Am Wasser gebaut

Vergangenes Wochenende hat das wunderschöne und ausverkaufte Watt En Schlick Fest in Dangast an der Nordsee stattgefunden.

Beatsteaks

Dangast. Bereits im neunten Jahr hat das Watt En Schlick Fest Musik, Natur und Kunst verbunden und im beschaulichen Dangast gut zehnmal so viele Gäste begrüßt, wie das Dorf normalerweise Einwohner hat. Der Ruf als eines der schönsten deutschen Festivals eilt ihnen längst voraus, und der sofortige Ausverkauf aller Tickets nach Vorverkaufsstart für das Folgejahr hat sich zur schönen Tradition entwickelt. Große Namen stehen auf der Bühne, auf der Mainstage blicken die Bands während ihres Auftritts hinaus auf die Nordsee im Jadebusen. Direkt am Wasser und im Einklang der Tiden stehen die Besucher:innen oft barfuß im Sand, alles ist detailreich und liebevoll arrangiert, sehr familienfreundlich und entsprechend viele Kinder spielen tagsüber am Strand oder schwimmen im Wasser. Bier gibt es vom nahegelegenen „Jever“, Cocktail-Kreationen wie „Schlick Schlack Schluck“ zeugen einmal mehr vom Einfallsreichtum der Crew und eine vielfältige Auswahl an Essensständen sättigt jeden Festivalgast.

Der berühmte Rhabarberkuchen des Kurhauses am Rande des Geländes wird auch direkt am Strand neben Kaffeespezialitäten verkauft und kann genossen werden, während auf den vier Bühnen Bands, Solokünstler:innen und Autor:innen auftreten. Direkt am Wattenmeer gibt es neben der Hauptbühne das je nach Ebbe und Flut im Wasser schwimmende oder auf Watt stehende Floß am Rande des Geländes und mittendrin die mit vielen Helfer:innen aus Holz gebaute und mit vielen Details geschmückte Palette von Flowin Immo. Die vierte Bühne „La Mer“ steht von Holzbauten umringt an der Promenade und wechselt das Programm mit der Mainstage ab.

Der Lokalkolorit aus Bremen und Oldenburg macht sich einmal mehr bemerkbar, als Flo Mega am frühen Freitagnachmittag das musikalische Programm eröffnet. Mit Bläsertrio und spielfreudiger Band The Ruffcats kündigt er nebenbei ein neues Album für den Herbst an. Anschließend startet mit Flowin Immo gleich der nächste Bremer mit den Auftritten auf seiner selbstgebauten Palette. Bei einer Freestyle-Stunde rufen die Besucher:innen Wörter rein, zu denen der Rapper live improvisiert, textet und reimt.

Die Allstar-Band Crucchi Gang besteht aus deutschen Musikern, die deutsche Lieder ins italienische übersetzen. Angeleitet von Halb-Italiener Francesco Wilking von Die Höchste Eisenbahn und begleitet von einem zwölfköpfigen Bläser- und Streicherensemble sind mehrere Gastmusiker dabei, die ihre eigenen Songs nun auf italienisch performen. „Das schöne Leben“ von Steiner & Madlaina wird zu „La Dolce Vita“, „Alles Grau“ von Isolation Berlin zu „Tutto Grigio“ – jeweils gesungen von den Originalinterpreten. Ebenfalls dabei sind Tristan Brusch und Von Wegen Lisbeth-Sänger Matthias Rohde – wohlgemerkt tritt an diesem Wochenende keiner der vier „Original“-Acts auf, alle vier kommen nur für diesen Gastauftritt nach Dangast.

Eine Entdeckung auf dem Watt En Schlick ist die Newcomerin Brockhoff, die ein rockiges Set mit drei Gitarren spielt. Laut und energisch ist die Punkrock-Gruppe Shame aus London, bei denen es sich im Sand vor der Bühne füllt – die Musik funktioniert hervorragend auf der großen Bühne und wird entsprechend vom Publikum bejubelt. Ein Kontrast dazu ist Moglii auf dem kleinen Floß, bei dem die Leute teilweise schon im Watt stehen und die Klänge genießen. Betterov ist einer der hoffnungsvollsten Newcomer der deutschsprachigen Musikszene und hat gerade sein Debütalbum für den Herbst angekündigt. Auf dem Floß spielt er mehrere neue Songs wie „Schlaf gut“, „Böller aus Polen“ und „Hier in meiner Straße“. 2021 hat er mit „Dussmann“ einen der besten Songs des Jahres veröffentlicht, live bekommt er dabei heute Unterstützung von Tristan Brusch. Die Live-Band ist extrem spielstark, die Leute stehen direkt vor der Bühne im Watt.

Danger Dan spielt am bis zur Wasserkante gefüllten Strand einen Headliner-Auftritt der ruhigeren Art mit Piano-Set. Zunächst solo, im zweiten Teil mit Streicher-Quartett gibt es emotionale Highlights wie „Lauf davon“, den Über-Song „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ oder das bewegende, rein instrumentale Stück „Mein Vater wird gesucht“. „Tesafilm“ zur zweiten Zugabe ist mit Streichern besonders berührend und zum Abschluss darf sein Bruder und Antilopen Gang-Kollege Panik Panzer bei „Beginne jeden Tag mit einem Lächeln“ rumschreien. Um 1:30 Uhr spielt Newcomer Edwin Rosen als Late Night-Special seinen spätesten Auftritt jemals. Der gehypte New-Wave- und Post-Punk-Künstler steht solo mit seinem Bass auf der Bühne, es ist noch sehr voll vor der Bühne und das Publikum erstaunlich textsicher.

