„Ich verstehe Conny als ein sehr politisches Projekt“

Wir haben Rap-Newcomer Conny vor seinem Tower-Konzert am Freitag interviewt und verlosen Tickets für den Auftritt.

Foto: Fabian Heigel

Bremen. Am Freitag gibt Conny sein Bremer Headline-Debüt im Tower Musikclub. Nachdem er dort im letzten Dezember zweimal als Support für Raum27 spielte, kehrt der Rapper auf eigener Tour gemeinsam mit Liser dorthin zurück. Als erklärter Feminist behandelt Conny in seinen Texten Geschlechterrollen, Männlichkeit, Kapitalismuskritik und das Leben in einem System, das auf all diesen Säulen aufgebaut ist. Dabei spricht er sowohl als außenstehender Beobachter und prangert an, wählt aber oft auch gezielt eine ganz persönliche und private Perspektive und lässt die Hörer*innen an seinen Gefühlen teilhaben. Wir haben letzte Woche, kurz vor dem Auftakt seiner Tour, mit Conny telefoniert und ihm einige Fragen gestellt.

Wir verlosen 2×2 Tickets für das Konzert am Freitag, 24. November im Tower Musikclub. Schickt uns einfach bis Donnerstag um 10:00 Uhr eine Mail mit eurem vollständigen Namen und dem Betreff „Conny“ an pfa@hb-people.de – wir sagen euch noch Donnerstag Bescheid, falls ihr gewonnen habt. Daten werden bei uns selbstverständlich nicht gespeichert. Viel Erfolg!

In drei Tagen geht deine bisher größte eigene Tour los. Wie fühlst du dich so kurz vor dem Start?

Ich bin ehrlich gesagt schon sehr aufgeregt. Die größte Tour bedeutet für mich auch die größte Menge an Organisation vorher. Wir haben ein ganz neues, technisch besseres Live-Setup mit neuem Monitoringsystem und neuer Lichtshow. Es wurde viel umgebaut und aus terminlichen Gründen haben wir einige Wechsel in unserem Live-Team. Natürlich bin ich gespannt, wie die Tour wird und ob alles klappt und funktioniert. Es ist ein ganz besonderes Gefühl und ich freue mich riesig, jetzt mit dieser recht neuen Gruppe auf Tour zu gehen.

Seid ihr in dieser Form noch gar nicht zusammen unterwegs gewesen?

Tatsächlich nicht, ich habe zwar mit allen Leuten schon Shows gemacht, aber in dieser Gruppenkonstellation kennen sie sich noch nicht. Mit Liser, die auch als Support-Act dabei ist, habe ich beispielsweise schon ganz viele Konzerte gespielt, sie ist auch Teil der Conny-Show und als Live-DJ und Backing-Sängerin dabei. Insgesamt ist es ein spannendes Gefühl, als würde es mit einer neuen Klasse direkt auf Klassenfahrt gehen.

Du machst schon ziemlich lange Musik und veröffentlichst sie seit fünf Jahren unter deinem jetzigen Namen. Wie haben dich die ersten Jahre geprägt und wie viel deines früheren Projekts „Der Plot“ steckt heute noch in „Conny“?

In der Zeit des Duo-Projekts „Der Plot“ habe ich ganz viel gelernt, meine ersten Konzerte, Festivals, Headline-Shows und die ersten Auftritte mit Band gespielt. Ich habe wahnsinnig viel Erfahrung gesammelt, von der ich heute total profitiere. Ich kann auf der Bühne stehen und habe eine ganz tiefe Sicherheit, weil ich mit dem Plot über 100 Live-Konzerte gespielt habe. Selbstsicherheit auf der Bühne bekommst du nur, indem du es machst, da kannst du noch so viel drüber lesen oder nachdenken. Diese „Lehrjahre“ sind für mich eine unbezahlbare Zeit, vor allem aufgrund des Live-Aspekts. Gleichzeitig habe ich gelernt, zu schreiben. Mehrere Alben zu veröffentlichen war wie eine Schule, in der ich gelernt habe zu texten und meine Stimme zu entwickeln und in der ich herausgefunden habe, wie ich klingen möchte, sowohl stimmlich als auch von der Auswahl der Worte. Conny wäre heute ohne Der Plot nicht denkbar.

Worin unterscheiden sich die beiden Projekte insbesondere?

Mit Conny weiß ich mehr, welche Geschichte ich erzählen will. Bei Der Plot waren wir zwei Rapper und brauchten allein dadurch immer einen gemeinsamen Nenner. Wir mussten uns immer annähern und das hat natürlich den Charme ausgemacht, aber auch dazu geführt, dass die Songs am Ende keine reinen Conny-Song waren, das liegt ja in der Natur der Sache. Mit dem Soloprojekt habe ich eine Richtung gefunden, in der die Geschichten ganz nah an meinem Herzen geschrieben sind. Das unterscheidet Conny vom Plot, deswegen sind viele Texte so politisch und feministisch geworden. Vor zehn Jahren habe ich mich noch weniger selber so reflektiert, da ging es einfach primär um Spaß. Inzwischen verstehe ich Conny als ein sehr politisches Projekt. Die künstlerische Agenda ist eine ganz andere, und die wiederum macht mir ebenfalls sehr viel Spaß und ich bin stolz darauf, dass es so geworden ist.

