„Es war zuerst nur eine Spielerei“

Sebastian Madsen hat sein Solo-Album veröffentlicht und uns nach einem Instore-Gig in Bremen einige Fragen beantwortet.

Foto: Joris Felix

Bremen. Am 30. September ist das Solo-Album „Ein bisschen Seele“ von Madsen-Sänger Sebastian Madsen erschienen. Einen Tag später stellte er es bei einem kleinen Instore-Gig mit anschließender Autogrammstunde bei Hot Shot Records in der Bremer Innenstadt vor. Begleitet wurde er beim Auftritt von seinem Bruder Sascha am Schlagzeug. Anders als bei den Rock-, Punk- und Pop-Stücken seiner Band, ist er bei seinen Solo-Songs rund um das Genre Soul unterwegs. Im Interview spricht er über den Entstehungsprozess der Platte, die Zusammensetzung seiner Live-Band und darüber, wie es mit Madsen nun weitergeht.

Du spielst gerade pünktlich zum Release deines Soloalbums „Ein bisschen Seele“ drei kleine Gigs in Hamburg, Bremen und Berlin. Wie ist die Wahl auf diese drei Städte gefallen?

Bei sogenannten Promophasen oder kleinen Clubtouren fallen immer drei Städtenamen: Berlin, Hamburg und Köln. Das wollten wir durchbrechen und in Orte fahren, wo coole Läden sind. Das tat richtig gut heute! Sehr viele von den Platten hier faszinieren mich, ich fühle mich in dieser Umgebung und in Bremen sowieso sehr wohl. Zwischen Madsen und dem Norden gibt es einen großen Zusammenhalt. Ich merke das bei den Leuten, oder wenn ihr vom Deichbrand-Auftritt sprecht und in Bremen hatten wir Wahnsinns-Konzerte im Schlachthof oder Pier2.

Einen Tag ist „Ein bisschen Seele“ nun draußen, wann hast du angefangen, die Songs auf dem Album zu schreiben?

Ich habe im Herbst 2020 damit angefangen. Mit Madsen haben wir relativ früh in der Pandemie als direkte Reaktion auf die Situation das Punk-Album aufgenommen. Das hat der Band gut getan, sowas schnelles mal eben rauszuhauen. Aber es gab dann eben keine Tour dazu. Als dann unsere ohnehin noch anstehenden Nachholkonzerte weiter verschoben wurden und ich nichts so richtig zu tun hatte, habe ich ein bisschen rumgedaddelt, Sachen ausprobiert und so hat es sich dann entwickelt.

Wie ist die Idee gereift, die Songs auch zu veröffentlichen und nicht nur als Madsen-Nebenprojekt intern aufzunehmen?

Wir haben relativ schnell gemerkt, dass die Songs natürlich nichts mit Madsen zu tun haben. Es war zuerst nur eine Spielerei und nicht als Album geplant. Einfach ausprobieren, auch als Reaktion darauf, dass ich in dieser Zeit extrem viel Soul-Musik gehört habe, tat mir sehr gut. Ich bin großer Fan dieser Musik und der Gedanke und die Lust darauf schlummerten schon lange in mir. Es fehlte letztlich immer die Zeit. Jetzt waren plötzlich Stücke da, die ich mit meinem großen Bruder Johannes aufgenommen habe. Irgendwann haben wir mit der Idee gespielt, dass es durchaus ein Album werden könnte. Johannes meinte, „das bist ja schon du, weil du deine Geschichten erzählst und rauslässt, was dich schon so lange bewegt“ – daraufhin wurde der Gedanke an eine Solo-Veröffentlichung und die Albumidee immer konkreter.

Wie lief dann der Prozess der Aufnahmen und die Produktion der Songs ab?