Der zweite Tag beim Watt En Schlick startet mit Musik für Kinder von Deniz & Ove sowie mit Hip-Hop- von Teuterekordz. Pano spielen mittags sehr entspannten Indie-Pop auf dem Floß. Während langsam die Flut kommt, sitzen viele Besucher:innen in der Sonne, im Hintergrund ist Meeresrauschen zu hören. Den ersten Moshpit des Tages gibt es im Sand bei Nuras Hit „Niemals Stress mit Bullen“, auch Leute in Booten auf dem Wasser beobachten den Auftritt. Es ist bestes Sommerwetter, Sonnencreme und Wasser sind Pflicht und viele haben es sich auf Decken am Wasser in einer unglaublich entspannten Atmosphäre gemütlich gemacht. Mit Schmyt steht einmal mehr an diesem Wochenende einer der wichtigsten Newcomer des Landes auf der Bühne. Der starke Live-Künstler hat auf einem früheren Watt En Schlick sein allererstes Solo-Konzert gespielt, heute gibt es unter anderem die Live-Premiere von „Höhenangst“ aus dem Debütalbum „Universum regelt“.

Nach hohen Temperaturen und knallender Sonne am bisherigen Tag, wird es bei Schmyt immer windiger, dunkle Wolken ziehen aus dem Jadebusen auf Dangast zu und immer stärker werdender Regen setzt ein. Die meisten bleiben noch bis Konzertende, dann beginnt ein heftiger Wolkenbruch, aufgrund des Unwetters und Gewitters wird das Gelände schließlich evakuiert. Viele verbringen die Stunde im Kurhaus bei Kaffee und Kuchen, in ihren Zelten oder Autos. Gegen 18:30 Uhr ist der Spuk vorbei, alle Konzerte des Tages finden statt, wenn auch nun teilweise parallel auf den vier Bühnen. Olli Schulz läuft mit seiner Band zur Höchstform auf, ist gut aufgelegt, schlagfertig, spontan und haut gewohnt lockere Sprüche raus. Das lauteste Konzert des Festivals spielen Blood Red Shoes mit einer absoluten Spielfreude und bemerkenswerter Energie. Das Alternative-Rock-Duo aus Brighton fegt mit einem sensationellen und dreckigen Lärminferno im besten Sinne durch die Fans. Zum Abschluss des Abends spielen die erst kurzfristig als Überraschungs-Act bekanntgegebenen Headliner Bilderbuch bereits ihr viertes Konzert bei Watt En Schlick Fest.

Am Sonntag gibt es zwar keinen Starkregen, aber dennoch steht der dritte Festivaltag im Rahmen eines kontinuierlichen, stundenlagen Nieselregens, zwischendurch wird es kurzzeitig stärker. Vor den Bühnen sind somit vor allem Besucher:innen mit Regenjacke und Kapuze zu sehen – „Kapuze“ heißt treffenderweise auch ein Song von Moop Mama, der zehnköpfigen Gruppe, die Hip-Hop mit Blasmusik kombiniert und damit gute Stimmung erzeugt. Die bayrische Formation war bereits während der Pandemie-Hochphase zum Songwriting in Dangast und hat am Strand, an dem sie heute spielen, das Musikvideo zu „Schwimmen“ gedreht. Spielstark und energisch ist der Auftritt von Mia Morgan auf „La Mer“, berührend-emotional und wild-energisch zugleich treten anschließend Jeremias auf der Standbühne im Sommerregen auf. Ein euphorisches Highlight sind ebenfalls die 60 Minuten mit Indie-Pop der Bruckner-Brüder.

Thees Uhlmann kommt gebürtig aus dem nicht allzu weit entfernten Hemmoor und fühlt sich sichtlich wohl, er erzählt sogar so viel, dass aus Zeitgründen schließlich ein Song aus dem Set gestrichen werden muss. „Mehr als Niedersachse kann man nicht werden“ bleibt als Zitat in Erinnerung, ebenso das Statement, dass er „leider immer noch in Berlin lebt“. Seine wichtigen und großen Songs bekommt er dennoch im einstündigen Auftritt unter, den erstmals auch seine Tante Gail und sein Onkel Walter sehen, die extra aus Detroit in den USA angereist sind. Passend zur Herkunft dieses Familienteils hält er ein großes Handtuch vom Baseballteam Detroit Tigers hoch, das er seit mehreren Jahrzehnten sein Eigen nennt.

Headliner des dritten Tages sind die legendären Beatsteaks aus Berlin, die das Festival nochmal komplett abreißen. Ohne Soundcheck auf die Bühne, wilde Moshpits davor, Band und Publikum sind vollkommen energiegeladen, selbst Kinder stagediven im sicheren Rahmen. Frontmann Arnim Teutoburg-Weiß kämpft sich als Rampensau durch das Publikum bis zur hinteren Tribüne, um dann von ganz oben einen Hechtsprung ins Publikum zu machen – inklusive Salto und mit Hand auf dem Kopf, damit der Hut nicht verloren geht. Hits wie „Let Me In“, „Hand In Hand“ und „Hail To The Freaks“ finden natürlich ihren Platz im Set, ebenso das Hildegard Knef-Cover „Von nun an ging’s bergab“. Für zwei Zugaben und das abschließende „I Don’t Care As Long As You Sing“ werden die Beatsteaks zurück auf die Bühne geholt.

Den musikalischen Schlusspunkt unter das wunderschöne Watt En Schlick Fest setzen die Briten von Metronomy. Am folgenden Vormittag gehen die Karten für das Festival im folgenden Jahr in den Vorverkauf und sind erwartungsgemäß sofort vergriffen. Repräsentativer könnte das Feedback zur diesjährigen Veranstaltung nicht ausfallen.

Seht euch hier unsere Bildergalerien des Watt En Schlick Fests an:


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