Vor allem im Rap- und Hip-Hop-Bereich sind Themen wie Geschlechterrollen, Feminismus und kritische Männlichkeit extrem unterrepräsentiert. Gab es einen bestimmten Auslöser, sich diesen Themen ganz besonders zu widmen?

Es gab keinen einzelnen Moment, sondern es war eher eine Phase, in der ich mich vermehrt mit diesen Themen und mir selbst auseinandergesetzt habe. Ich habe angefangen, meine eigene Männlichkeit zu hinterfragen und zu überlegen, wie ich meine Rolle als Mann bisher gelebt habe und wie ich es weiterhin machen möchte. Ganz wichtig war meine Partnerin, mit der ich zu dieser Zeit zusammengelebt habe. Als ab 2017 die ersten Ideen für das Conny-Projekt entstanden sind, hat sie sich sehr viel mit diesen Themen auseinandergesetzt. In dieser Zeit ist mir klargeworden, dass Themen wie Feminismus eben nicht nur Frauen, sondern mich auch persönlich ganz viel betreffen. Alle Bücher, die ich zu dieser Zeit zu diesem Thema gelesen habe, waren wie ein Erweckungsmoment für mich. Ich habe immer mehr gemerkt, wie dringlich diese Themen auch für mich sind, und dass sie auch in meiner Musik und meinen Texten stattfinden sollen.

Deine Alben „Manic Pixie Dream Boy“ sind als Trilogie angelegt. Wie beschreibst du die Entwicklung der Geschichte und der Sichtweise zwischen den ersten beiden Alben?

Ich habe angefangen, die „Manic Pixie Dream Boy“-Teile wie ein Tagebuch meiner eigenen Entwicklung und meiner Auseinandersetzung mit Themen wie Männlichkeit und Feminismus zu schreiben. Ich möchte damit so etwas abbilden, wie einen Schaukasten von Männlichkeitsfacetten und viele Momente von Männlichkeit darstellen und verhandeln. In „Drake ist auch nicht glücklich“ geht es beispielsweise um mentale Gesundheit und Depressionen, aber auch um die Frage, wie viel Selbstwert ich aus der Aufmerksamkeit schöpfe, die ich von Frauen bekomme. Wie wichtig ist meine männliche Sexualität für meinen Selbstwert? Gleichzeitig gibt es auf „Manic Pixie Dream Boy 2“ Momente wie „Pfefferspray“, die sich mit männerbündischen Strukturen und „Kumpeltruppen“ auseinandersetzen. Auch wenn in so einer Gruppe nicht jeder sexualisierte Gewalt oder Übergriffigkeit ausüben muss, ergeben sich in diesen Bünden dennoch oft Strukturen, die das für einzelne Täter ermöglichen. Diese Momente von Männlichkeit aufzuarbeiten ist glaube ich, was diese „Manic Pixie Dream Boy“-Geschichte so besonders macht.

Wie könnte es im letzten Teil der Trilogie weitergehen?

Ich fange gerade erst an, den dritten Teil zu schreiben, deshalb kann ich nur sagen, was ich mir dafür wünschen würde.  Ich habe die Hoffnung, dass es so etwas wie ein Fazit geben wird, weil es ja der Abschluss der „Manic Pixie Dream Boy“-Geschichte ist. Gleichzeitig ist es so ein großes Thema, dass ich es nicht abschließend behandeln kann. Das ist auf der einen Seite utopisch, auf der anderen Seite habe ich als Autor den Wunsch nach einer tollen Dramaturgie, die am Ende zu einem Ziel führt. Inhaltlich gibt es noch viele weitere Aspekte von Männlichkeit, die ich besprechen und reflektieren möchte. Es wird viel um männliche Privilegien und um Männer und Frauen sowie die Interaktion zwischen ihnen gehen. Sicherlich wird mentale Gesundheit eine Rolle spielen. Das sind die Themen, die ich jetzt so von meinem Reißbrett vorlesen kann.

Im September ist die aktuelle EP „Für immer temporär“ erschienen, die die Trilogie also unterbricht. Wie kommt es zu der Abweichung? Warum ist es die EP geworden und nicht beispielsweise die ersten Songs für das Album?

Für „Manic Pixie Dream Boy 3“ brauche ich einfach einen Moment, ich habe mir viel dafür vorgenommen. Die Songs für die ersten beiden Teile sind entstanden, nachdem ich mich vorher mindestens drei Jahre mit feministischen Themen beschäftigt habe. Sie sind fast parallel zueinander entstanden und in zwei Alben veröffentlicht worden. Ich habe mich damit sozusagen einmal komplett leer gemacht mit allem, was ich gedacht und gefühlt habe. Zu diesen Themen muss ich mich erst wieder aufladen. Ich habe 2023 und werde auch 2024 viel für Recherchearbeit nutzen, ich werden Ideen sammeln, Interviews führen, Expert*innen befragen, mich mit Leuten aus meinem Umfeld austauschen. Ich möchte versuchen etwas zu schreiben, das auf der einen Seite ganz persönlich und auf der anderen Seite größer ist, als ich selber. Das benötigt Zeit. Die vier Songs der „Für immer temporär“-EP sind schon vor ein bis zwei Jahren entstanden und ich wollte sie gerne veröffentlichen, sie passten für mich aber nicht in den „Dream Boy“-Kosmos. Für mich wäre es aber zu spät gewesen, sie erst nach dem dritten Teil herauszubringen. Deshalb sind die Songs jetzt in der längeren Pause bis zum letzten Teil der Trilogie erschienen.

