Ein Besuch bei Aleeza
Die Bremerin Aleeza Lynn singt und spielt Gitarre, fast ihr ganzes Leben lang. Nach einem gewonnenen SongCheck in Osnabrück hat sie sich in Bremen Weggefährten gesucht und begibt sich mit ihnen auf ihre musikalische Reise. Ein Besuch im Proberaum.

Von Yannik Richter.
Bremen bietet zurzeit vor allem eines: Sehr viel Regen. Unmengen davon. Manchmal liegt eine bizarre Poesie im morgentlichen Blick aus dem Fenster. Warmer Dunst dampft von verharrenden Menschen, rhythmisches Prasseln füllt alte Pflastersteinfugen, während all das Grau nicht verstecken kann, dass es eigentlich ein Sommertag sein will. Symbiotische Gegensätze – behaglich kühl, rhythmisch fließend. Dieser Gedanke hat mich zu einer Bremer Künstlerin begleitet, die ich bis dahin noch nicht kannte.
Ich verließ die Straße und betrat einen Proberaum, wie er im Buche steht. Bemalte Außenwände, stoff-verhagene Decke, gerade genug Platz für vier Menschen – ein verträumter Klangteppich war bereits für mich ausgelegt. An dessen Ende saßen und standen Jana Sabeth Schultz am Synthie, Martin Denzin an den Drums und Aleeza Lynn mit ihrer Gitarre, ihren Texten und ihrer Stimme. Die ursprüngliche Münsteranerin bekam 2005 ihre erste Gitarre geschenkt und begann sie zu nutzen. Erst nur für sich allein, dann während einem Jahr in Neuseeland auch in Bars, Pubs und Kneipen. Mit gesammelten Erfahrungen zog sie nach Bremen.
Hinter dem Namen Aleeza verbirgt sich ein Trio aus Vollblut-Musikern, die sich mit Synthie-Begleitung und elektronischem Klang-Gerüst in für die Frontfrau bisher unbekanntes Terrain vorwagen. Alte Lieder sollen im Zuge des Stilwechsels völlig neu arrangiert werden und voller und atmosphärischer klingen, als je zuvor. So weit, so gut. Meine Erwartungen waren gering, meine Neugier geweckt. Nach einer freundlichen Begrüßung nahm ich Platz auf einem kleinen Stuhl in der Ecke des Raumes. Leise beginnt es, elektronisches Knistern liegt in der Luft, Töne verschwimmen zu Flächen und erfüllen den Raum, ein kristallener Beat prasselt auf Pads, Felle und Becken. Aleeza singt von Sehnsucht und Selbstfindung, Tagträumen und Alltagsflucht. Und ihre Worte erzeugen bildhafte Klangwelten. Wenn in „Escape“ letztgenanntes Ausbrechen thematisiert wird, bekommt dieser Befreiungsschlag durch ein zu dritt performtes Trommel-Outro abseits von Vierviertel eine akkustische Metapher. Wenn in „I left“ von Rastlosigkeit getrieben und von Neuanfängen geschwärmt wird, bringt auch der Song durch gezielt eingesetzte Pausen und Wiederaufnahmen des Main-Riffs diese Gefühle zum Ausdruck. Es ist der reichhaltigen musikalischen Vorerfahrung der einzelnen Mitglieder zu verdanken, dass die Präzision und punktgenaue Verbindung von textlichem Inhalt und klanglicher Form, die ihre Songs auszeichnet, dennoch federleicht und nahezu beiläufig ehrlich klingt. Aber auch abseits der Struktur macht Aleeza eine gute Figur.

Die Band setzt auf eine Verbindung von klassischer Gitarrenmusik, elektronischer Nachbearbeitung und Synthies und widerstehen der Versuchung, der Einfachheit halber ,vieles davon live aus dem Laptop kommen zu lassen. Jana singt im Hintergrund, während sie die Synthies bedient, Martin ergänzt den akkustischen Drumsound durch Sample-Pads, Aleezas Gitarre klingt von Stück zu Stück anders – Assozationen zu „The XX“ kommen unweigerlich auf. Doch wo die Briten bei formeller Experimentierfreudigkeit klanglich minimalistisch bleiben, hört sich das Trio, wenn man es nicht besser wüsste, oftmals an, wie ein großes Kollektiv. Eingängig und dennoch verträumt, geschliffen aber dabei nicht glatt. Die anfangs erwähnte „bizarre Poesie“ durch die Verbindung widersprüchlicher Elemente wird hier deutlich. Die Musik klingt behaglich und vertraut durch Gitarre und Gesang, andererseits melancholisch kühl durch ihre Texte und atmosphärisch-breite Synthie-Sphären, wie kalte Tropfen auf heißem Stein.
So schnell diese kleine Klangwelt aufgefahren wurde, so schnell war das Erlebnis leider wieder vorbei. Es ist eine spannende Angelegenheit, ein Projekt in einer so wichtigen Umbruchphase beobachten zu können, die einzig negative Folge daraus ist allerdings, dass es durch die irrwitzig kurze gemeinsame Zeit der aktuellen Besetzung noch nicht sehr viel zu hören gibt. Das Repertoire umfasst derzeit keine zehn Songs, was mich persönlich allerdings kaum stört, weil sie qualitativ so herausragend gestaltet sind. Ein Blick in die Zukunft lässt hinsichtlich Quantität hoffen. Die Band plant viel neues Songwriting, ein Album, ein Musikvideo; Aleeza ist guter Dinge, da sie sich, wie sie selbst sagt, auf einem kreativen Höhenflug befindet. „Ich fühle mich gerade unglaublich wohl mit der Musik, die wir machen. Meine Songs kommen erst jetzt so richtig zur Geltung“ schwärmt sie freudestrahlend. Eine Ansicht, die ich uneingeschränkt teilen kann. Und so verließ ich zwar den Proberaum, ging zurück in den Regen, zurück ins Grau, doch die Melodien von „Aleeza“ werden mich noch eine ganze Weile begleiten.
Mehr Infos:
https://www.facebook.com/aleezalynn
Am 05. Juli 2017 spielt Aleeza Lynn mit Unterstützung von Martin Denzin und Jana Schultz um 19 Uhr auf den Dreimeterbrettern bei der Breminale.
Mehr Beiträge aus" Musik" zur Startseite