Die 13 ½ besten Alben 2019 – sowas wie eine Liste von Claas

Pop, Hip Hop, Folk, Punk, Rock, Soul – alles drin in dieser so genannten Liste.

Keine Liste, nicht mal zehn Alben und keine Reihenfolge, dafür mit einem Ausblick. So sah das musikalische Jahr 2019 aus.

Zunächst beginnen die Titel meiner beiden Lieblingsalben mit dem Wort „Ich“! Was zur Hölle hat das schon wieder zu bedeuten? Narzissmus? Vielleicht auf dem ersten Blick, nicht aber für denjenigen, der/die sich mit der Musik und den dazugehörigen Texten beschäftigt.

Da hätten wir also zum einen THE NATIONAL mit I’M EASY TO FIND – ein Album, trotz der Länge, auf Dauerschleife und dennoch beschleicht mich immer wieder das Gefühl, mich nicht genug mit dem Album beschäftigt zu haben. Wie auch immer THE NATIONAL schaffen auch mit diesem Werk eine zarte Weiterentwicklung oder sollte mittlerweile von Veränderung oder Variation gesprochen werden. Egal! Der Film, der überhaupt erst die Initialzündung für dieses Album war, lässt mich noch immer an den Gedanken festhalten, dass hier eine Lebensgeschichte erzählt wird. Die vielen Gastsingerinnen tun der zarten Melancholie der Band zusätzlich gut und THE NATIONAL schaffen es hier den aktuellen Bandsound mit der Dringlichkeit früherer Platten zu verbinden.

Neben THE NATIONAL zählte CRAIG FINN’s viertes Soloalbum I NEED A NEW WAR zu den absoluten Dauerbrennern im letzten Jahr. Im Gegensatz zu FINN’s Hauptband (dazu gleich mehr), handelt es sich beim Solowerk um musikalische Kurzgeschichten über Menschen, die es schaffen wollen, aber an den  Umständen scheitern. Da ziehen Typen in die Stadt und versuchen sich zu amüsieren. Kriegsheimkehrer arbeiten in Bars und sind nicht mehr dieselben, eine Frau kämpft sich durch einen öden Job und einer öden Beziehung und einem anderen Typen wird der Strom abgestellt, weil das Geld nicht mehr reicht, und das erinnert an General Grant’s Zeit in Galena. Verpackt sind diese Geschichte in einem kaum definierenden Sound aus Folk, Americana, Indie und Countryrock. Der beste Song von Finn aus diesem Jahr, hat es aber nicht aufs Album geschafft, sondern wurde nur als Single veröffentlicht.  IT’S NEVER BEEN A FAIR FIGHT – Eine Abrechnung und Liebeserklärung an die wohl ursprünglichste Musik, aus der sich mein kompletter Musikgeschmack speist.

Mittlerweile ist es vielleicht durchgedrungen – 2019 kam sehr stark über die Texte. CRAIG FINNS Hauptband THE HOLD STEADY machen da keine Ausnahme. Besteht CRAIGs Solowerk aus Kurzgeschichten, erzählten THE HOLD STEADY auf THRASHING THRU THE PASSION einen Blockbuster. Es handelt sich um das erste Album in der aktuellen Fünferbesetzung, nach der Rückkehr von FRANZ NICOLAY. (Auch zu ihm später mehr). Zwar ist sein Beitrag auf dieser Platte nicht so groß, aber spürbar, und es ist gut, dass er zurück ist. Die Stories sind größer, die Geldbeträge, um die es in den Geschichten geht, sind größer, Mord und Gefängnis kommen in den Geschichten vor, Johnny Cash und Hemingway und Mick Jagger. „I still like the party flavor but I hate the party people“ – auch FINN ist älter geworden, wie wir alle. Darum: „It does not has to be perfect it has to be kind of worth it“ Die Anspielung auf den Song „Chips Ahoy“ ist angekommen, oder? Okay, Nerdtalk aus!
Eigentlich befand sich die B-Seite des Albums bereits letztes Jahr in meiner Liste, damals noch als selbstgebastelte Zusammenstellung von Downloadsingles. Dieses Jahr folgte das um 5 neue Stücke erweiterte neue Album. Und noch immer sind THE HOLD STEADY die beste Barband der Welt. Punk(t).

Von THE HOLD STEADY ist es nur ein kleiner Schritt, um genau zu sein, durch (über?) den Turnpike von New York nach New Jersey. Da kommen TITUS ANDRONICUS her, die ohne große Ankündigung ihr Album AN OBELISK veröffentlicht haben. Erst letztes Jahr gab es ein Dylan angehauchtes Werk, aufgenommen mit ungefähr 50 Musikern, vom Orchester bis Glockenspiel. Nun die Rückbesinnung auf die Anfangstage, als TA eine Viermann Punkband war, rau, wild und laut. Schon der Opener verteufelt jeglichen Kommerz und die Industrie, die jede kleine Sache ausschlachten muss, nur um sich anschließend ein neues Opfer zu suchen. Da zeigen sich Parallelen zum Leben auf und kann als Warnung gelten, sich nicht auf Großkonzerne und die Industrie einzulassen, denn diese Monster haben nur eines im Blick, die eigene Gewinnmaximierung! Im Vorbeigehen hat die Band außerdem mit  TUMULT AROUND THE WORD (neben FAIR FIGHT) den Song des Jahres geschrieben und gleich das beste Video mitgeliefert.

