Captain Planet im Jugendhaus
Mit Immobilienmaklern und Beamten in der Zeitmaschine: Captain Planet und Linhay spielöen im BDP-Haus

Die rührseligen Veranstalter Tubby & Thirsty aus Bremen luden zu einer Reise in die Vergangenheit ein. Dieses Mal standen mit Captain Planet und Linhay zwei herausragende Rock-Punk-Kapellen auf der Bühne.
Der Großteil der Gäste wird für die dienstältere Combo, die Superhelden von Captain Planet, den Weg ins BDP-Haus angetreten haben. Punkrock ist in die Jahre kommen, vor allem optisch. Kahl gewordene Schädel, graue Haare, gut bezahlte Jobs und die Bühne für all das, ist ein Jugendhaus im Hulsberg-Viertel. Das Bier ist günstig, die Stimmung freundlich, überall kleben politische Aufkleber und es fühlt sich stark nach früher an. Die Kids sind nicht mehr Anfang 20, sondern eher Anfang 40, doch die Sofas könnten dieselben sein. Ob das Treiben wirklich noch unter die Richtlinien der Jugendförderung fällt, sei dahin gestellt.
Der Raum für derart retro-melancholische Gefühle wurde jedoch direkt zu Beginn von einem herrlichen Soundgewitter der Jungs von Linhay aus Kiel zerschossen. Der Konzertsaal ist keine 100 Quadratmeter groß, rund 80 Personen drängen sich entspannt auf den schönen, abgerockten Holzbohlen. Der Klangteppich darauf mutete etwas matschig an, dafür ging die Musik viel härter nach vorn als es das Studiomaterial vermuten ließ. Ein Hauch von Manchester Orchestra mit einer leichten Brise Ostsee-Wind war erkennbar in diesem famosen Jugendhaussound, dieser Melange aus Lautstärke, Bass und Störgeräuschen.
Als Captain Planet auf die nicht-vorhandene Bühne traten, ist der kleine Saal noch einmal eine ganze Ecke voller geworden. Die Band stand fast mit im Publikum, einzig Mikrofonständer trennten Künstler und Auditorium und gleich mit den ersten Riffs verschmolzen sie ohnehin zu einer feiernden Punkrock-Familie. Vor der Bühne wurde nicht mehr richtig gepogt, höchstens in kleinen Teilen vorsichtig angestoßen. Captain Planet legten ein schmetterndes, energiegeladenes Set hin. Neben den geplanten Zugaben, ließen sie sich zu einem weiteren Nachschlag hinreißen. Im Laufe der Show rückte die Band immer tiefer in die Masse und fühlte sich dabei sichtlich wohl.
Die Herren treten bereits seit 16 Jahren zusammen auf. Aus all dieser Zeit und auch vom grandiosen aktuellen 2016er-Album „Ein Ende“ spielten sie ihre Hits und sorgten für eine wohlige Wärme bei ihren Anhängern. Der Abend blieb jedoch nicht frei von quälenden Fragen: „Ist es die Angst, sind es Zweifel? Was hält dich hier fest?“, schrie Sänger Jan Arne von Twistern in sein Mikrofon. Etwa Zweifel über den eigenen Lebens- oder Konsumstil? Am Seifenspender klebt auf jeden Fall der Hinweis, dass der Hygiene-Artikel nicht vegan ist. Geht es heutzutage wirklich nur Keim- oder tierfrei? Dem veganen Mettigel aus dem Backstage-Catering, den die Band vorm Konzert via Instagram postete, wird es egal gewesen sein, denn „Es gibt wieder Eistee und Brötchen“. Für alle anderen Konzertbesucher war es eine herrliche Reise in die Jugend. Captain Planets Frage „Wo üben die, die immer siegen?“ kann ganz klar beantwortet werden: Im BDP-Haus.
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