„Soziales und kulturelles Handeln ist politisch“

Watt en Schlick Fest-Veranstalter Till Krägeloh aus Bremen spricht im Interview über Nachhaltigkeit, Haltung, Inhalte und Werte des Festivals in Dangast

Watt En Schlick Fest // 30.07.2016 Foto: Ulf Duda / fotoduda.de

Kein Plastik, eine alternative Energieversorgung, Müll vermeiden – Festivals wollen immer nachhaltiger werden. Wie sehen die Pläne und die Ideen beim Watt en Schlick Fest aus?

Till Krägeloh: Konkret verzichten wir im Food- und Getränkebereich komplett auf Plastik. Bei uns gibt es Geschirr aus nachwachsenden Palmenblättern sowie Mehrweg-Becher, die wir extra für das Festival hergestellt haben. Auf unseren Campingwiesen arbeiten wir mit Pfandmüllsäcken. Unsere Gäste hinterlassen dort tatsächlich keinerlei Müll! Derzeit arbeiten wir an einer umweltfreundlichen Stromversorgung und an vielen weiteren Möglichkeiten, das Festival so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten. 

Wie sieht der Traum oder auch die Utopie eines nachhaltigen Festivals für euch aus?

TK: Natürlich ist es wichtig, die Umwelt zu achten, gerade weil unser Festival ja im Weltnaturerbe Wattenmeer stattfindet. Aber Nachhaltigkeit hat für uns auch eine starke soziale Komponente. Es geht dabei nicht nur um Müll-Reduzierung, sondern auch darum, in einer großen Gemeinschaft miteinander klar zu kommen. Es geht darum, andere zu achten, die eigene Meinungen zu vertreten und andere auszuhalten – und zwar Generationen übergreifend und in einer sozialen Mischung. Ich wünsche mir gegenseitigen Respekt und Offenheit Anderen und Neuem gegenüber. Wenn das auf einem Festival so erlebbar ist, hat das auch einen wichtigen nachhaltigen Effekt, wenn man das nach dem Festival sozusagen in seinen Alltag mitnimmt. 

Die Headliner bleiben noch geheim, das Programm ist breit und vielfältig aufgestellt. Beim Watt en Schlick sind es nicht die großen Namen, die die Leute anziehen. Was macht ihr anders? Ist das Vertrauen in die Marke Watt en Schlick Fest wichtiger?

TK: Für uns kommt es mehr auf den Inhalt an und weniger auf Namen, die die Massen anziehen sollen. Es muss künstlerisch und auch menschlich passen. Was wir sonst anders machen? Wir machen einfach!

Till Krägeloh. Credit Axel Martens

Als verhältnismäßig kleines Festival könnt ihr nicht die Mega-Gagen an die Künstler zahlen. Warum kommen sie trotzdem zu euch?

TK: Ich glaube, wir sind authentisch in dem, was wir tun. Es geht uns um Qualität und nicht um die Quantität. Es geht um die Künstlerinnen und Künstler, die ihre Inhalte hier gut präsentieren können. Es gibt eine gemeinsame Basis, auf der wir hier alle zusammenarbeiten. Das schafft Vertrauen und so erhalten wir auch von den Künstlern jede Menge positives Feedback. 

Gibt es ein Umdenken bei Künstlern und Bands, dass ihnen ein ausgewähltes, zusammenpassendes Programm wichtiger ist, als der Rundumschlag der großen Festivals wie Rock am Ring, Hurricane oder Deichbrand?

TK: Ja, das höre ich immer wieder, sowohl von Agenten als auch den Künstlern. Klar hat man gerne eine große Bühne mit Tausenden Menschen davor. Aber wenn das Publikum sich nicht mehr für die Musik an sich und deren Inhalte interessiert, wird das auch den Künstlerinnen und Künstlern nicht gerecht. 

Steht die Kunst, die Musik überhaupt noch im Mittelpunkt der Veranstalter und Festivalbesucher? Oder geht es nur noch um das Erlebnis?

TK: Bis unser endgültiges Programm steht, dauert es etwa 10 Monate. Das ist ein laufendender Prozess, bei dem es darum geht, ein interessantes Programm und verschiedene Positionen zusammenzustellen. Unser Publikum weiß das sehr zu schätzen. Auch denen geht nicht nur ums Konsumieren, sondern ums Entdecken und natürlich zusammen eine richtig gute, anregende Zeit zu verbringen. 

Welche Zielgruppe spricht das Watt en Schlick auf welchen Wegen an? Wie sollen Szenen und Generationen verbunden werden?

TK: Zunächst dadurch, dass wir genremäßig breit aufgestellt sind. Natürlich sprechen wir mit dem einen oder der anderen Künstlerin nicht alle und jeden immer gleichermaßen an. Zuspruch und Ablehnung muss es geben, sonst ist es ja auch langweilig. Mir ist es wichtig, dass sich im Großen und Ganzen alle mit dem Watt en Schlick Fest-Ding wohlfühlen und sich darauf einlassen. Ich glaube, alle, die sich frühzeitig ein Ticket kaufen, ohne dass überhaupt ein Programmpunkt veröffentlicht wurde, wissen genau, was sie hier bei uns am Jadebusen erwartet. Jeder nimmt hier etwas für sich mit. Und wenn wir darüber hinaus noch einen ungezwungenen Austausch der Generationen, Szenen und auch sozialen Milieus haben, freuen wir uns sehr darüber. Denn dieser Zustand ist ja definitiv in der heutigen Gesellschaft sehr selten zu finden.

Wie politisch ist das Watt en Schlick? Durch Filme, Theater oder Musik gibt es ja auch immer politische Äußerungen, Impulse oder Hinweise auf dem Festival?

TK: Ich denke, es ist kaum möglich, nicht politisch zu sein. Soziales und auch kulturelles Handeln ist politisch. Wenn man mit Menschen zusammenarbeitet, bestimmt Filme, Musik, Literatur oder Theater auf die Bühne bringt, hat das alles sehr viel mit Haltungen zu tun. So setzt das Festival bewusst Impulse. Aber wir schreiben den Menschen nicht vor, was sie denken sollen. 

Seid ihr gewissermaßen auch moralisch?

TK: Moral ist ein schwieriger Begriff, weil er eher abgrenzt und Offenheit, die uns sehr wichtig ist, verloren geht. 

Und wir sind sicher nicht diejenigen, die sagen was richtig oder was falsch ist. Vielleicht kann man sagen, dass das Watt en Schlick Fest eine bestimmte Wertegemeinschaft bildet.

Welche Headliner kommen denn nun noch?

TK: Eigentlich ist es ganz einfach: Vorfreude ist die schönste Freude und es darf auch mal spannend bleiben. Da uns ein großes Vertrauen entgegengebracht wird, denken wir, dass wir auch so handeln können. Eins ist ja sicher: Es wird ein Fest!

 


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