Wer ist bis hierhergekommen? Schön – jetzt geht es schneller, versprochen.

Auch wenn es das FRANK TURNER Album ist, welches mich bisher emotional am wenigstens berührt hat, es erzählt von 13 Frauen und ihren Geschichten, die nicht vergessen werden sollen, gehört es trotzdem hier hin. Ich war schon immer äußerst loyal und der Ansatz des Albums erinnert positiv an das Frühwerk, es ist sehr direkt geschrieben und textlich begibt TURNER sich auf NO MAN’s LAND auf neues Terrain als Erzähler.

Einige Schlaumeier unterstellten mir kürzlich, ich würde der lokalen Szene nichts gönnen, was natürlich selten dämlich ist, wer diese Seite kennt! Hier also der Brementeil:

RHONDA sind zwar in der ganzen Welt verstreut, beziehen sich aber immer auf ihre Bremer Wurzeln und eröffneten das Jahr 2019 mit YOU COULD BE HOME NOW. Gesagt habe ich bereits alles hier

TIGHTILL, JAY-POP und ALI WHALES & SMOG, alle aus der EROTIK TOY CREW, alle bei GOLDEN PRESS erschienen, alle aus Bremen, mit der Fähigkeit Hip Hop um eine weitere Nuance zu erweitern,  mit Hits, die bleiben werden. The most sensitive crew in town eben.

Auch GUNNER RECORDS veröffentlichte 2019 fleißig Platten. Die für mich wichtigsten (aka besten) waren das Debüt von LITTLE TEETH – REDEFINING HOME, denn genau dieses Gefühl beschreibt das Album, denn Sänger CORY CALL von Arliss Nancy zog der Liebe wegen nach München und gründete eine neue Band, deren Debüt von der ersten und oftmals entbehrliche Zeit erzählt.  MOBINA GALORE werden das nächste große Ding im Punkrockcircus werden. Auf DON’T WORRY verbindet das Duo die besten Momente der beiden Vorgängeralben, ist wild, rotzig und trotzdem voller Melodien, die es an manchen Stellen sogar schaffen den guten alten Melodycore zu streicheln, nur um wenige Augenblicke später wieder wie aus der Gosse zu klingen. So kann/darf/muss Punk im Jahr 2019 klingen. Und schließlich gibt es endlich das WORLD/INFERNO FRIENDSHIP SOCITEY Debütalbum endlich auf Vinyl, auf dem eben FRANZ NICOLAY eine nicht unwichtige Rolle spielt. Alles scheint zusammenzuhängen. Das finde ich cool. Danke GUNNER REC.

Selten schafft es mich ein Künstler live sofort von sich zu überzeugen. Dieses Jahr haben das gleich zwei Bands geschafft. PKEW PKEW PKEW in London und Bremen, stumpfer Punk, voller Melodien und nur einem Thema – Bier. Auch hier hat CRAIG FINN seine Finger mit im Spiel. Aber wichtiger war für mich JOHNNY LLOYD, der auf NEXT EPISODE STARTS IN 15 SEC. reduzierte, zarte und melancholische Akustikballaden gezaubert hat und mit dem Titelsong wohl sowas wie den dritten besten Song des Jahres produziert hat. Soviel positiven Nihilismus muss erstmal verarbeitet werden. Aber dann doch lieber Nihilismus als Narzissmus und nun muss auch mal schlusssein mit dem Vergangenen.

Im Jahr 2020 freue ich mich auf neue Alben von TURBOSTAAT, gefühlt wird es das beste Album ihrer Karriere werden, die drei Singles klingen jedenfalls sehr vielversprechend. Auch RHONDA haben ein neues Album angekündigt. Die 13 CROWES Platte SOLWAY STARS läuft seit ein paar Wochen auf Dauerschleife. Und auch die erste NADA SURF Single klingt vielversprechend. Auch AS FRIENDS RUST haben angekündigt an neuem Material zu arbeiten. Mal sehen, wie viele es davon in die 2020 Liste schaffen.

Live ging ebenfalls einiges, THE HOLD STEADY in London, LOST EVENINGS III in Boston, BOOZE CRUIESE in Hamburg, vor allem mit den Auftritten von CHAMBERLAIN und AS FRIENDS RUST, SAMIAM im Tower, MUFF POTTER in der Markthalle und HOT WATER MUSIC in Berlin. Um ein paar Highlights zu nennen. Das darf 2020 gerne weitergehen.


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