Der Samstag beim Hurricane Festival: Sommer, Sonne, Lisbeth
Am längsten der drei Festivaltage erleben zehntausende Besucher:innen den größten Von Wegen Lisbeth-Auftritt aller Zeiten, einen Abriss mit K.I.Z. und ein starkes Finale mit Twenty One Pilots.

Scheeßel. 14 Stunden lang gab es beim Hurricane Festival gestern Musik aus verschiedensten Stilrichtungen auf vier Bühnen. Bei starker Hitze ist Sonnencreme neben kühlen Getränken die wichtigste Begleiterin, über dem Eichenring liegt trockener Staub in der Luft. Die Besucher:innen des ausverkauften Events animiert der Sommer nur noch mehr zum Feiern. Im musikalischen Programm gibt es internationale Rockmusik auf der Hautbühne und ansonsten viele deutschsprachige Acts. Text von Leonard Steinbeck, Malte Löhmann, Björn Gieß und Marcel Kloth.
13:00 Uhr: Brutus auf der Forest Stage: Mit ihrer packenden Live-Energie und einer singenden Schlagzeugerin haben Brutus das Potenzial, ein ganzes verkatertes Festivalpublikum wieder zum Leben zu erwecken. Wer sich den 45-minütigen Auftritt des belgischen Trios ansieht, ist danach auf jeden Fall wach.
14:15 Uhr: Nothing But Thieves auf der Forest Stage: Die erste Party des Tages steigt bei der britischen Alternative-Rock-Gruppe. Hände und Staub liegen vor allem im ersten Wellenbrecher in der Luft, Songs wie „Amsterdam“, „Real Love Song“ oder „I Was Just A Kid“ muss man nicht kennen, um sie mitzusingen.
15:00 Uhr: Provinz auf der River Stage: Aus der süddeutschen Provinz in die norddeutsche Provinz. Mit ihrem Song „Hymne gegen euch“ eröffnetet die aus Ravensburg stammende Band für viele Hurricane-Besucher:innen den Festival-Samstag. Die drei Cousins sowie ihr Schlagzeuger Leon präsentieren einige neue Songs von ihrem im September erscheinendem Album „Zorn und Liebe“.
15:45 Uhr: Turbostaat auf der Mountain Stage: Endlich schaffen wir es zu einem Auftritt auf der Mountain Stage. Die kleinste der drei offenen Bühnen liegt am Ende des Geländes, hier geht man kaum zufällig vorbei, sondern steuert die Konzerte gezielt an. Entsprechend ist das Publikum hier nachmittags etwas kleiner, die Shows dadurch aber intensiver. So ist es auch bei der Punk-Gruppe aus Husum, bei der sich Circle Pits und Moshpits abwechseln.
16:15 Uhr: Jeremias auf der Wild Coast Stage: Kontrastprogramm auf der Wild Coast Stage. Während auf der Mountain Stage mit Turbostaat noch feinster Punkrock geboten wird und das musikalisch weniger anspruchsvolle Publikum sich vor der River Stage auf den Auftritt von Rapperin Juju (ehemals SXTN) freut, betreten Jeremias die Zeltbühne. Mit verträumten Indie-Pop-Songs wie „HDL“ bietet die Band aus Hannover eine gute Möglichkeit, an diesem langen Samstag kurz durchzuatmen und Kraft für die folgenden Auftritte zu tanken. Verwirrung kommt auf, als Jeremias einen Song scheinbar zum zweiten Mal anspielen. Doch diese hält nur kurz an, denn tatsächlich wurde „Liebe zu dritt“ keine Stunde zuvor bereits von Provinz performt. Es mag an dem etwas kleineren Rahmen liegen, den das Zelt bietet, aber Jeremias scheinen den Titel noch besser rüberbringen zu können. Fraglich bleibt, warum die beiden Bands sich nicht gegenseitig besucht haben. Zeitlich schienen die beiden Auftritte schließlich aufeinander abgestimmt.
17:05 Uhr: Jimmy Eat World auf der Forest Stage: Die Rockband aus Arizona, die ihre größten Erfolge in Deutschland Anfang der 2000er-Jahre feiern konnte, punktet beim Publikum auch heute eher mit Stücken aus dieser Zeit. Zu poppigen Songs wie „Pain“ wird getanzt und „Sweetness“ kann auch mitsingen, wer mit den Lyrics nicht vertraut ist. Abgeschlossen wird der Auftritt natürlich mit der erfolgreichsten Single „The Middle“.
