Koala: Mit DIY-Pathos und ereignisreicher Vergangenheit

Es gibt neue Musik aus Bremen, die ihr entdecken solltet - Sänger und Gitarrist Patrick Heym von Koala im ausführlichen und ehrlichen Interview.

Koala, Foto: Konstantin Freys

Bremen. Vor wenigen Tagen haben Koala aus Bremen ihren ersten Song „Modena“ veröffentlicht – ein lässiger Track mit ganz viel Fernweh. Sänger Patrick und Schlagzeuger Marcel waren zuvor mit The Secnd in einer lokal recht bekannten Band aktiv, vor drei Jahren haben sie sogar beim New Music Award gespielt. Zuvor sind sie mit Casting Louis sogar auf dem Hurricane Festival, in London, Los Angeles und Shanghai aufgetreten. Nach einer langen Findungsphase stehen sie nun mit drei Freunden als Koala auf der Bühne. Auf dem Weg war die Teilnahme am Bandpool ein wichtiger Schritt, einem Förderprojekt der Popakademie Baden-Württemberg, in dem Newcomer 18 Monate gecoacht und unterstützt werden. Am morgigen Freitag spielen Koala ihren ersten öffentlichen Auftritt als Support für die Band „Sind“ im Lagerhaus. Tickets gibt es noch im Vorverkauf oder spontan an der Abendkasse.

Am 15. November spielen Koala ein kostenloses Release-Konzert im Magazinkeller, unten im Kulturzentrum Schlachthof.

Das erste kleine Lebenszeichen von Koala abseits der Öffentlichkeit gab es am 14. Februar 2017, als war von einer Entwicklungsphase und ersten Songs in „ein paar Wochen“ die Rede war. Warum hat es nun doch 1,5 Jahre gedauert?

Damals haben wir noch in einer anderen Besetzung gespielt und erst später herausgefunden, welche Musik wir wirklich machen wollen. Früher haben wir englische Songs geschrieben, die ersten deutschen Ergebnisse waren schließlich noch gar nicht so, wie wir es uns eigentlich gewünscht und vorgestellt haben. Nach dieser Erkenntnis gab es einen kompletten Neustart.

Wie hat sich die musikalische Richtung in dieser Findungsphase denn gewandelt?

Zuerst haben wir wie bei The Secnd zu viert gespielt und versucht, genau diese Musik auf Deutsch zu machen. Damals waren wir Fans einiger britischer Bands, an denen wir uns orientiert haben und deren Stil wir in deutscher Sprache machen wollten. Aber es geht im Songwriting einfach nicht, die Unterschiede sind zu groß. Daher haben wir alles geplättet und es nochmal komplett neu aufgezogen. Unseren ganz eigenen Pop-Stil von Grund auf zu entwickeln, hat natürlich etwas gedauert.

Warum war jetzt der passende Zeitpunkt, um die Band öffentlich zu starten?

Unsere Musik ist jetzt gereift und das musikalische Bild ist komplett geworden. Es brauchte Zeit, da wir nicht gleich mit dem ersten Song, der sich gut anfühlt, rausgehen wollen. Es hat sich langsam entwickelt, inzwischen haben wir 8-10 Stücke, die sich für uns alle ähnlich gut anfühlen. Jetzt können wir sagen, DAS ist Koala und wir können mit unserem Repertoire Konzerte spielen.

Weshalb gab es nach dem ersten Lebenszeichen im Februar 2017 noch einen Wechsel in der Besetzung?

Timo und Simon sind aus beruflichen Gründen ausgestiegen. Simon arbeitet jetzt in der Luft- und Raumfahrt und Timo studiert Gitarre. Hinzu kommt der Grund, dass wir mit The Secnd an der Musikindustrie gescheitert sind. Das kann man knallhart so sagen.

Kannst du das näher erklären?

