EAR geht, das Viertel bleibt, aber wie wird es aussehen?

Gedanken zur Schließung des Plattenladen EAR zum 19. Januar 2019

Bremen. Ein Plattenladen, ein guter noch dazu, war immer mehr, als ein Einzelhandelsgeschäft. Es war Sozialisation, Treffpunkt, Diskussionsrunde und Kaffeekränzchen. Wohin in der Mittagspause, wenn es regnete, nichts zu tun war oder die Platte im Schaufenster steht, um die man schon wochenlang rumschlawinerte. Natürlich in den Plattenladen, irgendjemand wird schon da sein, zum Schnacken oder fachsimpeln.

Das größte Lob, das es für einen Musikliebhaber gab, war ein wohlwollendes Nicken des Verkäufers, nur noch getoppt von direkt ausgesprochener Anerkennung, wenn ein Exemplar seines Geheimtipps über den Ladentresen wanderte.

Das eigene Auftreten verändert sich mit der Zeit. Anfangs, zögerndes Betreten des Geschäfts, gefolgt von Schüchternes stöbern und schließlich mit gesengtem Blick der Kauf einer, zumindest in Indiekreisen, und da wollten wir uns bewegen, bekannten Band, während am Tresen über Fugazi oder die Replacements philosophiert wurde. Wer sich davon nicht hat entmutigen lassen, stand Jahre später am gleichen Platz und diskutierte immer noch über dieselben Bands. Trends kommen und gehen, Klassiker bleiben für immer aktuell. Für die Popmusik gilt das ganz besonders.

Nun gibt es bald leider einen Tresen weniger in der Stadt. EAR im Steintorviertel schließt zum 19. Januar 2019 seine Türen, für immer. Wieder geht ein Stück Kultur des Stadtteils an Spotify, Amazon und Apple verloren. Weil es so bequem ist, so einfach und so schnell. Amazon, Spotify und Apple reden aber nicht mit einem, sie schlagen nur vor, diskutieren nicht, sondern bauen darauf, dass du den gleichen Geschmack hast, wie zig andere. Sie kennen dich nicht! Popmusik soll aber nicht bequem sein, sondern anecken und will erarbeitet werden, sonst wird es beliebig!

Immer mehr Institutionen der Popwelt verschwinden, INTRO, GROOVE, SPEX, ZOFF, LONLY PLANET, jetzt EAR. Besteht wirklich kein Interesse mehr an einer Auseinandersetzung mit Pop?

Es geht aber um mehr, der Stadtteil verliert eine weitere Institution und wird beliebig, wie Amazon und Spotify. Wer das nicht will, muss sein Verhalten ändern, wieder in die Geschäfte gehen, Stammkunde werden, wenn es so was überhaupt noch gibt. Und die Geschäfte müssen ihr Konzept überdenken. Es reicht nicht mehr lediglich seine Waren anzubieten und zu beraten, um sich gegen die Großen zu behaupten. Ein Mehrwert muss geschaffen werden, irgendwas, um den Einzelhandel attraktiver als Amazon zu machen, wenn es nicht über den Preis geht.

Schaut noch mal bei EAR vorbei und verabschiedet Euch.


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