Ganz aktuell ist der neue Song „Seifenblase“ mit Raum27 erschienen, der sich inhaltlich um Filterblasen, Umfelder und Komfortzonen dreht. Warum würdest du sagen ist es wichtig, auch mal aus seiner eigenen Komfortzone auszubrechen und andere Sichtweisen kennenzulernen?

Ein für mich persönlich super wichtiger Punkt von künstlerischer Arbeit ist, jederzeit zu versuchen, aus der Komfortzone rauszugehen. Aus meiner Sicht ist es die Rolle von Künstler*innen, sich auf einer super abstrakten Metaebene mit Worten, Musik oder auch als Theaterstück auf der Bühne mit der Gesellschaft und all ihren Chancen und Problemen auseinanderzusetzen. Dieses besondere Privileg lässt sich am besten erfüllen, indem man selber nicht bequem ist und sich immer wieder selbst herausfordert. Künstler zu sein bedeutet für mich, Grenzen auszutesten, meine persönlichen Grenzen immer wieder zu finden und zu verschieben. In einer Komfortzone steckt man sich Grenzen und bleibt in ihnen. Im Zweifel steckt man sich die Grenzen irgendwann enger, weil man sich wohlfühlt, und im schlimmsten Fall besteht sie nur noch aus Wohnzimmer und Couch. Gerade wenn man politische Musik macht finde ich es super wichtig, die Komfortzone immer wieder zu verlassen, sich auf andere Standpunkte einzulassen und zu schauen, von welcher Position man spricht. Komfortzonen sind ein großer Gegner, wenn man die aus meiner Sicht heutzutage wichtige und notwendige Kunst machen möchte.

Erinnerst du dich noch daran, wie du die Jungs von Raum 27 kennengelernt hast und wie ist der gemeinsame Song entstanden?

Wir haben uns im Studio meines Gitarristen Elias in Düsseldorf kennengelernt, da Elias an einigen Songs von Raum27 mitgeschrieben und sie gemeinsam mit den Jungs entwickelt hat.  Wir wussten voneinander, da wir bei derselben Bookingagentur sind, und haben uns im Studio für eine Session verabredet und uns dort kennengelernt. Tristan und Mathis haben in dieser Phase gerade ihr Album „Anfangen anzufangen“ geschrieben, ursprünglich sollte auch „Seifenblase“ Teil des Albums sein. Erst später haben wir die Entscheidung getroffen, den Song nochmal separat rauszubringen, weil die Jungs ihn gerne als Single haben wollten, er aber nicht mehr in den Releaseplan des Albums gepasst hat. Entstanden ist der Song recht klassisch. Wir haben zusammen den Refrain und die erste Strophe von Tristan geschrieben. Tristan hat dann wiederum seine zweite Strophe bei sich in Bremen und ich meinen Part bei mir in Köln geschrieben. Danach wurden diese Teile nochmal aufgenommen und jetzt gibt es den Song schon seit über einem Jahr.

Letztes Jahr im Dezember hast du mit Raum27 zweimal im Tower gespielt, damals stand „Seifenblase“ sogar schon auf der Setliste. Nun trittst du selbst dort auf. Woran erinnerst du dich rückblickend auf die Auftritte?

Ich fand den Tower total cool, weil er so klein und kompakt ist. Ich hatte das Gefühl, er müsste nicht unbedingt ausverkauft sein, damit es vor der Bühne voll ist. Das mag ich total gerne, gerade für Newcomer*innen ist es sehr dankbar, wenn ein Club nicht rammelvoll sein muss, damit es ein schönes Gefühl ist. Ich hatte den Eindruck, dass mich bei den beiden Konzerten viele Leute entdecken konnten. Es war für mich eine große Chance, dass die Jungs von Raum27 mich eingeladen haben. Im Zuge der Veröffentlichung von „Seifenblase“, habe ich viele Nachrichten bekommen, dass Leute schon seit den Tower-Auftritten auf den Song warten, das fand ich total cool. Als Bremer kennst du ja Raum27, es war sehr besonders, bei den beiden Shows mitzubekommen, wie sehr diese Stadt Raum27 liebt. Ein Jahr später spielen sie jetzt ihre Hometown-Show im größten Club der Stadt, im Pier2. Das ist einfach nur gewaltig und ich freue mich total für die beiden. Ich weiß, wie viel es ihnen bedeutet und finde es richtig schön, dieses Märchen so mitzubekommen.

Diesen Freitag, am 24. November, tritt Conny im Tower Musikclub auf. Tickets für das Konzert gibt es im Vorverkauf.

 


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