Wir sind an der Musikindustrie und an uns gescheitert. Mit The Secnd wollten wir größer werden, als es letztendlich möglich war. Es war praktisch ein Start-Up, wir haben uns Ziele gesetzt, die wir aus verschiedenen Gründen nicht erreichen konnten. Da spielen ganz viele unterschiedliche Faktoren rein. Schließlich stellte sich Stagnation ein und vor allem gab es keine Aussicht auf Wachstum und keine Perspektive. Wir hatten zwar eine lokale Bekanntheit, der nächste Schritt war aber nicht absehbar. Zu der Zeit waren wir alle Pizzafahrer und das können wir nicht ein Leben lang machen. Dann folgte die Auflösung.

Wie habt ihr euch danach komplett neu gefunden?

Zunächst haben wir fast gar nichts gemacht. Marcel hat mit unserem jetzigen Gitarristen Marc einiges produziert, um weiterhin in der Musik aktiv zu bleiben. Ich bin in ein Künstlertief gefallen, weil ich praktisch für diese Band gelebt habe. Als die Perspektive gefehlt hat, ist es mir sehr schwer gefallen, einfach mit deutschen Texten weiterzumachen. Eine Band ist wie eine Beziehung und die Trennung hat mich hart getroffen. Als das überwunden und der Reiz nach Musik wieder da war, haben Marcel, Marc und ich angefangen, neue Songs zu schreiben. Aber erst mit den beiden weiteren Mitgliedern ist Koala zu dem geworden, was es jetzt ist.

Wie habt ihr die beiden kennengelernt?

Unser Pianist Ferdinand war Fan von The Secnd und hat uns gelegentlich Cover geschickt, wie er Songs von uns auf dem Klavier spielt. Du weißt, wer Ferdi ist, oder?

Klar! (Ferdi wurde im Juni 2017 im Münchener Olympiastadion spontan von Coldplay-Sänger Chris Martin auf die Bühne geholt und lieferte vor 65.000 Besuchern phänomenal ab. Medien in ganz Deutschland berichteten über den damals 19-jährigen. Das Video auf der Facebook-Seite von Coldplay hat heute 53 Millionen Aufrufe)

Er ist einfach ein krasser Typ! Nachdem wir nur über das Internet Kontakt hatten, ist er vorbeigekommen, um mit uns Musik zu machen. Gemeinsam haben wir unsere Songs sogar weiterentwickelt. Es hat einfach total gut gepasst. Wir haben ihn gefragt, ob er mal in der Band aushelfen möchte und er war total begeistert. Als wir die Stücke zusammen arrangiert haben, ist er schließlich fest in die Band gewachsen.

Fehlt nur noch ein Bassist…

Zuerst hat Ferdi mit der linken Hand einen Synth-Bass auf dem Piano gespielt, das ging aber natürlich nicht ewig so. Marcel war befreundet mit Michael aus Bremen, der auch Musikproduzent ist. Er ist ein super entspannter Typ und guter Musiker. Wie auch bei Ferdi hat er zunächst ausgeholfen und es hat so gut gepasst, dass wir auch ihn gefragt haben, ob er nicht Bandmitglied werden möchte. So hatten wir Koala zusammen und diese Konstellation hat sich gefestigt.

Habt ihr euch in der Zusammensetzung dann beim Bandpool beworben?

Die Bewerbung für Mannheim gab es schon 2016 mit The Secnd. Als wir uns gerade umbenannt hatten, sind wir noch mit Timo und Simon in dieses Projekt gestartet, also quasi als Koala in Secnd-Besetzung. Mitten im Bandpool folgte der große Wechsel und die musikalische Umstellung. Plötzlich waren wir mit neuen Leuten da.

Seid ihr in der Bandpool-Generation noch immer aktiv?

Kommenden Samstag ist unser letzter Auftritt beim Bandpool in Mannheim, danach ist diese Phase vorbei.

Wie sah die Arbeit in der 19. Generation des Bandpools aus?

Wir hatten viele Coachings und haben dank des Bandpools dazu gefunden, wie wir Musik machen wollen. Im Bandpool machen viele professionelle Leute aus allen Bereichen des Business mit und es gibt viele Gespräche. Mit The Secnd wollten wir es unbedingt zu einem Label schaffen und haben uns danach gerichtet. Dabei liegt uns dieser Weg überhaupt nicht. Der Bandpool hat uns in dem bestätigt, was wir nicht wollen.