Wir haben alles alleine, ohne einen externen Produzenten aufgenommen und produziert. Das wäre im sehr strengen Lockdown-Winter auch kaum möglich gewesen. Ich hatte in dieser Zeit gar keine Lust, in Berlin zu sein, wo ich ja normalerweise die Hälfte meiner Lebenszeit verbringe. Da war mir viel zu viel Trubel und zu viele Kontakte, deswegen war ich bei uns im Wendland. Als Konstante gab es unser kleines Studio, da bin ich jeden Morgen von meiner Wohnung wie zur Arbeit runtergegangen, habe die Geräte angemacht und mit Johannes angefangen aufzunehmen. Wir haben schon mit vielen Leuten produziert, aber das ist gar nicht so schwer. Wir haben nur nicht so viel Ahnung davon, wie man beispielsweise ein Mikrofon ganz genau an einem Schlagzeug positioniert – wir stellen es da einfach hin, machen laut und hoffen, dass es gut klingt. Wenn es funktioniert, nicht mehr dran rumfummeln.

Externe Einflüsse gab es von Markus Trockel und Max Richard Leßmann. Wie hat diese Zusammenarbeit ausgesehen?

Das Album war irgendwann sehr blank und roh. Ich habe mich beim Songwriting an den großen 60er-Jahre Soul-Klassikern orientiert, die oft opulente Streicherarrangements oder Bläser enthalten, die andere Klangwelten erzeugen und eine gewisse Größe haben. Ich kann das aber nicht selber arrangieren und bin auf Markus gekommen, weil er beispielsweise für Madsen die Streicher bei „Lass die Musik an“ und „So cool bist du nicht“ komponiert hat. Ich mag ihn einfach total gerne und finde, dass er eine einmalige Handschrift hat. Er hat das Album noch viel emotionaler gestalten können.

Max ist einer meiner besten Freunde, ich kenne ihn, seit wir vor einigen Jahren Gesang für eine Platte seiner Band Vierkanttretlager aufgenommen haben. Wir haben super harmoniert, neue Stücke geschrieben und schreiben auch gerne für andere Künstlerinnen und Künstler. Auch bei ihm ist es so, dass ich seine Handschrift mag und ich finde, er hat einen unglaublichen Wortwitz und kann sehr emotional in Themen einsteigen. Er hat mich in der Zeit sehr gut verstanden und konnte Sachen, die ich gefühlt habe, besser beschreiben – wie ein Verstärker für mich.

Es sind zehn sehr persönliche Songs auf dem Album enthalten, die du in den letzten Tagen erstmals live gespielt hast. Wie fühlt es sich an, diese nun nach außen zu tragen?

Ich merke, dass die schnelleren Lieder und die Stücke mit etwas mehr Kraft, live am meisten Spaß machen. Das liegt uns mehr, wenn ich hier mit Sascha auftrete, wir erzeugen gerne Druck. Die Balladen würde ich gerne alleine am Klavier in einer Hotelbar spielen, da wären sie glaube ich gut aufgehoben. Aber das ist nur eine Momentaufnahme. Ich muss mich da erstmal annähern und falls das Album nochmal richtig betourt wird, könnte sich das noch anders entwickeln.

Bei Inas Nacht bist du diese Woche mit einer ganzen Band aufgetreten, u.a. mit Isa Poppensieker. Wie hast du die Band zusammengestellt?

Das war eine ganz andere, neue Konstellation, ohne meine beiden Brüder, dafür war meine Freundin Lisa in der Band. Isa ist am Bass eingesprungen, weil Philipp aus der Live-Band von Milliarden, der sonst bei mir in der Band spielt, selber einen Auftritt hatte. Isa mag ich unglaublich gerne, sie wohnt in Hamburg und hat schon in einem meiner Musikvideos mitgespielt. Die anderen Leute sind Freunde aus Berlin, die ich ganz bewusst gefragt habe, weil sie eben in Berlin wohnen, so wie ich normalerweise auch die Hälfte meiner Zeit. Ich wollte es bewusst von Madsen trennen. Mit den Jungs bin ich im Wendland, da wird gewerkelt und gearbeitet, da ist man kreativ zusammen. Den Mittelpunkt des Solo-Projekts habe ich dagegen nach Berlin verlagert, deswegen war es letztlich eine praktische Entscheidung – Berlin ist voller guter Musikerinnen und Musiker und es sind alles Leute, mit denen ich schon länger zusammen spielen wollte und von denen keiner einen weiten Anfahrtsweg hat.

