Fünf Bands, ein Zeichen

Beim „Get Loud Against Hate“ hat Hoya am Samstag ein im wahrsten Sinne lautes Zeichen gegen Rechtsextremismus und für mehr Zusammenhalt gesetzt.

Raum27

Hoya. Hoya dreht auf gegen Hass und Hetze und setzt ein rockiges Zeichen gegen Rechtsextremismus und für mehr Zusammenhalt, Frieden, Vielfalt und ein gemeinsames, tolerantes Miteinander. Für diese Botschaften steht das Indoor-Festival „Get Loud Against Hate“, das am Samstag zum zweiten Mal in der Marion-Blumenthal-Oberschule in Hoya stattgefunden hat. Mit mehreren Hundert Besucher*innen, unzähligen freiwilligen Helfer*innen und fünf Bands von überregionaler Strahlkraft, war der kleine Ort nahe der geographischen Mitte Niedersachsens ein Anlaufpunkt voller politischer, gesellschaftlicher und musikalischer Relevanz und Schauplatz eines Statements, das weit über die Stadtgrenzen hinweg schallt.

Es gibt Plätze, an denen fühlt man sich sofort wohl und willkommen – und genau dieses Gefühl vermittelt das „Get Loud Against Hate“ in Hoya. Noch zwischen Einlass und Eingang führt den Weg über den Außenbereich des Schulzentrums vorbei an Foodtrucks, Getränkeständen sowie Schüler*innen, die Snacks und Kuchen verkaufen, um ihre Abikasse etwas aufzufüllen. Dank des guten Wetters bekommen diese Stände genug Aufmerksamkeit – und hinter dem Eingang geht es direkt weiter. Aktionsstände mehrere Vereine und Organisationen aus der näheren Umgebung geben Informationen, Einblicke oder bieten Mitmach-Aktivitäten. Eine Fotobox weckt kreative Verkleidungsideen und der zunächst etwas abseits erscheinende Merch-Stand entpuppt sich als echter Publikumsmagnet – nicht zuletzt dank der fast durchgehenden Anwesenheit mehrerer Bands- und Crewmitglieder, die sichtbar Freude an gemeinsamen Fotos, Gesprächen und Getränken haben.

Es gibt kaum Distanz zwischen Fans und Künstler*innen an diesem Abend, alle erleben gemeinsam einen schönen Abend. Solche persönlichen Abende voller Herzblut, Liebe zum Detail und Engagement erzeugen oft die schönsten Erinnerungen, in dieser Atmosphäre legte am frühen Abend die erste Band los, die das Ambiente besonders gut kennt.

Die junge Nachwuchsband The Rookies aus Hoya eröffnet das Festival mit einem halbstündigen Set aus Pop/Rock-Covern von Songs aus den vergangenen zwei Jahrzehnten. Mit drei Gitarristen wird die sechsköpfige Band direkt zum Auftakt richtig laut und füllt die Aula bereits zu Beginn des Abends beachtlich. Mit einer Menge riesiger Luftballons wird das Publikum aktiv einbezogen, einige davon werden noch Stunden später über die Köpfe der Besucher*innen springen. Ein gelungener Auftakt der lokalen Helden, die nach ihrem Heimspiel nun die anderen Bands in der vertrauten Umgebung genießen können.

Beim ersten „Get Loud Against Hate“ haben Casino Blackout aus dem tiefen Süden Deutschlands vor zwei Jahren so dermaßen begeistert und abgerissen, dass sie unbedingt wieder dabei sein sollten und wollten. Mit Musik zwischen Punkrock und Pop-Punk und hymnischen, tanzbaren und schnell mitsingbaren Songs kommen sie sofort gut an, ihre energiegeladene Bühnenperformance spricht außerdem für sich. Bei „Im Dreck“ läuft Sänger Flo ins Publikum, bei „Sixpack und Billigwein“ singt er den Feature-Rap-Part überzeugend selber mit, während bei der härtesten Nummer „Anti-Ich“ erste Moshpits im Publikum gestartet werden. Eine Besonderheit haben sie sich extra für den Schluss aufgespart: Beim letzten Song „Von Bedeutung“ steht ihr Manager und langjähriger Freund Roman für einen Song an der Bassgitarre und liefert ab, als wäre dessen regelmäßige Zeit auf der Bühne vielleicht zwei Jahre und nicht schon zwei Jahrzehnte her.

Vor Casino Blackout gab es einen kleinen, besonderen Moment – denn niemand Geringeres als Tote-Hosen-Drummer Vom Ritchie höchstpersönlich sagte als Schirmherr der Veranstaltung ein paar Worte auf der Bühne. Den ganzen Abend über schaut sich der 60-jährige Schlagzeuger die Auftritte an, macht zahlreiche Fotos mit Fans, schreibt Autogramme und macht als heimlicher Star des Abends unzählige Menschen glücklich.

Auf eine ganz andere Art tun dies auch die fantastischen Sperling mit ihren Songs zwischen Post-Hardcore und Alternative-Rock – eine junge, durch und durch bemerkenswerte Gruppe, die unglaublich dringliche, emotionale und berührende Songs schreibt. Ganz persönliche, ergreifende Texte zu packender, kraftvoller Musik. Schonungslos, ehrlich, schwer und facettenreich – das geht ganz tief unter die Haut. Die atmosphärischen Instrumentals mit einem Cellisten und die wortgewandeten Texte mit Sprechgesang-Ansätzen brennen sich ein und Songs wie „November“, in denen sie die schwachen Seiten an sich selbst nach Außen tragen und einen Bezug zum Albumtitel „Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie“ herstellen, sind etwas ganz Besonderes im schnelllebigen Musikzirkus.

Kein leichtes Erbe für Anchors & Hearts, die dem Abend aber schnell ihre ganz eigene, persönliche Note geben. Als härteste Bands des Tages und mit vier roten und somit farblich auf das Banner abstimmten Fahnen im Bühnenbild, spielen sie mit „Deathlist“ zunächst den Titeltrack ihres fünften, in diesem Jahr veröffentlichen Studioalbums. Die Jungs aus Bremervörde machen melodischen Hardcore, bei dem sie griffige Melodien und einprägsame Singalongs zusammen mit druckvollen und harten Gitarrensounds zu eingängigen Hits verbinden. Ein harter Stilmix mit Mitsing-Chören und einem Gastauftritt von Rookies-Sängerin Gesa bei einem Feature-Part in der zweiten Hälfte des Sets.

Höhepunkt und Abschluss des zweiten „Get Loud Against Hate“ ist das 70-minütige Konzert des Headliners Raum27 aus Bremen. Tristan, Mathis und ihre Liveband haben noch eine Woche zuvor auf dem Lollapalooza in Berlin begeistert und spielen wenige Tage nach ihrem Open-Air-Abschluss jetzt wieder indoor in persönlicher, schwitziger Atmosphäre. Wenn Mathis mit seinen 2,06 Metern auf den Riser steigt, stößt er sich fast den Kopf am Scheinwerfer, im Outro zu Sommerregen kommt Gitarrist Chris an den Bongos in der Bühnenmitte voll zur Geltung, die Band steht ganz dicht vor ihren Fans auf der Bühne, jeder Schritt, jeder Bewegung ist sichtbar, jeder Ton hörbar. Mit ihrer besonderen Mischung aus tiefgründigen Texten, mitreißenden Melodien und viel Energie haben Raum27 ihre ganz eigene Erfolgsgeschichte geschrieben – die einst auch in einer Schule (in Raum 27) begann und die sie heute erneut in eine Schule geführt hat. Die neue Single „Meer“ können hier schon fast alle mitsingen, nach Chor und Interaktion entweicht Sänger Tristan ein leises, ganz ehrliches, leicht seufzendes „Das war schön“. Ein sinnbildlicher Moment für eine ganz nahbare, aufrichtig ehrliche Band, die in den nächsten Tagen ihr zweites Album „Keine Tränen“ fertigstellen wird und in den nächsten Jahren sicher noch größere Kreise ziehen wird, als sie es aktuell ohnehin schon tun.

Seht euch hier unsere Festivalbilder an:

 


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