Welchen Weg habt ihr stattdessen eingeschlagen?

Wir haben uns intensiv und professionell beraten lassen und uns für den „Do-It-Yourself-Weg“ entschieden. So sind wir auf die Idee gekommen, alles alleine zu machen und nochmal ganz von vorne anzufangen. Wir haben gemerkt, dass wir auf keinen Fall schnell zu einem Label wollen. Denn wenn du an ein Label gebunden bist und dich an dem orientieren musst, was die Labelchefs wollen, bist du schnell wie Max Giesinger. Nicht falsch verstehen – er ist ein klasse Typ und ein guter Sänger und Musiker. Aber er spielt halt nach den Regeln des Business. Wir haben lange mit einem professionellen Songwriter gesprochen, der uns gesagt hat, wenn wir es scheiße finden, auch von anderen Songs geschrieben zu bekommen und nicht frei über das Coverbild entscheiden zu können – wenn wir generell keine künstlerischen Freiheiten abgeben wollen, dann ist das nicht unser Weg. Nicht als kleine Band, die wir ja sind. Deshalb machen wir jetzt absolut alles DIY.

Ist euch dieser Schritt schwer gefallen?

Dieser Prozess hat lange gebraucht und war sehr schwierig. Wir müssen so natürlich akzeptieren, kein dickes Budget für fette Touren zu haben und nicht so schnell auf den großen Festivals zu spielen. Natürlich können wir da trotzdem landen, aber es wird nicht so schnell gehen wie bei anderen Musikern, die mitspielen, früh entdeckt und aufgebaut wurden. Die spielen dann auch ihre großen Tourneen vor mehr als 1.000 Leuten. Da werden wir so schnell nicht sein. Dafür können wir machen, was wir wollen. Das wurde uns klargemacht und immer wieder die Frage gestellt: „Was ist euch wichtiger?“

Ein Zwischending wäre ideal, oder?

Den Mittelweg gibt es nicht! Es gibt keine Möglichkeit, jetzt bei einem Major-Label gesigned zu werden und danach irgendwie doch unseren Stiefel durchzukriegen. Es ist ein Business! Es zählt, was die Zahlen sagen. Es wird wenig mutig ausprobiert. Die Möglichkeit, schnell groß und berühmt zu werden und trotzdem viel zu bestimmen, gibt es nicht. Ist die Prämisse der schnelle Bekanntheitsgrad, wird gemacht, was die Labels dir sagen. Oder aber du handelst nach den eigenen Ideen und musikalischen Vorlieben und stellst dich darauf ein, vielleicht gar nicht berühmt zu werden. Was ist wichtiger?

Auf jeden Fall eine sehr schwierige Entscheidung!

Es geht darum, ob du lieber vor 5.000 Leuten Songs spielst, die du nicht selber geschrieben hast, oder eher vor 200 Besuchern Stücke, die du ganz alleine geschrieben und komponiert hast und die genau so klingen, wie du das willst. Was ist deine Priorität? Wir haben uns dann für die Variante B entschieden.

Die ja aber nicht bedeutet, dass man nicht irgendwann durch z.B. Bookingagenturen unterstützt werden kann.

Ganz genau, und natürlich kannst du auch auf die großen Bühnen kommen. Idealerweise bist du einfach so geil, dass deine Musik vielen Menschen gefällt und sich die Labels um dich reißen. Dann ist nämlich die Band beim Label am Drücker und kann frei verhandeln. Das ist praktisch der AnnenMayKantereit-Effekt. So etwas lässt sich aber nicht planen. Es kommt unter anderem darauf an, zur richtigen Zeit gute Songs zu schreiben.

Nach welchen Schwerpunkten schreibt ihr eure Songs?