18:00 Uhr: Aurora auf der Wild Coast Stage: Sie war für viele einer der Geheimtipps auf dem diesjährigen Festival – obwohl die junge Norwegerin schon 2015 mit ihrer Debüt-EP „Running With The Wolves“ große Wellen schlug, lief sie die vergangen Jahre hier noch oftmals unterm Radar vieler. Wer die Show am Samstagnachmittag gesehen hat, wird sich wahrscheinlich darüber gewundert haben: Aurora tanzt, singt, springt sichtlich emotional berührt wie eine Elfe über die Bühne. Die grazile Künstlerin überzeugt hier nicht nur durch ihre Performance, sondern auch durch epochale Aufbereitung ihrer Songs. Die Stücke ihres neuem Albums „The Gods We Can Touch“ fügen sich hierbei gut in die einstündige Performance ein – wer Lust auf emotionalen Pop hat, sollte sich Aurora nicht entgehen lassen.
18:00 Uhr: Foals auf der River Stage: Heute spielen viele Bands mit rockiger Ausrichtung aus Großbritannien. Foals aus Oxford sind obendrein sehr tanzbar, es ist ein entspannter Auftritt in der Abendsonne und die ideale Mischung aus Euphorie und Entspannung.
19:45 Uhr: Idles auf der River Stage: Wenn eine Band bereits vor dem zweiten Song eine riesige Wall Of Death eröffnet, steht ein gutes Konzert bevor. So gewesen beim Idles-Auftritt am Samstagnachmittag auf der River Stage. Kaum eine Band bringt so viel Energie auf die Bühne, wie die aus Bristol stammenden Jungs. Für viele Festivalbesucher:innen eines der besten Konzerte des Tages.
20:35 Uhr: Von Wegen Lisbeth auf der Forest Stage: Was für ein Timeslot für Von Wegen Lisbeth! Vor einer gigantischen Besucher:innenanzahl stehen sie zur besten Zeit auf der Hauptbühne vor einer LED-Wand im Halbkreis. Nach einem langen Intro hauen sie zu Beginn direkt „Westkreuz“, „Meine Kneipe“ und „Chérie“ raus. Es ist das erste Hurricane Festival für die Berliner, die nach eigener Aussage noch nie vor so vielen Menschen gespielt haben. Das Publikum denkt sich bei gleich mehreren Songs spontane Tanzmoves aus, so reißen sich auch die Fans untereinander gegenseitig mit. Neben bekannten Stücken der früheren beiden Alben gibt es auch das brandneue „Auf Eis“ vom kommenden dritten Album mit einem gecoverten „Believe“-Outro von Cher. Ein ganz frischer und einprägsamer Track nach einer augenzwinkernd wahren Geschichte ist „Elon Musk kommt nicht ins Berghain“.
21:45 Uhr: K.I.Z. auf der River Stage: Mit einer 15-minütigen Verspätung liefern die „Kannibalen in Zivil“ genau das ab, was man von ihnen erwartet hat: laute, ironie-beladene Rap-Klassiker. Die Show selbst ist durch die Verspätung etwas getriebener, sprich die Bühnen-Gespräche zwischen Tarek, Maxim und Nico werden kurz gehalten und es wird sich darauf konzentriert, was sie am besten können: Die Menschen zum Ausrasten zu bringen. Besonders der Track: „Ich ficke euch (alle)“ vom 2021er-Album „Rap über Hass“ entwickelt sich zum neuen Favoriten der Fans. Auch im 22. Jahr des Band-Bestehens performen sie mit dem Elan einer wild gewordenen Meute, die sich an der Eskalation der Fans ergötzt.
23:00 Uhr: KitschKrieg auf der Mountain Stage: Beeindruckend ist es, bei einem KitschKrieg-Auftritt zu beobachten, mit wie vielen Künstler:innen die Produzenten zusammenarbeiten. Peter Fox, Trettmann, Cro, Jan Delay, Ufo 361 – sie alle gehören zum KitschKrieg-Imperium und sind Teil des Auftritts am Samstagabend. Während das Duo am Mischpult steht, erscheinen die anderen Acts auf einer riesigen LED-Leinwand im Hintergrund.
00:30 Uhr: Twenty One Pilots auf der River Stage: Ein langer Tag wird standesgemäß mit dem Headliner beendet. Das US-amerikanische Duo ist unglaublich vielseitig unterwegs zwischen Rap, Rock, Pop und Hip-Hop und hat zudem eine spielstarke Live-Band im Gepäck. Sie beginnen mit Gesichtsmasken und dem Hit „Heathens“, Schlagzeuger Josh Dunn, der an diesem Tag seinen 34. Geburtstag feiert, steigt aufs Klavier und reißt sich nach einem Rückwärtssaldo die schwarze Maske vom Gesicht. Die Band spielt den abwechslungsreichsten Auftritt des Tages, sie sind nicht nur weltberühmt mit ihren Songs geworden, sondern musikalisch hochbegabt. In der Mitte des Sets spielen sie eine Lagerfeuer-Session mit Feuer, später wird das Schlagzeug auf den Armen der Fans im ersten Wellenbrecher gehalten. Es gibt Nebel- und Feuereffekte und eine insgesamt rundum gelungene Show zum großen Finale.
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