Auf dem Höhepunkt des Hypes

Felix Lobrecht lacht im Pier 2 über Behinderte, Schwule, Ausländer und Frauen - mit der Extra-Portion Ironie. Hoffentlich verstehen das alle seine Fans.

Eine lange Schlange am Eingang,  amerikanischer Hip Hop und Bier aus 1-Liter Humpen – irgendwo zwischen Oktoberfest und Soziologie-Vorlesung konnten die geneigten Zuhörer*innen einiges lernen. Es war ein Feuerwerk des Auslotens des Sagbaren: „Flüchtlinge essen die Oma, Babys dürfen auf Behindertenparkplätzen parken“ und die Bremer Uni ist ein „Hort für Numerus Clausus Refugees“. Lobrecht kümmert sich neben dem ironischen Spiel mit der „Diskriminierung light“, auch um das Erwachsen werden, eine Krähe in der Wohnung sowie um trockene Scheiden. Teilweise ist man geneigt zu fragen: Darf er das? Doch der Berliner spielt in einer ganz anderen Liga als Chris Tall. Der Anspruch des Marburger Politikstudenten ist groß. Trotz seiner Anschlussfähigkeit an alle soziale Schichten diskutiert er mit seinen Gags jegliche Schubladen und Vorurteile und verschiebt dabei Grenzen.

Der Eminem der neuen deutschen Comedy zog 1500 Bremer*innen zwischen 20 und 30 nach Gröpelingen, denn die „Berliner Muskelmaus“ ist mehr ist als nur der Sidekick des gefeierten Gagschreibers Tommi Schmitt im deutschlandweit bekannten Podcast „Gemischtes Hack“.

Mit seinen 31 Lenzen schien der Komiker einer der Ältesten im Raum zu sein. 31, das sei ein „schmaler Grad zwischen Junggeblieben und Hängengeblieben“. Inzwischen sei er noch nicht bereit für Familie, aber er findet es bereits schade, dass im Treppenhaus nicht gegrüßt wird und der hippe Vibe der Stadt, „ist nicht Berlin, das ist Ruhestörung“.

Obwohl der Unterhaltungskünstler mutig erklärte, dass er Becks-Bier „nicht so richtig geil“ findet, wollte er lieber auf Witze über die Bremer Stadtmusikanten verzichten, denn er mache „keine Witze über Tiere“ mehr. Seit seinem Kommentar über die brennenden Krefelder Affen erhielt er zahlreiche Morddrohungen. Die Show in Göttingen vom Vortag fand aufgrund eines angekündigten Brandschlags sogar unter Polizeischutz statt.

Der Abend lud auch darüber hinaus zum Nachdenken ein. Ist Lobrecht nur geschmacklos oder ein Held der mutigen Gags jenseits der politischen Korrektheit, der es immer wieder zeigt wie klug und aufgeklärt er ist? Der Komödiant selbst erklärte seinen Programmtitel „Hype“ mit dem Rummel und Erfolg, um seine Person und seine Angst vor dem Fall. Ein Shitstorm könnte reichen, dass er alles wieder hergeben müsse, was er sich in den letzten Jahren erarbeitet hat. Sein Erfolg sei sein Baby. Erst seit er etwas erreicht hat, hat er auch das Gefühl etwas verlieren zu können.

Im Vorprogramm trat der ehemalige Bremer Kavus auf, der  aus der Neuen Vahr Süd stammt. Sein Set handelte vor allem vom Gemächt Lobrechts und seines Reichtums. Ob der Mercedes oder der Kontostand, beides schien den Nachwuchskünstler sehr zu beeindrucken. Neben der Info, dass Kavus seine Flyer selbst  im Saal verteilt hat und einen eigenen Podcast besitzt, konnte er nicht gerade mit Inhalten punkten. Dem Publikum gefiel es dennoch. Es waren 1500 Zuschauer, die also teilweise leicht zu begeistern waren. Es bleibt zu hoffen, dass sie dennoch Lobrechts Sarkasmus und Tiefsinn verstehen konnten und seine Metaebenen feierten, statt lediglich der vordergründig stumpfsinnigen Schubladenreiterei zu frönen. Andernfalls hätten zahlreicher junge Menschen über Ausländer- und Behindertenwitze gelacht, das sind die möglichen Risiken und Nebenwirkungen eines Lobrechts-Hypes.


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