Da wir auf die DIY-Weise überhaupt keine Vorgaben oder Druck haben, können wir einfach die Songs schreiben, auf die wir Bock haben. Wir denken nicht daran, was die Leute interessiert und was momentan viel gehört wird. Dieses Privileg haben wir mit Koala nun. Es geht nur darum, was wir fühlen, wie wir klingen wollen und wie wir unsere Emotionen auf eine Platte bringen. Ich muss ehrlich sagen, dass wir uns mit The Secnd ganz anders schon an Trends orientiert haben. Jetzt machen wir teilweise Musik, die richtig uncool und total out ist. Aber wir finden es geil!

Im März und im Mai seid ihr in Mannheim in der Popakademie aufgetreten. Haben die Auftritte eure Musikrichtung noch beeinflusst?

Damals war unsere Findungsphase schon abgeschlossen, daher war es schon die Musik, die wir jetzt auch machen. Wir haben es als öffentliche Probegigs der jetzigen Songs begriffen, für die wir Kritik und Feedback bekommen haben.

Aus vorhin genannten Gründen ist The Secnd irgendwann im Sand verlaufen. Was soll bei Koala anders sein?

Wir signen erstmal noch nichts und lassen uns nicht verführen. Außerdem lassen wir uns nicht vom Hunger nach Ruhm und Anerkennung pushen. Weil dieser bei Künstlern häufig sehr groß ist, wird oftmals vergessen, einfach ehrliche Musik zu machen. Es wird eher daran gedacht, wie man möglichst viele Leute erreichen kann. Dabei schaffst du es doch nur, indem du sie mit deiner Musik berührst. Wir konzentrieren uns auf unsere Musik und nicht darauf, wie sie ankommt. Wir wollen kindlich und unbeschwert Musik machen. So können wir das Beste erreichen.

Was macht ihr jetzt überhaupt für Musik?

Es ist deutschsprachiger Pop, der von Indie angehaucht ist. Als Rockmusik kann man es nicht bezeichnen, obwohl manche Songs rockige Züge haben. Es ist auch viel Klavier und Synthies dabei. Außerdem sind oft die 80er-Einflüsse prägnant.

Welche Themen verarbeitest du in deinen Texten?

Es geht um Liebe, Romantik, den eigenen Alltag und Möglichkeiten, die Welt zu verbessern. Außerdem ist viel Mental Health dabei, also die Beschäftigung und das Hinterfragen mit sich selbst und dem eigenen Inneren. Es geht um Mitmenschlichkeit, wie man im eigenen Mikrokosmos mit sich selber und anderen Menschen agiert. Es sind aber auch witzige und ironische Sachen dabei. Ich habe zum Beispiel einen Albtraum, in dem ich nachts von meiner Traumfrau verfolgt werde und sie mich töten will, so Falco-mäßig. Zusammengefasst geht es um das eigene Innenleben, Gefühle und kleine Kurzgeschichten.

Ist es für dich schwieriger, auf Deutsch zu texten?

Im Gegenteil, es ist viel einfacher. Dafür ist es extrem wichtig, einen guten Zugang zu sich selbst zu haben und ehrlich zu texten. Es ist nicht mehr so metaphorisch und verklausuliert wie im Englischen. Ich sage einfach genau, was ich denke.

Für den 15. November ist eine Release-Show im Magazinkeller angekündigt. Was wird denn veröffentlicht?

Nach „Modena“ wollen wir eine zweite Single veröffentlichen. Noch mehr nehmen wir so ein Release-Konzert zum Anlass, das erste Mal als Band in unserer Heimatstadt aufzutreten. Die Show mit „Sind“ morgen kommt dem jetzt zwar zuvor, aber so ist es eben unser erstes Konzert als Hauptband. Es ist alles selbst von uns organisiert und wir haben voraussichtlich einige Special Guests aus der Bremer Szene dabei. Außerdem wird es hinterher eine Aftershow-Party geben. Und das alles bei freiem Eintritt!

Was wollt ihr den Besuchern eurer Konzerte mit eurer Musik geben?

Einen schönen Abend mit einem Gemeinschaftsgefühl. Entschleunigung und eine kleine Liebesdosis.

Koala sind Patrick Heym, Marcel Heym, Marc Bischoff, Michael Tsogias und Ferdinand Schwartz.

 


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