und als die Tour anstand, fiel die Wahl des Support-Acts ziemlich schnell auf Niklas, alias „falcke“, dessen Ankündigung Haller persönlich übernahm.

Musikalisch bewegt sich falcke im Hip-Hop und Pop. Mit nachdenklichen Texten über Herzschmerz und die Gedanken, die einem währenddessen durch den Kopf schwirren. Der Wunsch woanders sein zu wollen, aber im Hier und Jetzt “gefangen“ zu sein. Eine leichte Schüchternheit strahlt er aus. Er müsse sich noch an dieses Gefühl, auf Tour zu sein, gewöhnen, sagt er selbst und zeigt dabei seine Verletzlichkeit. Nachvollziehbar wenn man bedenkt, dass es seine erste Tour ist. Mit Drumpad und Samples via Loop performt falcke seine Musik. Der Mix aus seinen Halftime-Beats, akzentuierte Gitarren und Synthesizer für einen melodischen Background, erzeugen zusammen mit Gesang einen weichen Flair. Als würde er das, was er auf dem Herzen hat erzählen und man muss einfach nur zuhören, weil es das ist, was mein Gegenüber gerade braucht.

Foto: André Beiler

Verschmitzt lächelnd und mit einem kurzen Winken kommt Haller auf die Bühne. Schon beim zweiten Song „Junge“ singen so viele Fans mit. „Junge“ beschreibt die Situation getrennter Eltern und man solle sich nicht so viele Gedanken darüber machen. Als Kind lässt sich das nur schwer verstehen. Überwältigt von so viel Jubel und Support des Publikums, dauert es auch nicht lang, dass der gebürtige Aachener sich „entblößen“ muss, wie er selbst in Bezug auf seine Glatze sagt und legt seine Kappe beiseite. Lange hat er mit der Tatsache der Glatze gehadert, aber auch damit hat er einen selbstbewussten Umgang gefunden und textlich verarbeitet. Auch das Publikum gibt Zuspruch und Komplimente in Form von Jubel. Sehr schnell hat sich eine Korrespondenz, eine Symbiose zwischen Künstler und Zuschauern entwickelt. „So gut wie Bremen hat noch kein Publikum mitgesungen“, so Haller während des Konzerts. Das nimmt er zum Anlass und präsentiert die neu entwickelte Art der Bandvorstellung.

Der Unterschied zu der Weise, die man von anderen Konzerten kennt, besteht darin, dass es ein stärkeres „Call & Respond“ gibt, wie man es aus der Musik kennt. Nachdem mit musikalischer Untermalung der Name des Bandmitglieds mitgeteilt wurde, wiederholt das Publikum den Namen, anstatt nur laut zu jubeln. Auch das hat aus meiner Sicht den Eindruck einer Symbiose und größeren Verbundenheit unterstrichen. Es bildeten sich dann daraus zwei Lager. Linksseitig der Bühne „Team Dario“ und zur anderen Seite „Team Uwe“. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden diese aber wieder zusammengeführt.

Foto: André Beiler

Zuerst brachte Haller mit „Malboro“ coole, positive und funkige Elemente zum Hören auf die Bühne; ein Lied über Liebe und das Brennen für einen Menschen. Darauf folgte ein bisschen “Me-Time“, wie er es nennt. Korrigierte das jedoch zu “Us-Time“. Haller alleine mit einer Gitarre auf der Bühne. Die etwas intimere Zeit des Konzerts. Er gesteht, dass die ersten Konzerte der Tour sich wie ein Geschwindigkeitsrausch anfühlen, aber er und seine Band jetzt eingegroovt sind. Als er 14 war, habe er von solchen Konzert- und Tourerlebnissen geträumt.

Er bringt seine Band zurück auf die Bühne und singt zusammen mit falcke den Song „Clown“. falcke hat zu diesem Song eine Strophe geschrieben, ebenso der Musiker Conny, der auf der Single-Version von „Clown“ zu hören ist. Und auch sein Bremer Publikum bringt er wieder zusammen. „Team Dario“ und „Team Uwe“ fusionieren zu „Mitte Haller“. Mitte Haller – das klingt irgendwie, wie ein Parteiname.

Foto: André Beiler

Eben diese gemeinsame Mitte wird zum Highlight des Abends bei „Schön genug“ nochmal zusammen richtig laut. Der letzte offizielle Song, bevor er für die Zugabe zurück auf die Bühne kommt. In der Zugabe lässt Haller sein Konzert etwas ruhiger, aber mit einem wohligen Gefühl ausklingen. Retrospektiv verleiht es dem letzten offiziellen Song der Setlist des Abends den Status: Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist.

Fotos: André Beiler

 


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