Von VHS-Kassetten im Keller des „Blauen Manfred“
Warum Erotik Toy Records zur "Stadtmusikbande" wird und was die beiden Filmemacher Hannes Rademacher und Till Lucas damit zu tun haben. Ein Interview.

Bremen. Auf einmal kursierte dieses Video im Netz und ging so richtig steil. Jung, kriminell und dem Alkohol verfallen. Das Video handelte von der Stadtmusikbande. Mitten In der Hansestadt Bremen tummeln sich die Jugendlichen Tag für Tag und schlagen die Zeit tot. Wenn sie sich nicht gerade in ihrerm Hauptquatier „Zum Blauen Manfred“ gegenseitig die Köpfe einschlagen, planen sie weitere Raubzüge oder sprühen Sprüche an Häuserfassaden. Die beiden Filmemacher Hannes Rademacher und Till Lucas von Sendefähig geben einen Einblick in die Abgründe deutscher Subkultur. Was das alles soll und was es mit Erotik Toy Records und deren Sampler zu tun hat, haben wir mal nachgefragt.
Wo genau habt ihr das VHS-Video der Straßenbande eigentlich gefunden?
Till Lucas: Wir sind im Keller des „Blauen Manfred“ auf eine staubige alte Kiste mit abstrusen VHS-Kassetten gestoßen. Wahrscheinlich noch vom Vorgänger. Direkt auf der ersten war dann diese Reportage drauf.
Wie genau komme ich eigentlich zum „Blauen Manfred“?
Till Lucas: Du musst einfach nur eine Zeitmaschine erfinden.
Warum wusste niemand, dass Bremen sozusagen die Geburtstadt des Hip Hop ist?
Hannes Rademacher: Das ist so nicht ganz richtig: Der erste echte deutsche Raptrack war René Wellers Boxer-Rap (hier), der auch die Stadtmusikbande maßgeblich beeinflusst hat. Dennoch kann man feststellen, dass es bei Jörn zum ersten Mal auf deutsch geflowt hat. Der hat ein wahres Feuerwerk der Rap-Kunst abgefackelt, da brannte wirklich alles.
Jörn, Biene, Tommy, Tony, Ilona, Jochen, Monika, Sven und Hagen – wer trinkt am meisten Bier?
Hannes Rademacher: Biene.
Wer bitteschön hat denn noch einen Videoplayer?
Till Lucas: Wer denn nicht?
Jetzt mal im Ernst: Was soll das? Ist das nicht ein mega aufwändiger Promo-Gag für den „Erotik Toy Records“-Labelsampler „Hafenwind“?
Hannes Rademacher: Ganz nüchtern betrachtet, bekommt man für Promo ein Budget in die Hand, mit dem man etwas Werbendes produzieren soll. Viele machen dann Schnellschüsse, die für zwei Wochen die neue Platte bewerben. Wir wollten aber etwas Bleibendes kreieren, etwas, das auch nach Jahren noch angesehen werden kann. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, sehr.
Warum wird Erotik Toy Records zur 90er-Jahre Straßenbande?
Wir wollten einfach unserem Kulturerbe Tribut zollen.
Was diente als Vorbild für diese Mockumentary?
Till Lucas: Wir sind Fans von alten, vor allem norddeutschen, TV-Dokumentationen, wie „Youth Wars“ und „zwischen knast und Palast“ – Reportagen und Milieustudien also, die versuchen seriös und dabei ein bisschen unbeholfen diverse Jugendkulturen beleuchten. Und wir mögen natürlich eine ganze Reihe gut gemachter Mockumentaries, von „Style Wars 2“ bis „Fraktus“.
Wie habt ihr technisch gesehen diesen Old-School-Look im Video hinbekommen?
Hannes Rademacher: Das kann ich leider nicht verraten. Aber es war eine mehrtägige Scheißarbeit.
Und wo habt ihr die alten Jacken, Sofas und den ganzen Kram her?
Till Lucas: Der Schlüssel ist zum Look ist: Massig Jeans!
Die Platte „Hafenwind“ von Erotik Toy Records könnt ihr bei HVV bestellen.
www.sendefaehig.com
www.facebook.com/sendefaehig
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