Die Kraft der Worte

Diskursrock auf der Höhe der Zeit: Tocotronic sind im ausverkauften Kulturzentrum Schlachthof aufgetreten.

Tocotronic

Bremen. „Nie wieder Krieg“ steht in großen, gelben Lettern auf schwarzem Grund, sodass es schon von weitem zu lesen ist. Die aktuelle Platte von Tocotronic trägt einmal mehr einen sloganhaften Titel, wie immer jedoch mit spezifischer Bedeutung. Nach der biografischen Reise des Vorgängeralbums, geht es auf „Nie wieder Krieg“ nicht um weltliche Angriffe, sondern um innere Konflikte, eigene Verwundbarkeit, Ängste und Träume. Nach fünf Jahren war die Hamburger Band am Mittwoch wieder im ausverkauften Kulturzentrum Schlachthof zu Gast.

Vorab steht Sängerin Katharina Kollmann solo mit Gitarre unter ihrem Künstlernamen Nichtseattle auf der Bühne. Mit schöner, ausdrucksstarker Stimme macht sie ruhige Musik und spielt einige Songs ihres aktuellen Albums „Kommunistenlibido“. Die recht langen, melancholischen Gitarrenstücke berühren und dringen durch zum angenehm leisen und aufmerksamen Publikum. Ein sehr angenehmer, überzeugender Auftritt – und auch namentlich passend ausgewählt, da Nichtseattle wohl als Anspielung auf den alten Tocotronic-Song „Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk“ verstanden werden darf.

Mit der bewegenden Single „Nie wieder Krieg“ eröffnen Tocotronic das zweite Konzert ihrer jüngst begonnenen Tour. Nachdem im sich steigernden Song die ganze Band eingesetzt hat, folgen mit „Komm mit in meine freie Welt“ und „Jugend ohne Gott gegen Faschismus“ die nächsten beiden Stücke des mit dem Preis für Popkultur ausgezeichneten „Lieblingsalbum“ des Jahres 2022.

Viel Raum und Beachtung finden die alten Nummern, viele Songs aus den Alben der mittleren und späten 90er-Jahre sind auf die Setliste gerückt. Ein Punk-Block in der Mitte vereint „Digital ist besser“ mit „Die Welt kann mich nicht mehr verstehen“ und „Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst“ – nach wie vor zeitlose, geniale Titel, die vor der Bühne und auf den Rängen ebenso gefeiert werden, wie die „Anti-Deutsche Hymne mit Refrain“: „Aber hier leben, nein danke“.

Im Jahr des 30. Bandgeburtstags prägen nicht nur das abwechslungsreiche Programm, sondern auch mehrere Tempowechsel den Abend. Ohne Angst vor Kitsch oder zu viel Seichtheit vereinen Tocotronic mit großer Kraft der Worte ihre Punk-Anfänge mit bewegenden, unter die Haut gehenden Balladen wie „Ich tauche auf“. Bittere Pillen in süßer Ummantelung, komplex und oft verschlüsselt. Nach dem ersten Finale „Ich habe Stimmen gehört“ und crowdsurfen bei „Hi Freaks“ in der Zugabe, ist zunächst Schluss.

Doch weder die Hamburger Band, noch ihre Bremer Besucher*innen haben genug vom Abend. Nach langem Applaus bleibt das Licht aus und die Band kommt tatsächlich noch zweimal für je einen Song zurück. „Explosion“ und zum Abschluss des Abends noch das erste Stück des 30 Jahre alten Debüts: „Freiburg“.

Die Setliste des Abends:

  1. Nie wieder Krieg
  2. Komm mit in meine freie Welt
  3. Jugend ohne Gott gegen Faschismus
  4. Jackpot
  5. Digital ist besser
  6. Aber hier leben, nein danke
  7. Die Welt kann mich nicht mehr verstehen
  8. Ich verabscheue euch wegen eurer Kleinkunst zutiefst
  9. Eure Liebe tötet mich
  10. Ich hasse es hier
  11. Electric Guitar
  12. Ich tauche auf
  13. Let There Be Rock
  14. Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen
  15. Drüben auf dem Hügel
  16. Ich habe Stimmen gehört
    ————
  17. This Boy Is Tocotronic
  18. Hi Freaks
  19. Neues vom Trickser
    ————
  20. Explosion
    ————
  21. Freiburg

Seht euch hier unsere Konzertfotos an:

 


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