Shoreline – Growth, End Hits Records, 2022
Dass Shoreline in ihrem Genre und ihrer Szene gefestigt sind, haben sie längst bewiesen: Über 200 Shows hat die Band in ganz Europa gespielt, unter anderem als Support für BASEMENT, SPANISH LOVE SONGS, BOSTON MANOR oder HOT WATER MUSIC. Nun erscheint das neue Album "Growth"

Shoreline dehnen den Punkrockbegriff so weit aus, wie es eben geht. Das gefällt mir persönlich schon sehr gut und ist der Grund, warum ihr werte Leserschaft von HB-People.de, „Growth“ mal anhören solltet. Das ist heute ja ganz einfach von zu Hause möglich. Vorbei sind die Zeiten, in der neue Musik nur im Plattenladen des Vertrauens oder bei den besten Freunden angehört werden konnte. Aber wer sich die (klitzekleine) Mühe macht, eine der vielen Streamingseiten aufzurufen und in „Growth“ einmal reinzuhören, der/die wird feststellen, dass das Album mit „I Grew Up On Easy Street“ eher ruhig und poppig eröffnet (und im Folgenden sein Popappeal nie ganz verlieren wird).
Zwar werden Shoreline auf der gesamten Albumlänge häufiger auf leise Töne zurückgreifen, auch die beliebten laut/leise Passagen beherrscht die Band, dennoch nimmt die Musik und die lyrischen Themen, welche auf „Growth“ behandelt werden, schnell Fahrt auf. Dabei bedienen sich Shoreline durchaus an so manchen Mustern der Vergangenheit, ohne jedoch in die Falle zu tappen, zu kopieren. Dafür ist der Vierer aus Münster zu eigenständig. Das liegt einerseits an den Texten, die allesamt aktuellen Themen wie Veganismus, Rassismus im Allgemeinen und Anti-asiatischen Rassismus im speziellen, so wie die Klimakrise und kritischer Konsum und wie das alles zusammenhängt, behandeln und dabei statt plakativer Slogans zu platzieren, stets aus einer eher persönlichen Perspektive an die Sache rangehen. Und dann wäre da noch die Produktion, in der der Bass häufig prominent platziert ist und die Gitarren fast immer sehr sauber und klar gespielt werden. Wer Punkrock mit Dreck gleichsetzt, der/die wird an „Growth“ vermutlich nicht viel finden.
Wer allerdings (wie ich) ein großes Herz für Pop hat und trotzdem ein Herz aus Punk besitzt, wird feststellen, auf „Growth“ passt ziemlich viel zusammen und wird jugendlich spritzig präsentiert. Dass die Stücke nie (wirklich nie) die Drei-Minuten Grenze überschreiten, unterstützt diesen Gedanken. Dafür ist es fast schon erstaunlich, wie viel in der Kürze der Zeit passiert. Es gibt immer mindestens (neben einem Intro) zwei Passagen und einen Wechsel in der Gesangsstimme in den Liedern. Mal bestimmen die Gitarren das Geschehen, nur um plötzlich Bass und Schlagzeug das Feld zu überlassen und mit einer anderen Akkordfolge wieder einzusteigen, der Gesang wechselt derweil von „Brüll“ in eine Art Falsett, um schließlich „normal“ weiter zu singen. (Ach ja, es gibt ein paar Gäste auf „Growth“, die aufzuzählen ist aber nicht nötig, denn auch ohne wäre das Album ziemlich gut.) Eine solche Vorgehensweise ergibt nur Sinn, wenn das Muster über zwölf Songs durchgehalten wird. Genau das gelingt Shoreline auf „Growth“. Dabei macht die Band nicht mal vor (sehr) zarten Hip-Hip Elementen halt (ja, richtig gehört, bzw. gelesen).
Schließlich endet das Album, wie es begann, mit einem ruhigen Gitarrenpicking. Und während es in dem ersten Stück noch um das Auf- oder Erwachsen werden ging, steht als letzter Song das Titelstück „Growth“ – ob ihr damit wachsen wollt? Liegt an Euch, probiert es aus. So wenig wie Shoreline mit „Growth“ falsch gemacht haben, so wenig könnt Ihr falsch machen, wenn ihr euch hiermit beschäftigt. Recht herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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