Wer spielt noch in deiner Live-Band?

Carlo ist der Schlagzeuger, der spielt zum Beispiel bei Klan. Jonas an der Gitarre ist einer meiner besten Freunde, der spielt auch bei Abay und Juli. Jan Terstegen hatte früher eine sehr gute Band, die hieß Super700 – gibt es schon lange nicht mehr, aber kann ich sehr empfehlen. Meine Freundin Lisa singt Backings, wie auch auf der Platte. Larissa Pesch singt auch Backings, sie war früher Teil von Laing und heute siehst du sie beispielsweise in der Studioband von „Wer stiehlt mir die Show?“. Clemens spielt Piano und ist einfach ein guter Typ.

Jonas Pfetzing von Juli passt ja gut zum Feature mit Juli-Sängerin Eva Briegel in „Ich löse mich auf“.

Jonas ist ein sehr vielseitiger Typ! Manchmal wirft man Juli vor, sie würden zu oberflächlichen Pop machen. Ich finde die Band unheimlich vielschichtig. Wenn man genauer hinhört und von der „perfekten Welle“ wegkommt, sind da richtig tolle Sachen zu entdecken. Ich mache mit Jonas und Eva total gerne Musik.

Bisher ist nur ein Solo-Konzert in Berlin angekündigt, sind noch mehr Auftritte oder eine Tour geplant?

Ihr wisst, wie es ist, die Leute kaufen aktuell keine Tickets. Deshalb haben wir erstmal nur eine Show als Testballon gemacht. Ich könnte mir vorstellen, dass sie als einziges Konzert und in Berlin gut besucht ist – und wenn zu wenig Karten verkauft werden, lade ich alle meine Freunde ein. Nächstes Jahr hätte ich Lust, mit dem Album auch Festivals zu spielen, nachmittags unter freiem Himmel mit Sonnenbrille. Da müssen wir einfach mal schauen, es geht ja allen so. Auf einmal bin ich eine Art Newcomer. Mit Madsen verbinden die Leute fast 20 Jahre Erfahrungen, persönliche Geschichten, sowas muss ich mir solo erstmal erarbeiten. Ich gehe das aber locker an. Es passiert, was passieren muss.

Das letzte reguläre Madsen-Studioalbum ist 2018 erschienen, danach kamen die Punk-Platte und die Solo-Platte. Wie geht es mit der Band weiter?

Wir haben schon ewig echt viele Lieder rumliegen, tatsächlich schon aus Zeiten vor dem Punk-Album. Wir wollten sie schon aufnehmen und unsere beiden Produzenten Simon Frontzek und Rudi Maier schon anreisen, da haben wir es nochmal verschoben, um die Punk-Platte fertigzustellen. Seitdem gab es noch keinen neuen Termin mit den beiden. Wir haben im Wendland aber schon im Frühjahr die Arbeit fortgesetzt, neue Songs geschrieben und machen in ein paar Wochen weiter, denn wir wollen das Madsen-Album nächstes Jahr rausbringen.

Worum wird es in den neuen Stücken gehen?

Eines der schon länger fertigen Lieder, das aber thematisch noch voll da ist, wird zum Beispiel „Brücken“ heißen – „lass uns Brücken bauen“. Das ist, ohne zu viel zu verraten, ein Satz, der bei all den Egomanen und Einzelkämpfern da draußen gut in die Zeit passt. Es ist grundsätzlich cool, wieder mehr zu connecten und miteinander zu reden.

„Ein bisschen Seele“ von Sebastian Madsen ist am 30. September erschienen. Hier gibt es das Album zu kaufen.

Das einzige, aktuell bestätigte Solo-Konzert findet am 7. Dezember im Metropol in Berlin statt. Tickets dafür gibt es im Vorverkauf.

 


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