City or Sea?

Warum entscheiden, wenn man beides haben kann? Die Londoner Indie-Pop-Band Sea Girls ist am Dienstag im Hamburger Gruenspan aufgetreten.

Foto: Malte Löhmann

Hamburg. Manchmal lohnt es sich, früh aufzustehen. Beim diesjährigen Hurricane Festival durften Sea Girls – die anders als der Name vermuten lässt aus vier männlichen Bandmitgliedern bestehen – mittags um 12 Uhr die Hauptbühne eröffnen und haben sich dabei nachhaltig in Erinnerung gespielt. So sehr, dass es keine Frage war, sich unter der Woche auf den Weg nach Hamburg ins legendäre Gruenspan an der Großen Freiheit zu machen, um einer der fünf Headline-Shows des britischen Quartetts auf deutschem Boden beizuwohnen.

Auch dort lohnt es sich, bereits früh anwesend zu sein, denn eröffnet wird der Abend vom Hamburger Singer-Songwriter Michèl von Wussow und seiner Band. Zwischen Pop, Rock, Indie-Gitarren und optimistischer Melancholie beginnt er sein Set mit dem Titeltrack seines brandneuen Albums – „Traum B“ – über das ihr hier in unserer ausführlichen Rezension bereits viel erfahren konntet. Zwei Wochen nach Release seines zweiten Albums singt er 25 Minuten lang über die Themenkomplexe Trauma und Hoffnung, unter anderem das schmerzhafte Stück „Alles geht vorbei“. Er schafft es, auf eine energische Art Gefühle zu transportieren und dabei hoffnungsvoll zu bleiben. Der Werder-Aufkleber an seiner Gitarre, mit dem er zuletzt auch beim SummerSounds und bei der Breminale aufgetreten ist, lässt er übrigens immer an seinem Instrument, selbst in Hamburg. Wer nach den fünf Songs des kurzen Sets Lust auf mehr bekommen hat, dem sei die eigene Headline-Show des sympathischen Künstlers am 8. November im Tower Musikclub ans Herz gelegt.

Die ebenfalls vierköpfigen Sea Girls eröffnen ebenfalls mit ihrem aktuellen Album-Titeltrack namens „Midnight Butterflies“. Der ungewöhnliche Bandname des Londoner Quartetts geht übrigens zurück auf einen Verhörer von Gitarrist Rory Young, der im Song „Water’s Edge“ von Musiklegende Nick Cave statt „City Girls“ immer „Sea Girls“ verstand – egal ob Stadt oder Meer, in Hamburg gibt’s ja ohnehin beides. Nicht mal einen Kilometer Luftlinie vom Wasser entfernt, performen die Briten in den historischen Gemäuern nahe der Reeperbahn Songs ihrer drei Studioalben, die allesamt in den Top-5 der UK-Albumcharts landeten.

Anfang will das Sample Pad am Schlagzeug noch nicht so recht mitspielen, die Band spielt sich aber schnell in den Abend rein. Trotz der hohen Decke hitzt sich der Club unter der langsam drehenden Discokugel schnell auf, gebrochen wird das Eis aber erst vom sechsten Song „Call Me Out“ – der bis dahin bekanntesten und offenbar auch beliebtesten Nummer, zu der sogar erste Moshpits entstehen. Den Schwung nehmen sie überraschenderweise aber wohl bewusst nicht mit, denn nach dem Stimmungstest folgt das ganz ruhige „Hometown“, das nur als Duo und mit Piano-Begleitung vorgetragen wird. Diese Tempowechsel sind sinnbildlich für den Abend, die Band, die viele für ihre Pop-Hooks und eingängigen Melodien kennen, erzeugt immer wieder kontrastreich ruhigere Momente im Saal. Das ebenfalls nachdenkliche „Does Only God Know That We’re Lonely” darf – thematisch durchaus passend – Michèl von Wussow im letzten Drittel des Abends mitsingen.

Zum Ende wird es nochmal temporeich und schließlich hat Sänger Henry Camamile sein ärmelloses Shirt von oben nach unten durchgeschwitzt. Der Frontmann hat im Laufe des Abends immer wieder Probleme mit den höheren Tönen, überspielt dies aber selbstbewusst. Charakteristisch erzeugen die Vier ein positives Gefühl und dies sollten sie allen Besucher*innen im Gruenspan auch vermittelt haben – allerspätestens, als die Band zur finalen Zugabe „All I Want To Hear You Say“ wirklich nochmal alles reinhaut.

Seht euch hier unsere Konzertfotos an:

 


Mehr Beiträge aus" Musik" zur Startseite

City or Sea? teilen auf: