Aufgetaute, norddeutsche Herzen

Conny hat am Freitag ein bewegendes und präsentes Konzert im Tower Musikclub gespielt.

Foto: Malte Löhmann

Bremen. Thematisch und technisch so starke Rapper wie Conny gibt es in der deutschsprachigen Musiklandschaft viel zu wenige. Vielleicht gibt es sie auch und sie bleiben unter dem Radar der Öffentlichkeit. Seinen Weg auf die bundesweiten Club- und Festivalbühnen hat Conny zum Glück gefunden, aktuell spielt er seine bisher größte Tour mit vielen ausverkauften Auftritten.

Fast bis auf den letzten Platz gefüllt war am Freitag auch der Tower Musikclub. Nach dem zweifachen Gastspiel als Support von Raum27 im vergangenen Dezember, folgt nun das Headline-Debüt – und dem Applaus nach zu urteilen, waren einige Fans von Conny auch im letzten Jahr schon dabei. Diese sehen zunächst das knapp 30-minüte Support-Set von Liser, die später auch wichtiger Teil der Conny-Show ist. Die selbsternannte „Punk-Queen des Raps“ trägt feministische Banger und feinfühlige Songs vor, die mal unter die Haut oder direkt auf die Fresse gehen, ein Live-Drummer bringt dabei eine sehr passende Dynamik ein.

Themen wie Feminismus und Texte über Geschlechterrollen, Männlichkeit, Kapitalismuskritik und das Leben in einem System, das auf all diesen Säulen aufgebaut ist, sind für Conny eine Herzensangelegenheit. Der 36-jährige spricht in seinen eigenen Songs sowohl als außenstehender Beobachter und prangert an, wählt aber oft auch gezielt eine ganz persönliche und private Perspektive. Damit lässt der gebürtige Düsseldorfer seine Hörer*innen an seinen Gefühlen teilhaben.

Während des Conny-Auftritts steht Liser als Live-DJ und Backing-Sängerin ebenso wie die Live-Drummerin räumlich in der zweiten Reihe, beide sind für das Gelingen des Auftritts aber elementar wichtig. Die Interaktion zwischen den beiden Protagonist*innen wirkt locker, gekonnt und vertraut, sie leitet zum nächsten Song über oder ist einfach unterhaltsam. Sowas kann nur über die Zeit entstehen, zwei gemeinsame Jahre auf Tour würden sich wie eine Verlobung anfühlen, erzählt Conny auf der Bühne.

Die Besucher*innen im Tower sind ab der ersten Sekunde voll und lautstark da und hören, wie Conny sein Set mit „Sisyphos“ beginnt – dem Song darüber, wie er vor sechs Jahren seinen Job hingeschmissen und alles auf die Musik gesetzt hat. Der Beginn einer Reise, die ihn momentan auf seine bisher größten eigenen Bühnen führt – live auf der Tour ist dies eine stimmungsvoll dekorierte Bühne mit anspruchsvollem, untermalendem und abrundendem Lichtkonzept und leuchtenden Wolken links und rechts an der Bühnenkante.

Conny strahlt eine tiefe Sicherheit aus, wirkt extrem präsent und anwesend. Worte, die ihm viel bedeuten und die er zunächst gar nicht laut aussprechend konnte, trägt er in „Kannst du woanders traurig sein?“ vor. Das wütende „Melancholé“ und das anprangernde „Schäm dich“ stechen ebenso hervor wie kurze Snippets zu aktuellen Themen, die nie offiziell erschienen sind. Ein bewegender und nachdenklicher Gänsehaut-Moment ist „Pfefferspray“ in Interaktion mit Liser, ein Stück über sexualisierte Gewalt, dem eine umsichtige Triggerwarnung vorausgeht. Mitgesungen wird „Rote Linien“ ebenso wie das neuere „Fürdichwürdich“, die aus Sicht eines Rheinländers vielleicht überraschend gelöste Stimmung ergreift Conny spätestens in der Zugabe, – „eure aufgetauten, norddeutschen Herzen sind zu viel für mich“, sagt er da.

Zugaben gibt es drei Stück an der Zahl und somit gut 90 Minuten Rap-Musik, wie man sie in dieser thematischen Dichte bei gleichzeitig sehr hoher Live-Qualität nur selten erlebt.

Seht euch hier unsere Konzertfotos an:


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